

„Wir brauchen mehr Zeit für Kinder“
Mechtild Piechulla: 1. Vorsitzende vom Kinderschutzbund Ostholstein
Mechtild Piechulla engagiert sich seit 1999 aktiv im Kinderschutzbund Ostholstein. Zunächst als Beisitzerin im Vorstand und am Elterntelefon. Ein Jahr später wurde sie stellvertretende Vorsitzende. Seit mittlerweile neun Jahren ist Mechtild Piechulla 1. Vorsitzende im Kreisverband Ostholstein.
1. Was hat Sie motiviert, sich im Kinderschutzbund Ostholstein zu engagieren?
Piechulla: Als mein jüngstes Kind in der Grundschule war, gab es Probleme in der Klasse mit anderen Jungs, die als Bande für Unruhe gesorgt und andere Kinder drangsaliert haben. Ich habe mich gefragt, wie es kommt, dass Kinder so etwas tun und was passiert, wenn man nichts dagegen unternimmt. Denn es ist ja zu befürchten, dass sich derartige Probleme im Laufe des Lebens fortsetzten. Insofern betrachte ich die Aufgabe des Kinderschutzbundes als gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
2. Welches sind die wichtigsten sozialen Themen, die die Arbeit des Kinderschutzbundes in Ostholstein bewegen?
Piechulla: Ich finde Schulsozialarbeit ganz wichtig sowie im Moment Themen um Kinder mit Migrationshintergrund. Aber auch immer wieder Kinder aus armen Verhältnissen. Wir merken, dass wir Kinder haben, deren Eltern sich den Besuch an der offenen Ganztagsschule nicht leisten können für ihr Kind. Darauf haben wir reagiert und haben einen Familienfonds gegründet. Natürlich spielen auch Gewalt und Vernachlässigung von Kindern durch Eltern immer wieder eine Rolle.
3. Welche Rolle spielt dabei insbesondere das Ehrenamt im Verein des Kinderschutzbundes Ostholstein?
Piechulla: 60 bis 80 Ehrenamtliche arbeiten heute für den Kinderschutzbund Ostholstein, dazu kommen ungefähr 200 seit dem großen Zuwachs von Migranten im Jahr 2015. Sie arbeiten in den unterschiedlichsten Bereichen und stellen uns nicht nur ihre Zeit zur Verfügung, sondern damit ja auch Geldwert. Ob nun in der Kleiderstube, beim Elterntelefon, beim begleiteten Umgang, in der Flüchtlingshilfe, als Familienpaten, bei der Schularbeiten-Hilfe, in der Freizeitgestaltung ... ohne Ehrenamt wäre vieles undenkbar.
4. Hat sich die Situation der Kinder und Jugendlichen in Ostholstein in den letzten 10 Jahren verändert? Wenn ja, welche Antwort kann darauf unsere Gesellschaft für die Region Ostholstein geben?
Piechulla: Die Gesellschaft hat sich insgesamt verändert. Angefangen von den sozialen Medien, bei denen das Smartphone eine immer größer werdende Rolle spielt, bis hin zum Konsumdruck. Aber auch die Eltern haben sich verändert und wollen, dass ihr Kind immer erreichbar ist. Daher soll das Handy immer dabei sein. Die Kinderarmut hat zugenommen, wir haben es mit einer auseinandergehenden sozialen Schere zu tun, die Schulwege werden weiter und Kinder sind dem ständigen Druck ausgesetzt, mithalten zu müssen. Außerdem haben wir es mit zunehmender Arbeitstätigkeit von Müttern zu tun, Stichworte: Alleinerziehende, prekäre Arbeitsplätze - daher ist der Betreuungsbedarf gestiegen. Fest steht: Wir brauchen mehr Zeit für Kinder.
5. Wo sehen Sie persönlich in den nächsten Jahren die Herausforderung für den Kinderschutzbund?
Piechulla: Eine große Herausforderung sind die Kinder mit Migrationshintergrund, denn je älter sie sind, desto schwieriger ist Integration für die Kinder. Und natürlich stellen auch gleiche Bildungschancen eine Herausforderung dar, daneben das Thema Inklusion und deren Umsetzung. Von beidem sind wir noch ziemlich weit entfernt. Vieles wäre eigentlich Aufgabe des Staates, scheitert aber oft genug am Geld oder am politischen Willen. Wir als Kinderschutzbund versuchen, diese Probleme ein Stück weit aufzufangen.