Zu schade für die Schublade

Reporter Eutin 483
Aufbaupause in der Kreisbibliothek: Am Sonnabend ist die Vernissage von „Hitch plakativ“, die Volker Graap derzeit vorbereitet. Das „Rebecca“-Plakat von 1951 kann dann in voller Schönheit bewundert werden

Aufbaupause in der Kreisbibliothek: Am Sonnabend ist die Vernissage von „Hitch plakativ“, die Volker Graap derzeit vorbereitet. Das „Rebecca“-Plakat von 1951 kann dann in voller Schönheit bewundert werden

Bild: A. Jabs

Eutin (aj). Es ist im Wortsinn eine Preview, denn die Filmplakatausstellung „Hitchcock plakativ“ erlaubt einen Blick ins Hitchcock-Universum, ehe die diesjährigen Eutiner Hitchcock Days vom 13. bis 29. September laufen. Volker Graap, Initiator der Veranstaltungsreihe und natürlich (!) glühender Hitchcock-Fan, hat den 125. Geburtstags der Regie-Legende zum Anlass genommen, seine umfangreiche Sammlung von Filmplakaten zu sichten und eine Auswahl erstmal einem hoffentlich zahlreich erscheinenden Publikum zu präsentieren. Vom 6. Juli bis zum 23. August sind 30 deutsche Originalplakate aus fünf Jahrzehnten auf der Galerie der Kreisbibliothek zu sehen und man sollte sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Tipp: Wer es einrichten kann, kommt am besten zur Vernissage am kommenden Sonnabend, 6. Juli, um 10.30 Uhr, um Volker Graaps Einführung zu hören. Seine nun schon 45 Jahre währende Begeisterung und sein ebenso lang angehäuftes Wissen öffnen die Tür in die Ära des Kinos, als die Filme noch auf der Rolle in die Filmspielhäuser geliefert wurden. Das älteste Stück sollte 1951 die Menschen in „Rebecca“ locken, gefertigt von einem Plakatmaler, so war es seinerzeit üblich: „Man ließ den Künstlern dabei weitgehend freie Hand in der Gestaltung, sie konnten sich ausleben“, erläutert Graap. Die Maler machten sich an die Arbeit, oft ohne die Filme zu kennen, zumeist lieferten Standbilder einzelner Szenen den nötigen Input. Den Inhalt auf einen Schlüsselmoment hin zu verdichten, darauf kam es an: „Wenn es gelingt, einen besonderen Augenblick aus dem Film einzufangen, ist das am schönsten“, lautet Graaps Antwort auf die Frage, was für ihn ein gutes Plakat ausmacht. Sein Favorit ist „Bei Anruf Mord“: „Die Farben sind schön, die Szene markant“, meint der Preetzer, der den handgemalten Plakaten immer den Vorzug geben würde. Mit Ende der 1960er Jahre gewinnt gestalterisch die Grafik an Bedeutung und verdrängt zunehmend die Malerei. Und noch eine wesentliche Änderung setzt ein: Waren die Plakate zuvor auf das Publikum in den einzelnen Ländern zugeschnitten, warb man also in Deutschland mit einem anderen Motiv für einen Hitchcock-Film als in Amerika, setzte sich nun das Konzept der „visual identity“ durch. Das hieß, es gab nur noch ein Motiv für ein globales Publikum. Die Plakate für „Die Vögel“ oder „Frenzy“ sahen also in London genauso aus wie Hamburg. Der Meister selbst wurde bereits 1960 zum Motiv, nicht nur sein Name, auch sein Gesicht zur Marke, eine Konsequenz der Reihe „Alfred Hitchcock zeigt“. Wer sich für das Kino interessiert, hat jetzt das Plakat von „Die Vögel“ vor Augen. „Das ist wirklich bemerkenswert“, macht Graap deutlich und führt aus: „Kein anderer großer Regisseur taucht auf den Plakaten zu seinen Filmen auf.“ Auch in der Ausstellung ist es Hitchcock, dem der erste Blick der Besucher*innen gilt, dafür hat Graap mit entsprechender Hängung gesorgt. Für die Schau hat er die Plakate gerahmt, sie sind nur ein kleiner Teil der umfangreichen Hitchcock-Sammlung.
Den Anfang machten fünf Wiederaufführungen von Hitchcock-Filmen 1984, „Das Fenster zum Hof“, „Cocktail für eine Leiche“ und Co. liefen damals auch im Preetzer Kino: „Ich kannte den Inhaber und habe nach den Plakaten gefragt“, erinnert sich Volker Graap. Damit begann die Sammelleidenschaft. Und die erforderte in den Zeiten vor Internet-Tauschbörsen und digitalen Kleinanzeigen noch besonderen Spürsinn und Geduld. Kontakte knüpft man über Inserate in Zeitschriften wie der „Cinema“: „Und dann musste man Kataloge anfordern und daraus auswählen“, so der Hitchcock-Experte. Eine Paris-Reise nutzt er, um in Antiquariaten nach Plakaten zu suchen – mit Erfolg. Heute wird er im Internet fündig, die Freude über ein schönes Exemplar aber ist dieselbe geblieben. Von den etwa 100 Postern haben aber nur zwei einen festen Platz an den Wänden seines Zuhauses: „Bei mir hängen ‚Die Vögel‘ und ‚Das Fenster zum Hof‘“, verrät er. Was hält die Faszination Hitchcock nach so vielen Jahren lebendig? „Es gibt immer wieder Neues zu entdecken“, antwortet Volker Graap. Da sei zum Beispiel der fiktive Dokumentarfilm „Als Hitchcock in Auerstedt auf Eiermanns Else traf“, in dem eine ganz eigene Theorie zum Plot von „Psycho“ entwickelt werde, erzählt er. Logisch, dass man das im Anschluss googeln und staunen wird. Aktuell freut sich Volker Graap auf die Biografie „Alma & Alfred Hitchcock“ von Thilo Wydra, die am 24. Juli erscheint. Auch die Ausstellung hat er mit Lesestoff zum Thema bestückt, damit man das Gesehene mit Hintergrundwissen ergänzen kann. Natürlich wünscht er sich, dass seine Schätze gut ankommen: „Für mich als Sammler ist es schön, dass ich das teilen kann“, meint er unumwunden. Die Plattform dafür hat er mit den Hitchcock Days selbst ins Leben gerufen. Als Träger für die dritte Auflage konnte er in diesem Jahr den Verein KulturOrtNord e.V. gewinnen und auch ohne das Sponsoring der Stiftungen der Sparkasse Holstein, der Stadtwerke Eutin, der Sparkasse Holstein und des reporter wäre dieses besondere Highlight nicht umzusetzen: „Deshalb bin ich für diese Unterstützung sehr dankbar“, das zu sagen ist ihm wichtig. Was er sich für die Hitchcock Days perspektivisch wünscht? „Dass die Eutiner Kulturszene stabiler wird, damit man verlässlich planen kann“, sagt er ohne zu zögern. An Inhalten, die zu schade sind für die Schublade, ist nämlich kein Mangel.
Die Ausstellung ist während der Öffnungszeiten der Kreisbibliothek Dienstag 9.30 bis 18 Uhr, Mittwoch 9.30 bis 13 Uhr, Donnerstag 9.30 bis 19 Uhr, Freitag 9.30 bis 18 Uhr und Sonnabend 9.30 bis 13 Uhr. Zur Vernissage am kommenden Sonnabend gestalten Nicoline Uebel (E-Piano) und Jule Wrobel (Gesang) Gesangseinlagen mit Hitchcock-Bezug. Zur Schau sind Führungen geplant.