

Malawi. Die Neustädter Medizinstudentin Svea Sela studiert
seit fünf Jahren in Gießen und hat sich während ihres Studiums viel mit
„Global-Health-Themen“ beschäftigt. Nachdem sie bereits durch Praktika im
Ausland einen Einblick in Gesundheitssysteme in Asien, Südamerika und der
arabischen Welt bekommen hat, ist sie nun nach Malawi gereist, um mir vor Ort
einen Überblick über die medizinische Versorgung in einem afrikanischen Land zu
machen, in dem fast die Hälfte der Bevölkerung von unter 1 US-Dollar pro Tag
lebt, nicht jeder medizinisch versorgt wird und die Ärzte an ihre Grenzen
kommen.
Einen Tag lang begleite ich den „radiology assistant“ - fertig ausgebildete
Ärzte gibt es nur zwei im ganzen Krankenhaus, alle anderen sind noch in der
Ausbildungszeit. Ein 15-jähriges Mädchen kommt in das Untersuchungszimmer und
ihr wird mit einer Handbewegung mitgeteilt, sie solle sich auf die Liege legen.
T-Shirt hoch, Ultraschallkopf auf den Bauch und da ist er auch schon - der Kopf
eines ungeborenen Kindes. Nach wenigen Minuten wird die Patientin mit einer
Handbewegung nach draußen gebeten, ohne Erklärung, ohne Fragen, ohne Antworten.
Wird hier etwa gar nicht mit den Patienten gesprochen? Wird hier gar nichts
erklärt? Wie wäre es mit einer Nachfrage, wie es ihr geht? Später soll ich
erfahren, dass das Mädchen leugnet, mit jemandem geschlafen zu haben. Verdrängt
sie einen sexuellen Missbrauch? Oder will sie es nicht zugeben? Warum kann sie
sich nicht ihrer Mutter zu Hause oder jemandem anderen anvertrauen? Warum fragt
niemand nach, welche Ängste sie hat? Ich wünschte, ich könnte die lokale
Sprache, Chichewa, sprechen.
Ich beobachte Einiges, was ich nicht mit meinem Verständnis von Health Care -
Gesundheit und dem Arztberuf in Einklang bringen kann. In Malawi wird wenig
direkt angesprochen, lieber wird um den heißen Brei geredet. In der kurzen
3-jährigen Ausbildung der Ärzte ist scheinbar wenig Platz für Kommunikation,
Medizinethik und Arzt-Patienten-Beziehung. Und wer als Kind schon auf
„Nachsprechen“ getrimmt wird, tut sich auch im weiteren Leben eher schwer damit,
Vorgänge zu hinterfragen ...
Zurück zur Patientin und einem weiteren sehr wichtigen Thema:
Sexualaufklärung und Geschlechtskrankheiten. In den letzten Jahren hat sich viel
in diesem Bereich getan, doch wird es in vielen Familien noch immer tabuisiert.
Malawi ist das Land mit der höchsten Rate an verheirateten Mädchen unter 18
Jahren. In meiner kurzen Zeit hier im Krankenhaus habe ich viele minderjährige,
schwangere Patientinnen kennengelernt. Es gibt Aufklärungsprojekte,
Verhütungsmittel werden verteilt, doch reicht es weder aus, um
Geschlechtskrankheiten einzudämmen, geschweige denn die Mädchen vor einer frühen
Schwangerschaft zu schützen. Selbstverständlich ist auch, dass sich die Frau um
die Kinder kümmert, während der Mann abends weggehen kann, um sich zu amüsieren.
Die „Nursing Students“ lachen, als ich von Vaterschaftsurlaub spreche und
erzähle, dass auch deutsche Väter und Freunde gerne und gut kochen. Das ist ja
nicht „männlich“ genug ... Ein weiterer Schock im Krankenhaus: Eine Frau möchte
nicht, dass ihr Blut abgenommen wird. - Zuerst muss sie ihren Mann fragen.
Doch es gibt auch Menschen, die anders denken: Viele Frauen, die ich
kennengelernt habe, sind selbstbewusst, zielstrebig und wollen zunächst auf
eigenen Beinen stehen, bevor sie heiraten und Kinder bekommen. Auf die Frage
„Wie viele Kinder sie später bekommen wollen? antworteten sie mit „Just 3“ -
höchstens 3, um ihrem Nachwuchs eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Ein Anfang
- so kann nicht nur das Bevölkerungswachstum etwas eingedämmt, sondern auch die
Bildung gefördert werden. Ich spüre ein Umdenken - langsam, aber es geht
voran.
Erfahren Sie in einer der nächsten Ausgaben und online mehr aus
dem Reisetagebuch von Svea Sela.
Für das Projekt Heidelberger Medizinstudierenden „Malawi Med e.V.“
(www.malawimed.org), welches das Holy Family Mission Hospital unterstützt, ist
bei der VR-Bank ein Spendenkonto mit der Kontonummer DE09 2139 0008 0170 0004 77
eingerichtet. (red/inu)