Autoscooter auf der Entengrütze

Reporter Eutin 314
Plön (t). Im Büro der NABU Natur-, Umwelt- und Abfallberatungsstelle in Plön klingelt seit Wochen das Telefon: „Biber in der Schwentine – ist das möglich?“, „Neun kleine Pelztiere im Uferbereich!“, „Greifen die Pelztiere Hunde und Kinder an?“. Höhepunkt war ein Anruf vom anderen Fördeufer, aus Friedrichsort: ein junger Braunbär (!) würde um Futter betteln – ob der NABU helfen könnte? Immer wieder erreichen die Umweltberatungsstelle Anfragen, mal besorgt, interessiert oder verwundert zu diesen Nagetieren, die mittlerweile an den unterschiedlichsten Gewässern auftauchen. Der Informationsbedarf ist groß, da sich das schnell sehr zutraulich werdende Nutria in den letzten Jahren in Schleswig-Holstein und seit etwa zwölf Jahren auch in Kreis Plön auffällig ausbreitet. Für zahlreiche Wassersportler*innen, aber auch Spaziergänger*innen stellen – beispielsweise am Unterlauf der Schwentine – die dort zahlreich vorkommenden Tiere einen ganz normalen Anblick dar. „Wie kleine Autoscooter, teilweise mit senkrecht nach oben stehenden Schwänzen, fressen sich dort Familien mit bis zu neun Jungtieren, eng aneinander gekuschelt durch die ‚Entengrütze‘, einen dichten Teppich aus Teichlinsen und weiteren Wasserpflanzen“, so NABU-Umweltberater Carsten Pusch, „bei der kleinsten Störung oder ungewöhnlichen Geräuschen verschwinden sie dann ab ins Dickicht der Uferpflanzen“.
Mittlerweile wird die Art überall im Kreis Plön an Bächen, Flüssen und Seen, ja selbst an Gewässern in Parkanlagen oder auch Feuerlöschteichen beobachtet. So wanderte letztes Jahr ein junges Männchen von der Schwentine zum Dorfteich inmitten des Kieler Ortsteils Dietrichsdorf und stand wochenlang im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. „Das Tier gewöhnte sich schnell an die zahlreichen Besucher“ berichtet Carsten Pusch, „und kletterte schließlich sogar auf den Füßen fütternder Besucher herum."
Nutrias, auch Sumpfbiber genannt, sind in Südamerika vom südlichen Brasilien bis nach Feuerland verbreitet. Sie wurden zur Pelztierzucht, dann
aber auch wegen ihres Fleisches nach Europa eingeführt und in Farmen gezüchtet. In Südfrankreich kam man dann auf die Idee, durch Aussetzen von Nutrias Fischteiche von Pflanzenwuchs zu befreien. Zudem gab es auch in Deutschland, auch in Schleswig-Holstein zahlreiche Nutria-Pelzzuchtfarmen, nach deren Aufgabe die Tiere vielfach freigelassen wurden. „Die Ausbreitung nach Norden stockte zunächst wegen der kalten Winter, da die Tiere in Gewässern mit gefrorenen Wasserflächen nicht überlebten“ so der NABU-Umweltberater, „Aufgrund des Klimawandels, Anpassungen und weiteren Aussetzungen, vielerorts auch Fütterung breiten die Tiere sich seit etlichen Jahren nun auch in Schleswig-Holstein stark aus“.
Trotz Bekämpfung kann man angesichts der großen Anpassungs- und Reproduktionsfähigkeit der invasiven Art davon ausgehen, dass die Art, genau wie Bisam, Marderhund, Mink oder Waschbär bei uns bleiben wird. „Bei allen punktuellen und lokalen Problemen, die die Nutrias in bestimmten Fällen an Dämmen und Ufern durch ihre Grabtätigkeiten verursachen können, stellen sie doch auch eine Bereicherung der heimischen Tierwelt dar“ findet der Umweltberater. Sein Appell: „Anschauen ja, anfassen (und füttern) nein“.