

Neustadt. „Bilde, Künstler! Rede nicht!“. Mit diesen Worten
von Johann Wolfgang von Goethe eröffnete Klaus Richter am vergangenen
Mittwochabend die 37. Jahresschau der Ausstellungsgemeinschaft Neustadt in der
Stadtbücherei. Doch entgegen dieses Zitates hatten sich die Mitglieder der
Neustädter Kunstgruppe in diesem Jahr etwas ganz Besonderes einfallen lassen, um
ihre Werke den zahlreich erschienenen Kunstinteressierten näherzubringen. Nach
einer kurzen Begrüßung durch Sprecherin Ingrid Maschke führte das weitere
Mitglied Klaus Richter durch die Ausstellung, die aktuelle Werke der insgesamt
14 Mitglieder zeigt. Jeder Künstler hatte eine Minute Zeit, den Anwesenden seine
Arbeit zu erläutern.
Besonders herzlich begrüßt wurde das neue Mitglied Angela Christiansen, die
nach einer Gastausstellung im Jahr 2008 nun Teil der 1979 gegründeten Gruppe
wurde. Die Scheibentöpferin präsentierte filigrane Flaschen und zierliche
Flakons, die der Serie „Maria Stuart“ angehören und teils mit einem Goldbrand
versehen sind. Neben den zarten, mit leuchtenden farbigen Akzenten versehenen
Porzellanstücken zeigt Angela Christiansen „Rechengeräte aus Fundstücken und
Fantasie“. „Ich habe einen Faible für kleine Porzellangefäße“, gestand die
Keramikmeisterin aus Leidenschaft, die seit 34 Jahren ihr Geschäft Vor dem
Kremper Tor betreibt.
Alle 14 Künstler gaben mal kurz und knapp, mal ausführlicher Einblick in ihr
Schaffen. Von Hans Jörg Schick ist ein Lichtobjekt aus einer alten Buhne zu
sehen und von Ingrid Maschke ein Bild, das sie in einer speziellen Technik
manueller Gestaltung und drucktechnischer Umsetzung geschaffen hat. Klaus
Richter zeigt ein großformatiges Naturbild, das sich aus einem sehr
realistischen zu einem abstrakten Bild entwickelt habe, das sich jedoch wie alle
seine Werke „noch im Zustand befindet“ und an dem er viele Stunden in
meditativer Weise gemalt habe. Besonders anschaulich beschrieb Gründungsmitglied
Erika Ammann ihr Landschaftsbild. Die Pinselzeichnung fange sie auf der linken
Seite der Leinwand an, von wo aus sie sich entwickele und einen eigenen Rhythmus
aufnehme. „Hier ist größte Vorsicht geboten, denn man muss den Rhythmus
einhalten. Wenn mir das gelingt, macht mich das glücklich.“, so Erika Ammann
lächelnd.
Gründungsmitglied Antje Burger und Uta Richter hatten sich für ihre Werke
Motive erwählt, bei denen jede Menge Geduld gefragt war: Antje Burger malte
freilaufende Hühner und Hähne, die sie in der Natur als Bleistift- oder
Kreideskizze anlegte und in der Ruhe ihres Ateliers farbenfroh und großformatig
umsetzte. Uta Richter erläuterte ihr Bild „Kraniche“ aus der Serie
„Vogelwelten“, zu der sie im Vogelpark Niendorf inspiriert wurde. Besonders
fasziniert habe sie die ständige Unruhe, Nervosität und Quirligkeit der Tiere,
die sie habe einfangen wollen. Gero Steffen konnte bei der Vernissage nicht
zugegen sein, zeigt aber eine Fotografie, die er in der von ihm bezeichneten
Technik „Malen mit der Kamera“ geschaffen hat. Dabei gibt er durch bewusste
Unschärfe Freiräume für die Interpretation des Betrachters, das Motiv ist aber
noch erkennbar.
Von Fotografin und Malerin Caroline von Zimmermann ist eine Reisefotografie
aus Namibia zu sehen, die zwei ausgewachsene Elefanten in der freien Natur
zeigt. „Ich wollte das besondere Licht, die Stimmung und das natürliche Leben
einfangen“, berichtete das jüngste Mitglied der Neustädter Gruppe. Jürgen Werner
wendet in seinen Arbeiten Mittel der modernsten Kommunikationstechniken an.
Seine Darstellung basiert auf dem Sinnbild der drei Affen, die nichts sehen,
hören und sagen. Er hat dieses in die heutige Zeit übersetzt und möchte den
Betrachter damit zum Nachdenken anregen. Gründungsmitglied, Maler und
Objektkünstler Klaus Ammann stellt eine Arbeit aus Fundstücken aus, die den
Titel „Drei ungleiche Brüder“ trägt und mit der er zeigen möchte, dass „Kunst
mehr ist, als das Alltägliche“. Edith Günter malt ihre Bilder in der Natur und
zeigt in dem ausgestellten Aquarell eine verzauberte Landschaft in der
Mittagssonne nach dem ersten Frost. „Die Mittagssonne malte kobaltblaue
Lichtreflexe auf die Dalbenköpfe. Diese besondere Stimmung wollte ich auf den
Betrachter übertragen“, berichtete die zweite Sprecherin der
Ausstellungsgemeinschaft. Ilka Koch verarbeitete in ihrem Ausstellungsbild neben
kräftigen Acrylfarben auch getrocknete Orchideenblüten und Wolle und erzielt mit
einer speziellen Oberflächenbearbeitung einen gewollten Splittereffekt, der ihre
Landschaften belebt. Gründungsmitglied Heiner Tonn, den Klaus Richter als
„Ersten unter den Gleichen“ bezeichnete, wählte für die 37. Jahresschau ein
ausdrucksstarkes Hafenbild mit dunklem Himmel. „Ich liebe die norddeutsche
Landschaft. Häfen, Schiffe und die Küste. Das sind die Motive, die ich suche“.
Beim Malen im heimischen Atelier dauere es lange, bis man die Stimmung
wiederfindet, die einen beim Anblick des Motivs angesprochen habe. Gleichwohl
male er nicht einfach ein Foto ab, sondern komponiere das Gesehene neu und
entwickele das Bild weiter.
Die Ausstellungsgemeinschaft Neustadt mit Mitgliedern zwischen 30 und 90
Jahren hat im Jahr 2015 vier Ausstellungen gezeigt und unterschiedlichen
Neustädter Künstlern ein Forum geboten. Insgesamt hat die Gruppe bereits über
160 Ausstellungen eingerichtet und präsentiert. Die aktuelle Werkschau ist noch
bis zum 31. Januar 2016 in der Stadtbücherei Neustadt zu sehen. (gm)