

"Majestäten, Altmänner, meine Damen und Herren Ehrengäste, liebe Schützenschwestern und Schützenbrüder, meine Damen und Herren!
Gleich werden wir die deutsche Nationalhymne singen. Darin geht es um: Einigkeit und Recht und Freiheit für das Deutsche Vaterland, die des Glückes Unterpfand sind und die uns zur Blüte führen sollen.
Was ist damit gemeint? Ich möchte diese Begriffe zur Einstimmung auf unseren Gesang näher betrachten.
Erstens: Einigkeit.
Heißt das, dass wir immer einer Meinung sein sollen, was zu tun und zu lassen ist? Sicher nicht. Aber wir sollten einig in den Grundprinzipien unseres Gemeinwesens sein. In einer Demokratie gibt es unterschiedliche Interessen und Meinungen. Klar. Die Parteien streiten um den richtigen Weg. Aber die Mehrheit entscheidet und es besteht Einigkeit darüber, dass die Mehrheitsentscheidung dann für alle verbindlich ist und akzeptiert wird (auch wenn dies manchen manchmal schwer fällt).
„Concordia domi, foris pax“ steht am Lübecker Holstentor. Das sagt alles: Eintracht zu Hause, nach außen Frieden. In der französischen Revolution 1789 hieß es: Egalite, Fraternite, Liberte. Im Prinzip ist damit genau das gleiche gemeint, wie in unserer Hymne: Fraternite=Brüderlichkeit oder Einigkeit, Egalite=Gleichheit vor dem Gesetz bzw. im Recht und Liberte=Freiheit. Das gilt nach wie vor und mehr denn je. Und wie steht es damit bei uns?
Regierungswechsel führen bei uns nicht zum Sturm auf das Reichstaggebäude oder das Landeshaus oder das Neustädter Rathaus. Natürlich wird um die Macht gekämpft, wohl auch mit harten Bandagen.
Aber das Volk wählt und verteilt die Macht. Gewaltenteilung und das Grundgesetz bilden den Rahmen, darin sind wir uns einig.
Personen, die außerhalb dieser Ordnung stehen, gibt es auch, aber auch darin sind wir einig, dass diese notfalls überwacht werden müssen und im Zweifel Probleme mit der Staatsgewalt bekommen können.
Ich war lange Mitglied der Neustädter Stadtverordnetenversammlung und auch da herrscht über die Grundlagen Einigkeit, die meisten Entscheidungen werden sogar einstimmig getroffen. Das können die hier anwesenden Mitglieder des Hauptausschusses sicher bestätigen.
Und unsere Gilde? Sie besteht schon fast so lange wie die Stadt Neustadt in Holstein.
Auch bei uns gibt es unterschiedliche Auffassungen zu verschiedenen Themen und auch wir müssen aufpassen, dass uns die Einigkeit nicht verloren geht. Hier bei uns, ebenso wie in der Republik.
Das Problem ist, dass alles nicht so einfach zu lösen ist, wie mancher Stammtisch es glaubt. Die Klimaproblematik ist ein gutes Beispiel: Die Temperaturen steigen ohne Zweifel und der Kohlendioxydausstoss weltweit ist eine wesentliche Ursache. Aber können wir in Deutschland die Welt retten und nehmen andere Staaten uns als gutes Vorbild? Belasten wir Wirtschaft und Bürger zu stark mit erforderlichen Maßnahmen? Die Experten streiten und Interessengruppen auch.
Aber zum Glück wird nicht so gestritten, wie in Frankreich wegen der Rentenreform von Präsident Macron und auch nicht wie in Israel wegen der Abschaffung der Gewaltenteilung oder gar in den USA, wo das Land tief gespalten ist, weil ein narzisstischer Ex-Präsident seine Anhänger mit allen - auch unlauteren - Mitteln aufhetzt. Und auch nicht wie im Sudan, wo zwei durchgeknallte Generäle um die Macht kämpfen, und es ihnen egal ist, wie viele Menschen sterben oder hungern.
Zweitens: Recht.
Hier geht es um Rechte und Pflichten, Gesetze und Ordnung. Vor dem Gesetz sind alle gleich, heißt es in Artikel 3 Abs. 1 GG, auch gleich welchen Geschlechts, welcher Religionszugehörigkeit usw. und die Würde des Menschen ist unantastbar, steht in Art. 1 GG.
Grundsätzlich ist in Deutschland gesetzlich oder per Verordnung geregelt, was erlaubt oder verboten ist. Zuwiderhandlungen sind zum großen Teil mit Strafen bedroht, wie im Strafgesetzbuch festgehalten und geregelt ist. Natürlich gibt es auch viele Wohltaten des Staates für Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen benachteiligt sind, festgelegt in der Sozialgesetzgebung. Im Prinzip ist alles geregelt in Deutschland und mancher stöhnt wegen der Umständlichkeit und Langsamkeit der Bürokratie bei uns. Bisher konnten aber alle Bemühungen, die Bürokratie zu verschlanken, erfolgreich abgewehrt werden.
Auch ich gebe zu bedenken, dass wir Deutschen uns ganz unwohl fühlen, wenn etwas nicht genau gereglt ist. Dann schreit jeder nach Vorschrift.
Besonder wichtig ist in diesem Zusammenhang die Gewaltenteilung in Exekutive, Legislative und Judikative, die staatlicher Willkür Einhalt gebieten, und den Menschen ihre Rechte und Schutz gewährt.
