Eine Hommage an Ostholsteins schreibende Frauen
Eutin (ed). „Wir haben uns erstmals an einer Anthologie versucht“, schmunzelt Dr. Frank Baudach, der Leiter der Eutiner Landesbibliothek – aber die Anthologie „Ostholsteinische Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts“, die die Landesbibliothek unter Federführung von Prof. Dr. Axel E. Walter herausgegeben hat, ist viel mehr als das, sie ist vor allem eine Hommage an die schreibenden Frauen aus der Region in einer Zeit, in der die Literatur von Frauen noch nicht ernstgenommen wurde. Heute ist sie nicht nur Literatur sondern auch Zeitzeugnis – und nach wie vor lesenswert, wovon die Anthologie eindrucksvoll erzählt.
Es sei schon immer die Idee gewesen, dass die Landesbibliothek auch regionale Literatur verlegt, Werke von SchriftstellerInnen über Eutin hinaus – „und da ist lang nicht alles bekannt“, so Dr. Frank Baudach, „schreibende Frauen im 19. Jahrhundert schon gar nicht.“ Aber es gab sie, viele sogar – das Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen zählt sie auf, „aber von den meisten weiß man nichts mehr bis auf Bettine von Arnim oder Anette von Droste-Hülshoff“, sagt Prof. Axel E. Walter, „und es gab auch Frauen in Ostholstein, die geschrieben haben und gelesen wurden, man hat sie nur vergessen.“ Auch weil es von ihren Büchern nur noch wenige Exemplare gibt – und weil es schlichtweg schwierig ist, etwas über sie zu erfahren. Mit Axel E. Walter aber haben die Schriftstellerinnen einen versierten, engagierten Vertreter gefunden, der bereits ein Buch über Ernestine Voß, die Frau des deutlich bekannteren Johann Heinrich, geschrieben hat. Trotz aller Widrigkeiten hat er die schreibenden Frauen Ostholsteins und ihre Werke aufgespürt – Frauen wie Amalia Schoppe aus Heiligenhafen, die sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts von ihrem Mann trennte, rund 200 Bücher schrieb und heute nur noch wegen ihrer Freundschaft zu Friedrich Hebbel in Erinnerung ist. Dabei war sie Autorin, Journalistin und Korrespondentin, hat mit ihrer in der Anthologie wieder veröffentlichten „Clementine“ ein autobiographisches Werk verfasst. „Aber ihre Bücher sind in Vergessenheit geraten“, erklärt Axel Walter, „auch weil Frauenliteratur bis in dieses Jahrhundert hinein als Schund und minderwertig galt.“ Wenn in einer Bücherei ausgemistet werden musste, seien zuerst die Bücher von Frauen weggeworfen worden – so dass es höchstens in privaten Beständen noch Exemplare gibt. So wie bei Wilhelmine Johannsen – sie war Lehrerin in Eutin, von ihrer „Traubenkur“, einem höchst unterhaltsamen Bändchen, einer Mischung aus Roman und Reiseführer, gibt es nur noch zwei Exemplare, ihre anderen Romane sind gar nicht mehr auffindbar. Auch Ida Staacke war Lehrerin – in Neustadt, aber auch in Argentinen, den USA und in Seeland. Sie gründete die erste Schreibwaren- und Buchhandlung in Neustadt und hat als einzige Frau gleich zwei Erzählungen über den Ukleisee geschrieben, die natürlich ebenfalls in der Anthologie zu finden sind. Die letzte im Bunde ist Conradine Stinde, Pfarrerstochter aus Lensahn, die äußerst beliebte Mädchengeschichten schrieb, mit denen sie nun hoffentlich endlich zu dem Ruhm kommt, den sie verdient – denn bekannt ist sie heute eigentlich nur noch als Schwester von Julius Stinde. Ohnehin schrieben Frauen vor allem für Frauen, denn Frauen schreiben nicht nur anders als Männer, sie lesen auch anders, bis heute. Die Autorinnen „aufzustöbern“, nach ihren Werken zu fahnden und sie in der Anthologie zu sammeln, habe großen Spaß gemacht, berichtet Prof. Axel E. Walter, „sie werden unser kulturelles Gedächtnis reicher machen.“ Das Schöne ist: Es macht auch Spaß, die Geschichten zu lesen – wie Jane Austen oder die Brontë-Schwestern haben sie nichts von ihrer Faszination verloren, entführen in längst vergangene Zeiten und lassen sich einfach schön lesen.
Die Anthologie sei die logische Fortsetzung der Literatur in Ostholstein des letzten Jahres – und eine fulminante Wiedergutmachung an die (schreibenden) Frauen, die sonst wohl wirklich ganz vergessen worden wären. Ganz zu Unrecht, wie die beiden verantwortlichen Herren finden: „Diese Geschichten sind unterhaltsam, bewegend und schön“, so Dr. Frank Baudach, „und sie haben ganz viel Zeitkolorit. Ihnen sind viele Leserinnen und vor allem Leser zu wünschen.“ Den Geschichten folgen Kurzbiographien der Schriftstellerinnen, dank derer der Leser sie noch ein bisschen besser kennenlernen darf. Starke, intelligente Frauen, die in einer Zeit lebten, in der ihre Rolle sich eigentlich auf Kinder Küche Herd beschränkte, aus der sie aber erfolgreich ausbrachen – und schrieben. Den Kurzbiographien folgt ein absolut lesenswertes Nachwort, verfasst von Axel E. Walter, über die Rolle von Frauen als Schriftstellerinnen, das diese Hommage der Ostholsteiner Frauen der Feder perfekt ergänzt.
„Ostholsteinische Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts. Eine Anthologie“ gibt es in der Eutiner Landesbibliothek zu den Öffnungszeiten sowie im Buchhandel.