Petra Remshardt

Die wichtigsten Fragen zur Bundestagswahl

Die letzten vier Jahrzehnte waren die heißesten seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen. Ein Blick auf die letzten Jahrzehnte zeigt: Die Temperatur steigt - und sie steigt schneller.

Die letzten vier Jahrzehnte waren die heißesten seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen. Ein Blick auf die letzten Jahrzehnte zeigt: Die Temperatur steigt - und sie steigt schneller.

Bild: (Quelle: Deutscher Wetterdienst)

Das Klima und die Wahl
Im September wird der Bundestag gewählt. Was sind die großen Themen, um welche Herausforderungen geht es konkret? Gemeinsam mit dem Recherchezentrum Correctiv* beantwortet der reporter in einer siebenteiligen Serie bis zum 26. September die wichtigsten Fragen zur Wahl. Diese Woche: Das Klima und die Wahl.
Was kann Deutschland gegen den Klimawandel unternehmen?
Deutschland ist weltweit gesehen ein ziemlich kleines Land. Da kann man sich fragen, ob es wirklich etwas bringt, wenn die Bundesrepublik ihren CO2-Ausstoß senkt. So ist Deutschland nur für rund 2,5 Prozent der CO2-Emissionen weltweit verantwortlich, das klingt ja wirklich nicht nach sehr viel. Aber die Zahl täuscht. Deutschland ist erstens Mitglied der Europäischen Union, und Europa steht in der Liste der CO2-Sünder weltweit auf Platz drei - hinter den USA und China. Und zweitens zählt im Kampf gegen den Klimawandel jedes einzelne Land: 196 Staaten haben das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet, das sind fast alle auf der Erde. Und wenn man sich ansieht, wie viel CO2 jeder einzelne Mensch verursacht, dann liegen die Deutschen pro Kopf etwa doppelt so hoch wie der Durchschnitt weltweit. Da geht also noch was.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Regierung in diesem Jahr dazu verurteilt, bei Klimaschutzmaßnahmen besonders langfristig zu planen. Damit soll verhindert werden, dass eine Regierung mit schnell erreichbaren Zielen punktet - und die Frage, wie es danach weitergeht, einfach den nächsten Generationen überlässt.
Wird der Kampf gegen den Klimawandel Arbeitsplätze kosten?
Ja. Man kann aber nicht seriös sagen, wie viele das sein werden - und wie viele neue Arbeitsplätze entstehen. Durch die Energiewende fallen zunächst einmal Arbeitsplätze weg. Allein in der Autoindustrie könnten das zwischen 75.000 und 114.000 sein, je nach Studie. Wer heute Abgasanlagen in einen Passat schraubt, wird einen anderen Job brauchen, wenn nur noch E-Autos gebaut werden. Die haben nämlich keinen Auspuff. In ein E-Auto muss man im Schnitt 200 Teile für den Antrieb einbauen - im Verbrennungsmotor sind es rund 1200. Es ist klar, dass da Stellen wegfallen.
In der Braunkohle haben 2015 noch rund 20.000 Menschen gearbeitet. Wo sollen die hin, wenn 2038 keine Braunkohle mehr gefördert wird? Es entstehen zwar neue Arbeitsplätze, aber nicht unbedingt für die gleichen Leute. Man kann einen hochspezialisierten Führer eines Schaufelradbaggers nicht einfach zum Bademeister machen, wenn die Braunkohlegebiete zu Seen und Erholungsgebieten werden. Gleichzeitig werden durch die Energiewende viele neue Beschäftigte gebraucht: in der Wärmedämmung, in der Entsorgung, bei der Bahn oder in modernen Steuerungsanlagen. Eine Regierung kann solche Stellen nicht gezielt schaffen. Sie kann aber Branchen und Techniken fördern und in den sterbenden Branchen den Arbeitsplatzabbau abfedern.
Lässt sich Klimaschutz sozial gestalten?
