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Merkendorf. Nach 56 Jahren schließt die Dorfschänke Merkendorf ihre Türen. Am 26. Dezember wird der letzte Köm ausgeschenkt, der letzte Grünkohl serviert. Danach ist Schluss. Das Ende einer Ära.
Noch aber herrscht im Gastraum urige Gemütlichkeit. Die Holztische sind mit roten Decken und Gestecken aus Tannenzweigen weihnachtlich geschmückt. Die rustikalen Brauereilampen tauchen die Gäste in schummeriges Licht. Am Tresen wird eifrig über Fußball gefachsimpelt. Konny Ahrens telefoniert mit einem Gast, es geht um eine Vorbestellung: „Schnitzel Toskana? Nein, keine Kroketten. Deine Mutter nimmt immer die Bratkartoffeln.“ Die Chefin, wie Gäste und Ehemann sie gleichsam nennen, hat alles im Griff. Und meistens gute Laune. „Jetzt haben wir schon so viele Blumen zum Abschied bekommen, es gibt kein zurück“, wird gescherzt. „Aber es ist auch viel Herzschmerz dabei“, sagt die leidenschaftliche Wirtin. Irgendwann sei es mal gut, das Alter erreicht: „Das ist der ganz normale Werdegang“, wie Konny Ahrens es ausdrückt.
1965 wurde die Dorfschänke Merkendorf von Gisela und Peter Ahrens eröffnet. 1985 übernahm Sohn Jürgen Ahrens den Betrieb mit seiner Konny. Die Aufgabenbereiche waren von Anfang an klar getrennt: „Ich in der Küche, sie im Service und am Telefon, da misch ich mich nicht ein“, sagt Jürgen Ahrens. Schon in den 70er-Jahren fing er an, im elterlichen Betrieb mitzuhelfen. „Ein lauter Pfiff war das Signal dafür, dass ich in der Küche helfen musste“, erzählt der 67-Jährige. Und auch Konny Ahrens kann sich an ihren ersten Einsatz erinnern: „Mein Schwiegervater in spe hat mir 1978 einfach ein Tablett in die Hand gedrückt und gesagt: nun sieh zu, wie Du klar kommst.“
Familiäre Atmosphäre, ein netter Spruch op Platt, gutbürgerliche Küche mit ordentlichen Portionen, kein Schickimicki, dafür ganz viel Herzlichkeit – das haben Generationen von Gästen an der Dorfschänke geschätzt. Hier ging es auf der Bundeskegelbahn noch um alle Neune und am Tresen um Gott und die Welt. Im großen Saal nebenan haben lokale Vereine einträchtig getagt und Hochzeitsgesellschaften ausgiebig gefeiert. Erinnerungen daran gibt es viele - zum Beispiel, wie einer auf einem Pferd in den Gastraum geritten kam, um an einer Versammlung teilzunehmen. Oder der Auftritt vom Show-Ensemble zu Benny Quicks Hit Motorbiene. „Der kam mit einem Motorroller hier reingefahren. Das hat vielleicht gestunken, aber es war urig“, lacht Konny Ahrens. Auch immer eine Geschichte wert: die sonntäglichen Fußballspiele auf dem gegenüberliegenden Sportplatz. Jürgen Ahrens erzählt: „Draußen war Anpfiff, aber kein Gegner da. Die saßen hier drinnen und hatten schon einen in der Kiste. Und wir haben gewonnen.“
Eine Übergabe der Dorfschänke an die dritte Generation findet nicht statt. „Es müsste viel investiert und eine neue Konzession angemeldet werden. Das lohnt sich nicht und unsere Kinder haben sowieso ihren eigenen Weg gefunden“, erzählt Konny Ahrens.
Das Haus am Kortenkamp wurde schon verkauft. Das Inventar soll unter anderem am 9. Januar auf einem Hausflohmarkt feilgeboten werden. Viele Stammgäste haben Interesse an Erinnerungsstücken bekundet. Ein rustikales Sitzensemble wandert zum Beispiel als „Konny-Ecke“ in den Vereinsbesitz der Ostseekrabben, die hier ihre Jahreshauptversammlungen abhielten. Eine alte Dame, die oft zum Essen kam, hat sich ein Lämpchen reserviert, für ihre Fensterbank neben dem Fernseher. „Dann denke ich jeden Abend an Sie, hat sie gesagt", erzählt Konny Ahrens gerührt, "da wird einem doch das Auge feucht, oder?“,
Die beiden Vollblutgastronomen ziehen von Merkendorf zur Schwiegermutter nach Neustadt. Dann geht‘s erst mal in den Urlaub. Und danach? Konny Ahrens hat schon eine Idee, sie zieht es in den großen Garten im neuen Zuhause. Ihr Mann freut sich auf die neugewonnene freie Zeit, ist aber noch unschlüssig, welchem Hobby er nachgehen wird: „Nach 36 Jahren mit einer 6-Tage-Woche muss ich erst mal überlegen, aber irgendwas wird mir schon einfallen. Wenn nicht, mach‘ ich unser Garagentor auf und biete Essen an.“ (he)