Mit Nadel, Faden und Präzision: Marita Bahrs Patchworkarbeiten im Hans-Ralfs-Haus
Neustadt in Holstein. Ausstellungen im Hans-Ralfs-Haus für Kunst und Kultur zeichnen sich immer wieder durch ihre Vielseitigkeit aus. In diesem Sinne überraschen auch die Arbeiten von Marita Bahr. Ihre aktuelle Ausstellung „Patchwork? Patchwork!“ geht über das traditionelle Verständnis von textiler Handarbeit hinaus und zeigt eine Technik, die es zu erkunden lohnt.
Patchwork, das Zusammennähen zahlreicher kleiner Stoffstücke zu einem Ganzen, erweist sich in Marita Bahrs Arbeiten als weitaus mehr als bloßes Flickwerk. Anke Kessenich, Leiterin des Hans-Ralfs-Hauses, räumte bei der Ausstellungseröffnung am vergangenen Donnerstagabend ein, dass sie anfangs zögerlich war, ob Patchwork als Kunsthandwerk in das Konzept des Hans-Ralfs-Hauses passen würde. Doch nach näherer Auseinandersetzung mit Marita Bahrs Werken und der Jahrtausende alten Geschichte überwog die Begeisterung. „Es lohnt sich, genauer hinzusehen“, betonte Anke Kessenich, „denn die Arbeiten zeigen nicht nur die Sorgfalt und mühselige Arbeit, die dahinter stecken, sondern auch die außerordentliche Technik.“
Die Schau im Hans-Ralfs-Haus enthält einen Querschnitt von den traditionellen Anfängen bis zu modernen, freien Zuschnitttechniken und Eigenkreationen. Die 50 ausgewählten Stücke, darunter Wandbehänge, Tagesdecken und frei gestaltete Stoffbilder, wurden allesamt Stich für Stich und millimetergenau per Hand oder mit der Nähmaschine zusammengesetzt. Dabei beherrscht Marita Bahr nicht nur das Spiel mit Stoffen und Garnen, sondern auch mit Flächen, Formen und Farben.
Besonders beeindruckend sind die Adaptionen berühmter Gemälde, darunter Werke von Victor Vasarely, Lionel Feininger und Paul Klee, die sie in akribischer Arbeit und mit großem handwerklichen Geschick umgesetzt hat. Eine weitere Serie mit dem Titel „Dead Rockstars on Patchwork - von Mozart bis Jimi Hendrix“ entführt die Betrachter in die Welt des legendären Festivals „Fehmarn Open Air“, bei dem Marita Bahr dem Organisationsteam angehörte.
Die Entstehung so einer Patchworkarbeit erfordere volle Konzentration und Wochen intensiver Arbeit, wie Marita Bahr im Gespräch mit dem reporter erzählte. „Das sind unzählige Stunden. Manchmal dauert die Fertigstellung über ein Jahr. Oft arbeite ich aber auch parallel an mehreren Stücken.“ Zum Einsatz kommen dabei vielfältige Materialien, darunter verschiedene Gewebe, Wolle, Kork, Borte, alte Kleidung oder auch kostbare Designerstoffe. Marita Bahr: „Wenn man die zerschneidet ist das jedes Mal eine Mutprobe.“
Die Wurzeln ihrer Leidenschaft für Handarbeiten reichen bis in die Kindheit zurück, als sie begann, Kleidung für ihre Barbiepuppen zu nähen. Dies weckte eine Passion, die sich bis heute fortsetzt. „Es geht gar nicht ohne“, so Marita Bahr. Ab 1996 verschrieb sie sich dem Patchwork und schuf im Laufe der Jahre eine beeindruckende Sammlung von genähten Kunstwerken, die bereits in Ausstellungshäusern wie dem Kesselhaus Lübeck und auch beim Fehmarn Open Air präsentiert wurden.
Die Geschichte von Patchworken und Quilten – das sind mehrschichtige in Patchworktechnik zusammengenähte Decken – hat eine lange Tradition. Die älteste erhaltene Patchwork-Arbeit befindet sich heute im Museum in Kairo und ist 3.000 Jahre alt.
Die Ausstellung von Marita Bahr im Hans-Ralfs-Haus, Wiesenhof, ist noch bis zum 10. November geöffnet, montags bis donnerstags von 9 bis 16 Uhr, freitags von 9 bis 14.30 Uhr und sonntags von 14 bis 16 Uhr, dann in Anwesenheit der Künstlerin, die sich gern den Fragen der Besucher stellt. (he)