Aus dem Garten ins Museum: Wie zwei Neustädter ein vergessenes Kapitel der Stadtgeschichte aufdecken

Marlies Henke 216

Neustadt in Neustadt. Eigentlich sind es zwei Geschichten, die hier erzählt werden: Zum einen die von Thomas Vogler, der bei der Recherche zur Familiengeschichte regelrecht in ein Heimatforscher-Fieber verfiel. Zum anderen die von Dieter Markmann, der bei der Gartenarbeit eine historische Anstecknadel aus dem 19. Jahrhundert fand. Durch das zeiTTor-Museum sind die Geschichten nun miteinander verknüpft.

Vom Ahnenforscher zur Heimatkundler

Vor einigen Jahren fragte Thomas Voglers Mutter, ob er nicht mehr über ihren Vater herausfinden könnte, der Soldat im Zweiten Weltkrieg war. Schnell entdeckte der pensionierte Berufssoldat jedoch seine Leidenschaft für die „ganze Geschichte“. „Meine Familie ist stark verwurzelt in der Region“, erzählt Vogler dem reporter. „Von einer Branntweinbrennerei meiner Vorfahren im Jahr 1805 bis zu einem Kunstradfahrer, der in historischen Zeitungen auftauchte – da gab es viel zu entdecken.“

Woche für Woche in den Archiven: Voglers Fleißarbeit

Seit zwei Jahren geht Thomas Vogler zweimal die Woche für vier Stunden in die heimatkundliche Bibliothek des zeiTTor-Museums und durchforstet die Neustädter Wochen- und Tageblätter, die bis 1848 zurückreichen. Mittlerweile hat er allein 60 Ordner mit Informationen zu seiner Familie und weitere Dutzende Ordner zu Vereinen und zur Stadtgeschichte zusammengetragen. „Das, was Thomas Vogler hier leistet, ist eine unglaubliche Fleißarbeit“, sagt Museumsleiter Frank Wilschewski. „Er hat alles bibliografiert und zusammengetragen. Wer sich in Neustadt historisch betätigen möchte, wird daran nicht vorbeikommen.“

Auf Spurensuche im 19. Jahrhundert: Die Kriegervereine

„Als pensionierter Berufssoldat fand ich die militärischen Vereine besonders spannend, und so kam eins zum anderen“, erzählt Vogler weiter. „Als der Anglerverein zum Beispiel anfragte, ob ich etwas zu seinem Jubiläum finden könnte, dachte ich: Wenn ich schon die ganzen Zeitungen durchblättere, dann guck ich mal, was ich dazu finde.“ Ein Teil von Voglers Recherchen und Aufzeichnungen wurde bereits in den „Jahrbüchern für Heimatkunde“ veröffentlicht, einige sind auch auf der Website von Thomas Schwartz www.schwarz-neustadt.net verfügbar (ab 1. Dezember wieder online).

Im Laufe seiner Nachforschungen stieß Vogler auch auf die regionalen Kriegervereine, von denen es im 19. Jahrhundert in Neustadt insgesamt sechs gab, darunter der „Allgemeine Kriegerverein von 1878“. Dieser erste Militärverein wurde damals unter dem Namen „Allgemeiner Militär-Verein“ gegründet. Mittlerweile hat Thomas Vogler eine 930 seitige Vereinschronik erstellt, alles zusammengetragen aus Meldungen zu Jahreshauptversammlngen, Familienanzeigen von Mitgliedern in den „Neustädter Tageblättern“. Artefakte gab es bisher nicht – bis vor Kurzem Dieter Markmann ins Spiel kam.

Ein Fund im Garten bringt Licht ins Dunkel

Im August dieses Jahres machte Dieter Markmann beim Ausgraben einer Löwenzahnwurzel einen ungewöhnlichen Fund: Ein kleines, verkrustetes Metallstück, tief im Boden vergraben. Nach gründlicher Reinigung mit Wasser und Bürste entpuppte sich das Fundstück als Mitgliedsabzeichen des „Allgemeinen Kriegervereins für Neustadt und Umgebung“. Markmann ahnte sofort, dass der Fund historischen Wert hatte. „Das muss in unser Museum“, so der Finder, der kurzerhand Frank Wilschewski vom zeiTTor-Museum kontaktierte.

Der Museumsleiter war sofort von der Bedeutung des Fundes überzeugt und rief Thomas Vogler an. Und der war ganz aus dem Häuschen. „Schließlich hatten wir die Geschichte, die er recherchiert hat – aber bisher kein greifbares Stück dazu“, erklärt Wilschewski. „Und dann taucht plötzlich Dieter Markmann auf mit dem ersten bekannten Exemplar. Und wir können den Gartenfund mit Thomas’ Recherchen verbinden. Das macht die Sache so spannend.“

Familiengeschichte trifft auf Stadtgeschichte

Dieter Markmann vermutet, dass die Brosche seinem Urgroßvater Christian Markmann gehört haben muss. Möglicherweise wurde die Brosche zwischen 1907 und 1914 verloren.

„Die Brosche ist erstaunlich gut erhalten – ein toller Fund“, sagt Thomas Vogler. „Meine Unterlagen bestätigen, dass Christian Markmann tatsächlich Mitglied im Kriegerverein war. Sein Sohn Heinrich, Dieters Großvater, hat das Haus 1907 gebaut. Es liegt also nahe, dass das Abzeichen tatsächlich von Christian Markmann stammt.“

Frank Wilschewski sieht den Fund als kleinen Glücksfall: „Lokalhistorisch ist das vielleicht Kleinkram, aber plötzlich haben wir einen hellen Lichtschein auf ein Thema, das kaum jemand kannte.“ Dass ausgerechnet zwei Bürger wie Dieter Markmann und Thomas Vogler diese historische Verbindung geschaffen haben, sei besonders wertvoll, findet Wilschewski. „Dieser Mosaikstein Neustädter Vergangenheit ist identitätsstiftend und kommt hier durch bürgerliches Engagement zum Vorschein.“

Weitere Funde sind willkommen

Auch Dieter Markmann, der übrigens Mitglied im Förderverein des Museums ist, zeigt sich stolz: „Ich kann ja auch nichts dafür, aber irgendwie freue ich mich, dass ich der Erste bin, der so etwas gefunden hat.“ Und Thomas Vogler ergänzt hoffnungsvoll: „Wer weiß, was noch alles auf Dachböden oder in Kellern schlummert. Wir würden uns sehr über weitere Funde freuen.“

Für Wilschewski bleibt das Museum dabei vor allem Mittler: „Wenn mehr solcher Funde aus der Bevölkerung kämen, könnten wir das Puzzle weiter vervollständigen.“ (he)