Schwierig wird es bei allen Regelungen immer, wenn sie nicht beachtet oder unberechtigt ausgenutzt werden. Das löst Neid, Frust und Ohnmacht aus, die dem Staat angelastet werden, weil er zu schwach ist, seine Gesetze durchzusetzen. Ich erwähne Clans, die ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten und vor unserer Polizei etc. keinen Respekt haben. Damit wird der Rechtsstaat nur schwer fertig, weil für Bestrafungen und Verurteilungen vor Gericht immer stichhaltige Beweise erforderlich sind. Im Zweifel für den Angeklagten, auch wenn vieles oder alles auf eine Straftat hinweist. Ich bin selbst als Schöffe tätig und weiß, wovon ich rede. Das gilt eben auch für gewalttätige Demonstrationen gegen was auch immer, bei denen unsere Polizei und Rettungskräfte angegriffen und verletzt werden.
Das ist schwer auszuhalten, wenn keine Täter gerichtsfest ermittelt werden können und Rufe nach härteren Strafen und konsequentem Durchgreifen sind wohlfeil.
Schwierig ist auch die Situation des Zuzugs von Menschen nach Deutschland, die sich nicht einfügen wollen oder können. Wir brauchen dringend Arbeitskräfte, das spüren wir alle, aber diese Menschen dürfen oft nicht arbeiten weil es irgendwelche Vorschriften gibt, die das nicht zulassen. Die sprachliche Barriere kommt erschwerend hinzu. Das ist schlecht für die Betroffenen, weil sie nichts zu tun haben und sich langweilen und/oder auf dumme Gedanken kommen. Hinzu kommt, dass Abschiebungen von Menschen, die keine Aussicht auf Bleibeperspektive haben oder schwer straffällig geworden sind, nicht klappen, weil Rechtsmittel eingelegt werden oder die Leute einfach nicht da sind, wenn es losgehen soll oder weil kein Herkunftsstaat sie zurücknehmen will.
Bisher wird mit Geld vieles gekittet, aber die Grenzen sind sichtbar uns es müssen andere Lösungen gefunden werden. Was in der Europäischen Union aber bisher nicht gelungen ist, weil es einige Staaten gibt, die sich einer solidarischen Lösung verweigern. Somit ist die Problematik am Stammtisch leicht, in der Realität aber schwer zu lösen.
Von Reichsbürgern, die die Bundesrepublik nicht anerkennen wollen, will ich gar nicht erst reden, aber es gibt eine Menge Leute in Deutschland, die mit den herrschenden Verhältnissen unzufrieden sind. Manche Kritik mag berechtigt sein, aber wollen wir wirklich ein anderes Rechtssystem? Ist es irgendwo besser?
Drittens: Freiheit.
Auch sie prägt unser Leben entscheidend. Wir dürfen denken, sagen und tun, was wir wollen. Allerdings endet unsere Freiheit da, wo die anderer anfängt. Und sie endet da, wo das Grundgesetz dies vorgibt. Wir haben Reisefreiheit, Religionsfreiheit, Freiheit der Berufswahl, freie Wahlen, Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Demonstrationsfreiheit und neuerdings darf man bald sogar sein Geschlecht frei wählen.
Für Beschränkungen der Freiheit bedarf es formaler Akte, gegen die man sich verteidigen darf und kann. Manchmal ist die Ausübung der Freiheitsrechte moralisch gerechtfertigt und legal, obwohl sie die Freiheit anderer beschneidet, z.B. durch Streiks, die Reisende ausbremsen oder die Behandlung von Patienten verschieben, was naturgemäß unangenehm für die Betroffenen ist, aber erduldet werden muss. Andere Ausübungen der Freiheitsrechte, die gegen Gesetze verstoßen, wie z.B. Angriffe auf Sicherheits- oder Rettungskräfte bei Demonstrationen oder in letzter Zeit Straßenblockaden durch die „Letzte Generation“ mit den bekannten Auswirkungen müssen nicht hingenommen werden.
All das klärt der Rechtsstaat - auch wenn er dies manchmal zu unzureichend schafft. Aber dafür sind wir ganz weit entfernt von den Beschränkungen der Freiheit in vielen anderen Ländern, wo man nur ein flasches Wort zu sagen braucht, um wehrlos staatlicher Willkür ausgesetzt zu sein. Wie in China, wie in Russland, wie in der Türkei oder im Iran, um nur einige Beispiel zu nennen.
Hier darf man selbst in Bayern beim Starkbieranstrich auf dem Nockerberg beißende Kritik an der Bayrischen Staatsregierung und am Ministerpräsidenten üben, ohne in tiefen Kerkern zu verschwinden. Und die Betroffenen müssen dazu noch lächeln, weil es im Fernsehen übertragen wird.
Fazit: Es ist nicht alles Gold, was glänzt, und es gibt Vieles bei uns, was nicht perfekt läuft. Die Bedrohungen und Belastungen für Staat und Gesellschaft nehmen ebenso zu, wie die Anforderungen an beide. Gefahren drohen, von außen, von innen und durch den Klimawandel. Versäumnisse in der Vergangeheit treten deutlich zutage und wollen alle möglichst sofort behoben werden. Ich nenne nur: Innere und äußere Sicherheit, Digitalisierung, Infrastruktur von Gebäuden und Verkehrswegen, Umweltschutz usw.
Aber: Demokratie heißt kämpfen um Einigkeit, kämpfen um Recht und kämpfen um Freiheit. Es geht um Schutz für Verfolgte, um Rechte von Minderheiten aber auch den Schutz des Staates vor Übergriffen jedweder Art und Weise.
Ich sage trotz aller Missstände: was für ein Glück haben wir, dass wir in Deutschland, in Schleswig-Holstein, in Neustadt in Holstein leben.
Wer anderer Meinung ist, kann gern gehen, wohin er möchte und hier seinen Platz frei machen für jemanden, der das zu schätzen weiß.
Deshalb singen wir jetzt unsere schöne Hymne und ich wünsche uns ein fröhliches Schützenfest."
Friedrich-Karl Kasten