

Neustadt. Besser hätte es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch
Filmproduzent Alfred Hitchcock nicht inszenieren können. Dramatik pur bei der
Neustädter Schützengilde mit einem König, der sich einen Lebenstraum erfüllte.
Es war 20.48 Uhr am vergangenen Samstag, als Albert Haase ans Gewehr trat. Bei
jedem der jetzt folgenden Schüsse hätte der wackelige Holzvogel fallen können.
Albert Haase drückt ab, trifft, aber nichts passiert. Doch vier Sekunden später,
Albert Haase hatte sich schon abgewendet und sich innerlich wieder einmal von
seinem großen Traum verabschiedet, stürzte der Vogel doch noch zu Boden. Nun gab
es für Albert Haase kein Halten mehr. Jubelnd rannte er aus dem Schießstand
Richtung Vogelstange, drehte eine Ehrenrunde und konnte sein Glück kaum fassen.
Nach einer kurzen Zeit des Sammelns und der Beruhigung ging es dann für Albert
Haase auf den Schultern seiner Kameraden über die Vogelwiese auf die Terrasse
des Neustädter Hofes, wo ihn ein wahrer Glückwunsch-Marathon erwartete. „Ich bin
völlig sprachlos“, war einer der ersten Kommentare Albert Haases, der sich
bekanntlich schon seit Jahrzehnten wünschte, König der Neustädter Schützengilde
zu sein. Und es gab am Samstag wohl niemanden, der ihm die Königswürde nicht von
Herzen gönnte.
Der Tag des Vogelschießens der Neustädter Schützengilde begann mit einem
farbenprächtigen, musikalisch geprägten Festumzug durch die Stadt bis zum
Gogenkrog. Auf der Vogelwiese ehrte der 1. Ältermann Dr. Ralf Stolley die
Gildebrüder Volker Haensel für 40 Jahre Mitgliedschaft und Lutz Zachau für 25
Jahre. Den Gildeorden 2016 für Mitglieder, die nicht mehr in aktiven Funktionen
sind, konnte Albert Haase in Empfang nehmen. Dr. Stolley bezeichnete ihn als
stets hilfsbereit und freundlich, als ein Vorbild für die Gilde.
Anschließend ging es im Neustädter Hof weiter. Der Ältermann begrüßte viele
benachbarte Gilden, Ehrengäste, darunter Bürgervorsteher Sönke Sela an seinem
72. Geburtstag und Freunde. Als Botschaft verkündete er: „Wir wollen die
Geselligkeit pflegen“.
Nach der Vaterländischen Rede lobte Bürgermeisterin Dr. Tordis Batscheider
die Gilde für ihr engagiertes Vorhaben, das regionale Brauchtum zu erhalten und
auch die wechselvolle Geschichte der Stadt Neustadt dokumentarisch festzuhalten.
Ehemaliger König Detlef Scheel sprach in seinem Rückblick von einem sehr
emotionalen Königsjahr mit vielen Höhen, aber mit dem Tod seines Vaters auch von
persönlichen Tiefen. Als absoluten Höhepunkt nannte er den Schützenball.
Mit Blick in den Saal freute sich Landrat Reinhard Sager darüber, dass die
Gilden in Ostholstein scheinbar zusammenhalten. Auch dass der Tag rund um das
Schützenfest eine Art Volksfestcharakter besitze, sei in Neustadt eine schöne
Besonderheit. Bundestagsabgeordneter Ingo Gädechens stellte die Tradition in den
Vordergrund seiner Worte und erklärte, dass Neustadt darin in der ersten Liga
spiele.
Das Vogelschießen begann am Nachmittag mit zunächst vier Durchgängen und 344
Schuss. Da sich der Holzvogel jedoch als äußerst stabil erwies, wurde bereits um
kurz nach 19 Uhr direkt zum Königsschießen aufgerufen. Neun Schützenbrüder
stellen sich der Herausforderung und nach 39 Durchgängen gelang Albert Haaase
mit Schuss 343 der goldene Treffer. (mg)