

Neustadt. Ein Neustädter Original ist in der vergangenen Woche 90 Jahre alt geworden. Seit 64 Jahren ist Emil Martin nun schon als Schuhmachermeister tätig. Für ihn noch lange kein Grund, in Rente zu gehen.
Geboren am 10. März 1932 in Schytomyr in der damaligen Sowjetunion (heute Ukraine), hat Emil Martin einen langen Weg zurücklegen müssen, bis er in Neustadt angekommen ist. Der Deutschstämmige musste im Verlaufe des Zweiten Weltkrieges mit dem Vorrücken der Roten Armee seine Heimat verlassen, um dem Schicksal, als „Russlanddeutscher“ nach Sibirien deportiert zu werden, zu entgehen. Denn während vor dem Krieg das Zusammenleben mit Ukrainern und Russen friedlich war, wurden Deutsche nach dem Überfall auf die Sowjetunion seit dem 22. Juni 1941 als Feinde angesehen.
Mit dem Pferdewagen ging es 1943/44 nach Westen, über Posen im März 1944 und Station unter anderem in Berlin 1945 landete seine Familie schließlich in Wakendorf I bei Bad Segeberg. Dort machte er 1948 seine Meisterprüfung. Bis dahin hatte er während der Lehre allein 63 Paar Schuhe gefertigt. Das Schicksal führte ihn 1959 nach Neustadt, wo es damals um die neun Schuhmacher gab, so Emil Martin. Seitdem führte er seine eigene Werkstatt in der Bödelsollstraße nur als „Nebenverdienst“. Hauptberuflich war Emil Martin 31 Jahre bei der Deutschen Bundespost in Neustadt tätig und hat dort nicht nur als Zusteller, sondern auch als LKW-Fahrer gearbeitet.
„Die Arbeit in der Werkstatt hält mich fit. Hier mache ich weiter, so lange es geht“, erzählt der Meister stolz. Viele seiner Kundinnen und Kunden sind ihm seit Jahrzehnten treu - einige davon kommen sogar aus Hamburg und sind auf seine Dienstleistungen während eines Ostsee-Urlaubs aufmerksam geworden, wie er sagt. Viel Sport in der Jugend (vor allem Fußball), keine Zigaretten, so gut wie kein Alkohol und ein Leben voller Arbeit, das ist offenbar das gesundheitliche Erfolgsrezept vom Neustädter Kult-Schuhmachermeister, der auf Wunsch nicht nur Schuhe, sondern auch Taschen sowie Sattel- und Segelzeug repariert. Und das hoffentlich noch viele weitere Jahre. (ab)