„Kinder in Samt und Seide“

Reporter Eutin 474
Hier steht Kuratorin Dr. Sophie Borges in einem „Traum von Kindheit“.

Hier steht Kuratorin Dr. Sophie Borges in einem „Traum von Kindheit“.

Bild: A. Jabs

Eutin (aj). Mit der aktuellen Sonderausstellung breitet Dr. Sophie Borges einem besonders greifbaren Thema den Teppich aus: In „Kinder in Samt und Seide“ gelingt es der Kuratorin von Schloss Eutin, Kindermode aus der Zeit des Rokokos bis in den Sommer 2024 mit Kinderporträts aus der eigenen Sammlung zu verweben und damit zu schaffen, was jede Ausstellung mit historischem Gehalt bewirken will: Das Damals mit dem Heute zu verknüpfen, zu zeigen, was war und was geblieben ist.
34 Exponate aus der größten europäischen Modesammlung von August Ohm hat sie dafür mit Gemälden der Kinder von Schloss Eutin arrangiert. Die Erwartung fürstlicher Namen ruht auf den schmalen Kinderschultern und häufig bleiben die Prinzessinnen und Hoheiten dem Blick von heute seltsam fern. In der Kombination mit den Roben und Anzügen aber geschieht etwas Wunderbares: „Die Porträts werden uns nahegebracht“, meint Sophie Borges. Staunend steht man vor einem Säuglingskleidchen aus reiner Seide aus der Zeit von 1700 bis 1750, hinter einer aufwendigen Hofrobe für ein Mädchen mit bunten Blumen auf bronzefarbenen Grund hängt ein Porträt, auf dem die Prinzessin Louise von Dänemark in einem ganz ähnlichen Modell zu sehen ist. Nach dem Staunen kommen die Fragen, auch das ist ein Kennzeichen einer guten Schau: Was kann Kinderkleidung bedeuten, wie möchten sich die Eltern präsentieren, welche Rollenbilder finden Ausdruck, welcher Blick auf Kindheit als autonomer Lebensabschnitt? Aber auch praktische Gesichtspunkte nach Bewegungsfreiheit, nach dem Anlass fürs Outfit fordern Beachtung.
Sophie Borges ordnet die Ebenen der Betrachtung in einzelnen Raum-Kapiteln. Der Rundgang beginnt im Gobelinzimmer mit der „Tragenden Rolle“. Hier zeigt sich, wie die Aufgabe, mit der die adeligen Kinder geboren wurden, Entsprechung in den beschriebenen Kleidern findet. Als spannenden Kontrast hat sie die typische Kleidung eines Jakobiners aus dem revolutionären Frankreich dazugestellt. „Kinderspiel“ stellt dann ausgewähltes historisches Spielzeug neben Kleidung, die es erlaubt, sich auszuleben. Das Dreiradpferd – lange Zeit den Jungen vorbehalten – ließ sich im Skeleton-Suit bestens bändigen. Angeknöpfte Hosen, es war die Zeit „vor dem Gummiband“, sorgten für einen sicheren Sitz, der körpernahe Schnitt versprach Beweglichkeit. Eine neue, auch bewusstere Wahrnehmung von Kindlichkeit setzt mit dem 19. Jahrhundert ein. Gleichzeitig werden die frühen Jahre zum Ideal, Kindheit entwickelt sich zum Sehnsuchtsort. „Ein Traum von Kindheit“ nennt Borges den entsprechenden Abschnitt der Ausstellung. Weiß ist charakteristisch für die Mode, Geschlechtsunterschiede rücken in den Hintergrund, die Kleider werden leicht und feenhaft. Dass man die Transparenz der Stoffe, die zarteste Spitze, jeden filigranen Faltenwurf bis ins feinste Detail bestaunen kann, ist dem professionellen Lichtkonzept mit modernen LEDs zu verdanken, das auch die Kindergesichter auf den Porträts berückend natürlich leuchten lässt.
Der Übergang zu einem weiteren Aspekt kommt wie ein Bruch daher: „Wohlgeformt: Korsett und Disziplin“ nennt Sophie Borges diesen Abschnitt. Mit großer Klarheit stellt sie die Lehrmeinung, dass der Natur mit formender Mode, mit Miedern und schweren Stoffen nachzuhelfen sein, dar. Wer da urteilt, kommt nicht umhin, dabei auch den heutigen Umgang mit dem Thema der Inszenierung von Kinderkörpern einzubeziehen.
Und damit ist die Überleitung zur Kindermode der Saison getan: Zahlreiche Stücke aus einer Hamburger Boutique bezeugen, dass die Verbindung „Kinder und Mode“ nicht eindimensional zu denken ist, dass Uniform und Individualität, Freiheit und Diktat mitunter verschmelzen. Bei aller Reflexion ist es eine Ausstellung voller Lust am Schauen und Schwelgen, für Kinder gibt es Fühlstationen und ihre Meinung ist gefragt. Dafür wurden extra Feedback-Stationen eingerichtet. Die Ausstellung ist bis zum 29. September zu sehen. Ein vielfältiges Programm aus Workshops und Vorträgen begleitet die Schau. Alle Informationen finden Interessierte auf www.schloss-eutin.de