Klar ist: Klimaschutz kostet Geld. Der Ausbau von Wind- und Sonnenenergie wird zum Beispiel unter anderem über den Strompreis finanziert. Und seit Anfang 2021 gibt es einen Preis auf CO2. Wer Erdöl, Gas oder Kohle verbraucht, muss nun mehr dafür bezahlen - und soll deshalb sein Verhalten ändern. Das klingt erst einmal gerecht: Dicke Autos werden teurer als Kleinwagen, wer viel verbraucht, der zahlt auch mehr. Trotzdem sind die ärmeren Menschen hier die Verlierer: Wer reich ist und nun im Monat 20 oder 30 Euro mehr für Strom und Benzin zahlt, wird das leichter verkraften können als ein Durchschnittsverdiener. Dazu kommt: Arme Menschen können nicht mal so einfach auf einen Neuwagen umsteigen, der weniger Benzin verbraucht. Sie können auch nicht weniger heizen oder kälter duschen. Gerade ärmere Familien wohnen überdurchschnittlich oft in Wohnanlagen, in denen das warme Wasser mit Strom erzeugt wird - das ist die teuerste aller Methoden. Wenn in den nächsten Jahren immer mehr Produkte teurer werden, die eine schlechte Klimabilanz haben, dann wird sich das sogar bis auf den Wohnungsmarkt auswirken: Zementwerke gehören zu den größten Klimasündern - und das heißt: In der Zukunft werden Baustoffe teurer. Wie man die steigenden CO2-Preise für sozial schwächere Familien ausgleichen kann, ist unklar. Steuererleichterungen wäre eine Möglichkeit. Diskutiert wird auch ein „Energiegeld“, das vor allem Familien mit Kindern zugutekommen soll.
Kommt die Kernkraft zurück?
Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 hat die Regierung beschlossen, alle deutschen Kernkraftwerke bis Ende 2022 abzuschalten. Zurzeit sind noch sechs Reaktorblöcke in Betrieb. Aber warum sollen sie überhaupt stillgelegt werden? Wären sie nicht eine Lösung gegen den Klimawandel? Atomkraftwerke setzen kein CO2 frei, sie verbrennen kein Öl, keine Kohle, kein Erdgas. Außerdem bräuchte man zunächst
keine neuen Kraftwerke bauen, es sind ja noch welche da. Aber trotzdem ist das sehr unwahrscheinlich. In der deutschen Bevölkerung gibt es keine Mehrheit für Atomkraft, am Ausstieg will niemand ernsthaft rütteln. Die Unfälle von Tschernobyl und Fukushima haben gezeigt, wie schwer ein Kernkraftwerk zu kontrollieren ist. Wohin der Atommüll soll, ist bis heute nicht geklärt. Außerdem ist Atomstrom zwar klimaneutral, aber keinesfalls billig: Fairerweise müsste man nämlich die Entsorgungskosten in den Preis einrechnen. Das ist früher nie gemacht worden, um die Kernkraft nicht zu schlecht aussehen zu lassen. Wind- und Sonnenenergie sind ebenfalls klimaneutral - und deutlich günstiger.
Darf ich noch nach Mallorca fliegen?
Aber ja doch. Es gibt zwar eine Debatte darüber, ob man Kurzstreckenflüge verbieten sollte. Aber der Urlaubsflug nach Mallorca war davon nie betroffen. Bei der Diskussion geht es um Flüge innerhalb Deutschlands, die so kurz sind, dass man mit wenig mehr Aufwand auch die Bahn nehmen könnte. Und das fällt für die spanische Insel schon mal aus. Allerdings ist gut möglich, dass der Urlaubsflug in Zukunft teurer wird. Die Regierung kann zum Beispiel die Ticketsteuer erhöhen, und damit bei Langstrecken, Mittelstrecken und Kurzstrecken unterschiedliche Aufschläge verlangen. Ein anderer Grund für höhere Flugpreise hat nichts mit der Klimakrise zu tun: Die Fluggesellschaften werden nach der Coronakrise wahrscheinlich nicht direkt in einen Preiskampf einsteigen. Billigangebote werden also seltener. Welche Partei aus Ihrer Sicht die besten Antworten zu diesem Thema hat, erfahren Sie in den Wahlprogrammen. (red)
*Correctiv ist ein gemeinnütziges Medium und steht für investigativen Journalismus. Die vielfach ausgezeichnete Redaktion deckt systematische Missstände auf, prüft Falschmeldungen im Netz und fördert Medienkompetenz mit eigenen Bildungsangeboten. Sorgfältig recherchierte Informationen stärken öffentliche Debatten und geben Orientierung im Wahlkampf.


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