

Schleswig-Holsteinische Notarkammer. Knapp 12 Millionen
Europäer leben in einem EU-Staat, der nicht ihrer Staatsangehörigkeit
entspricht. Sie alle, darunter auch Hunderttausende Deutsche, sind von der
Europäischen Erbrechtverordnung betroffen. Egal ob Mallorca-Rentner, Auswanderer
oder internationale Patchwork-Familien - für alle Erbfälle, die ab dem 17.
August 2015 eintreten, wird der gesamte Nachlass nach dem Recht des Landes
abgewickelt, in dem der Erblasser seinen „gewöhnlichen Aufenthalt“ hatte. Die
Staatsangehörigkeit spielt dann keine Rolle mehr.
Gewöhnlicher Aufenthaltsort
Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person wird nach den Lebensumständen des
Erblassers vor seinem Tod und zum Zeitpunkt des Todes betrachtet. Die Dauer und
Regelmäßigkeit des Aufenthalts sowie eine enge und feste Bindung zum jeweiligen
Staat spielen hierbei eine wesentliche Rolle.
Rechtswahl treffen
Der Gesetzgeber hat den Erblassern eine Wahlmöglichkeit gegeben. Ab sofort
können Betroffene das Recht des Staates wählen, dessen Staatsangehörigkeit sie
besitzen. Die Verordnung lässt eine Rechtswahl nur für das gesamte Vermögen zu,
außerdem muss die Wahl ausdrücklich erfolgen, zum Beispiel mit einem Testament.
Betroffene, die ihren Nachlass bereits geregelt haben, sollten ihre Testamente
bei einem Notar überprüfen lassen und unter Umständen eine Rechtswahlklausel
ergänzen.
Große Unterschiede zum deutschen Recht
Ohne Testament passiert nach der neuen Erbrechtsverordnung Folgendes: Stirbt
ein Deutscher zum Beispiel in Frankreich, wo er seinen letzten gewöhnlichen
Aufenthalt hatte, wird sein Nachlass nach den dortigen Vorschriften abgewickelt.
Dabei spielt es keine Rolle, wo sich Vermögenswerte wie Geld, Spar- und
Depotvermögen, Schmuck und Immobilien zum Zeitpunkt des Todes befinden.
Deutsche, die sich zukünftig länger im Ausland aufhalten, sollten bedenken,
dass sich die ausländischen Regelungen zur gesetzlichen Erbfolge vom deutschen
Erbrecht erheblich unterscheiden. Diejenigen, die bereits mit einem
gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag vorgesorgt und sich gegenseitig zu
Alleinerben eingesetzt haben, sollten wissen, dass diese Verfügungen
beispielsweise in Spanien, Frankreich und Italien nicht anerkannt werden.
Die Erbrechtsverordnung betrifft den gesamten Bereich der Europäischen Union
mit Ausnahme von Irland, Dänemark und dem Vereinigten Königreich sowie Länder
mit Einzel- oder Sonderrechten, zum Beispiel Spanien.
Europäisches Nachlasszeugnis wird eingeführt
Im Zuge der Erbrechtsreform wird auch das Europäische Nachlasszeugnis
eingeführt. Das Dokument dient als zusätzlicher Erbnachweis für Erben,
Testamentsvollstrecker, Vermächtnisnehmer und Nachlassverwalter und soll helfen,
grenzüberschreitende Erbfälle leichter und schneller anzuerkennen. Das
Europäische Nachlasszeugnis hat eine Gültigkeit von sechs Monaten, kann aber auf
Antrag verlängert werden. Einen deutschen Erbschein ersetzt das Dokument jedoch
nicht.
Wer sich von einem Notar über die Folgen der Europäischen Erbrechtsverordnung
beraten lassen möchte, findet diese im Internet unter www.notar.de. (red)