Petra Remshardt

Erinnerungen des Neustädters Jochen Lippmann

Gleich nach dem 2. Weltkrieg 1946/47 wurde auf Anweisung der englischen Besatzungsmacht die noch übrig gebliebene Munition, die sich in Schleswig-Holstein und Niedersachsen befand, nach Lübeck transportiert, um sie anschließend in der Lübecker Bucht zu versenken.
 
Dort wurde die Munition auf Schuten (große Lastkräne) und Küstenfahrzeuge zur Versenkung umgeladen. – Die dafür hauptsächlich vorgesehenen Versenkungsgebiete befanden sich querab der Ortschaften Brodau, Timmendorfer Strand, aber auch verstreut in der ganzen Lübecker Bucht. Auch in der Kieler Förde und vor Helgoland wurde in dieser Zeit reichlich viel Munition versenkt.
 
Bedauerlicherweise gab es bei der Verklappung der Munition 1947 einen sehr schweren Betriebsunfall. Eine voll beladene Schute explodierte. Diese wurde samt Schlepper total vernichtet. Von den darauf befindlichen Menschen hat keiner überlebt. Die Explosion war so gewaltig, dass an vielen Häusern in Brodau, Grömitz, Dahme und in Neustadt die Fensterscheiben zu Bruch gingen. Die versenkte Munition bestand aus 2-cm-Geschossen, mittleren und größeren Granaten, Invasionsminen, Torpedoköpfen, Phosphor-Granaten und Bomben in allen Größen. – Darunter war aber auch die äußerst gefährliche Senfgasmunition. Etwa 500.000 Tonnen Munition wurden zu damaliger Zeit in die Ost- und Nordsee geworfen. – Danach blieb die Munition einige Jahre unberührt auf dem Meeresgrund liegen.
 
Die Bergung der Munition
Erst 1953 war die Landesregierung von Schleswig-Holstein darum bemüht, die Munition vom Meeresgrund der Nord- und Ostsee zu entfernen bzw. zu bergen. Die Firma Kausch und Steinhausen in Wilhelmshaven erhielt den Auftrag, die geborgene Munition aufzunehmen und sie unbrauchbar zu machen.
 
Zum Bergen der Munition wurde eine Flotte von KFK-Booten (ehemalige Kriegsfischkutter) aber auch andere beheimatete Fischkutter von der Landesregierung gechartert. – Mit zum Einsatz kamen außerdem noch 2 Küstenfrachter für den Transport der Munition nach Wilhelmshaven. Es waren der dänische Küstenfrachter „Stewnsland“ und der Kieler Frachter „Willida“.
 
Als Kontroll- und Versorgungsschiff diente der KFK-Kutter „Reiner Falko“. Der Kapitän dieses Schiffes war der Neustädter Friedel Schoth. – Zu seiner Besatzung gehörte ein Taucher und ein speziell ausgebildeter Feuerwerker für Munition.
 
Jedes Bergungsfahrzeug erhielt einen sehr starken und leistungsfähigen Elektromagneten, der mit Hilfe des Schiffsladebaumes auf den Meeresboden weg gefiert wurde und mit langsamer Fahrt dann den Meeresboden nach Munition absuchte. Der Magnet hatte eine enorme Anziehungskraft. – Hatte dieser genügend Munition erfasst, so wurde er dann aufs Schiff gehievt. Bei einer kurzen Stromunterbrechung löste sich die Munition vom Magneten. – Anschließend wurde die Munition mit Wasser gereinigt und vorsichtig auf dem Schiffsdeck gestapelt. – Eine nicht ganz ungefährliche Tätigkeit!
 
Hatte ein Bergungsfahrzeug genügend Munition geladen, so fuhr es zu dem in der Neustädter Bucht vor Anker liegenden Küstenfrachter zur Übernahme der Munition. – Bei genügender Beladung legte dieser dann den langen Seeweg nach Wilhelmshaven zurück. – Wegen der überaus gefährlichen Fracht durften diese Frachtschiffe keinen Hafen anlaufen. Oft eine recht abenteuerliche Seereise, denn die Munitionsfrachter mussten bei jedem Wetter um den Skagerrak, an Helgoland vorbei bis nach Wilhelmshaven fahren. In der Nähe von Wilhelmshaven, am Jadebusen, befand sich eine der größten Sammelstellen für Munition. – Diese wurde dort entschärft und unbrauchbar gemacht, und am Ende wieder eingeschmolzen. Aus den Bomben wurde der Sprengstoff unter Hochdruck mit heißem Wasser entfernt, und diese dann als Rohlinge den Alliierten zur Wiederverwendung übergeben.
 
Leider gab es beim Umladen der Munition vor der Hafeneinfahrt von Neustadt einen sehr schweren und tragischen Betriebsunfall mit tödlichem Ausgang (siehe Pressebericht). (red)


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