Alexander Baltz

Das Verblassen der alten Heimat

Landsmannschaft der Ostpreußen, Schönwalde
 
 
Schönwalde/Neustadt. Die letzte Mitteilung im reporter lautete am 13. Mai 2020: „Aufgrund der aktuellen Situation fallen alle geplanten Treffen der Ostpreußen Neustadt bis auf Weiteres aus.“ So ist es bis heute geblieben. Coronabedingt gab es keine Zusammenkünfte der Neustädter Ostpreußen mehr, und nach dem Tod von Christel Duncker im März 2021 fand sich niemand mehr, der die Organisation von Veranstaltungen wahrnehmen wollte. Ein neuer Vorstand kam nicht mehr zustande. Verwunderlich ist das nicht, denn fast alle Mitglieder sind mittlerweile über 90 Jahre alt. Die Geschichte der Ostpreußen in Neustadt geht damit still und heimlich zu Ende. Zuletzt waren noch etwa 40 Mitglieder gemeldet.
 
 
Im Erscheinungsgebiet des reporters Neustadt sind nur die Ostpreußen in Schönwalde, Lensahn und Scharbeutz noch aktiv. Im gesamten nördlichsten Bundesland sind es noch 740 Mitglieder in den Ortsgruppen, wie der Vorsitzende der Landesgruppe Schleswig-Holstein Edmund Ferner dem reporter mitteilte. Doch wie kann man die Ortsgruppen lebendig halten, wenn die Mitglieder aussterben? Das scheint bei Vertriebenenverbänden wie den Ostpreußen oder Pommern kaum machbar zu sein, denn selbst für die Nachkommen sind die alten Ostgebiete eben keine Heimat mehr. Sie kennen sie nur aus Erzählungen oder vielleicht Urlaubsreisen - was eben nicht das Gleiche ist und die Nachwuchsgewinnung unmöglich macht.
 
 
Altbürgermeister Hans-Alfred Plötner aus Schönwalde hofft, dass zumindest seine Ortsgruppe noch lange aktiv bleibt. Gemeinsam mit seinem Stellvertreter Ulrich Schrank kümmert er sich seit 2007 um rund 30 Mitglieder. „Unsere Aufgabe ist es, die Erinnerung wach zu halten und das Kulturgut Ostpreußens zu erhalten. Dafür gibt es regelmäßige Treffen, aber auch Busreisen nach Ostpreußen, bei denen wir vor Ort Spendengelder übergeben, die wir zuvor bei uns gesammelt haben, um vor Ort wichtige Projekte der verbliebenen Deutschen unterstützen zu können“, erklärt Hans-Alfred Plötner im Gespräch mit dem reporter. Nach der Vereinsauflösung in Neustadt hatte man auf einen regen Austausch gehofft - nach dem Tode von Christel Duncker sei die Verbindung aber gänzlich abgerissen. Coronabedingt fand bei den Schönwaldern in den letzten zwei Jahren auch kein Treffen statt, nach den Lockerungen soll das aber wieder angeschoben werden. Große Pläne gibt es daher noch nicht, aber Jahreshauptversammlung und Adventsfeier sollen auf alle Fälle stattfinden.
 
 
„Nachwuchsgewinnung ist für uns fast unmöglich. Die wenigsten jungen Leute kennen Ostpreußen noch. Das Interesse ist nicht da und ich wüsste auch nicht, wodurch es erweckt werden könnte“, bedauert Ulrich Schrank, der seit 1950 Mitglied der Landsmannschaft der Ostpreußen ist. Deutlicher wird Plötner: „Uns ist bewusst, dass wir ein Auslaufmodell sind. Die Landsmannschaften sterben im wahrsten Sinne des Wortes weg.“ Dazu kommt, dass es keine finanziellen Förderer des Vereins gibt. Außer einigen Zuschüssen der Gemeinde und den Mitgliedsbeiträgen oder Spenden von Mitgliedern gibt es keine Unterstützung. Sponsoren fehlen gänzlich. So ist zu befürchten, dass den Schönwalder Ostpreußen eines Tages das gleiche Schicksal wie das der Ortsgruppe Neustadt ereilt.
 
 
der reporter war bei der letzten Adventsfeier der Ostpreußen Neustadt am 12. Dezember 2019 im Dana-Bistro dabei. Christel Duncker bat damals darum, im Nachbericht über das Treffen unbedingt folgendes abzudrucken: „Und wenn die Jüngeren als Touristen in unsere alte Heimat fahren, werden sie vielleicht bemerken, wie schön diese Heimat war und verstehen, warum wir sie lieben und nicht vergessen können“. (ab)


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