

Ratekau. Die bienenfreundlichste Gemeinde Schleswig-Holsteins heißt Ratekau. In ihrer Kategorie erringt die Gemeinde den ersten Platz im Landeswettbewerb. Erdacht und ausgeschrieben wurde der Wettbewerb vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Kooperation mit dem Verband der Imker und dem Verein Blühende Landschaften im letzten Jahr. Eine Teilnahme war in Ratekau schnell beschlossene Sache, geht es hier doch auch um die Ziele, die die Gemeinde seit Jahrzehnten verfolgt, nämlich den Erhalt der biologischen Vielfalt. Was sich zunächst nach heiler Welt und Sonnenschein anhört – bienenfreundlichste Kommune – hat einen eher düsteren Hintergrund: gerade in Schleswig-Holstein ist nahezu die Hälfte der heimischen Wildbienenarten auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten. Dieses Schicksal teilen sie mit vielen weiteren Insektenarten, beziehungsweise generell mit anderen Tierarten, Pflanzenarten und Pilzarten, die empfindlich reagieren auf die Auswirkungen der industriellen Landwirtschaft. Auch die Honigbiene hat unter diesen Auswirkungen stark zu leiden, fehlen ihnen, wie auch ihren wilden Artgenossen, blütenreiche Lebensräume, die als Nahrungsquelle vom Frühling bis in den Herbst zur Verfügung stehen. Diese Erkenntnis ist nicht neu und sie ist durch unzählige wissenschaftliche Untersuchungen belegt, doch hat der BUND diesen Wettbewerb jetzt gestartet, um auf die Geschwindigkeit und Dramatik der Entwicklung aufmerksam zu machen und um die Bedrohung zu verdeutlichen, die auch der Agrarwirtschaft erwächst, wenn die wichtigsten Pflanzenbestäuber verschwinden. Viele Initiativen, Vereine und Landwirte versuchen schon seit langer Zeit mit der Gemeinde Ratekau diesem landesweiten Trend entgegen zu wirken. So entstanden über Jahrzehnte in Ratekau große Gebiete mit extensiver Landnutzung, Ackerumwandlung in Grünland, Renaturierung ganzer Gewässersysteme um den Hemmelsdorfer See oder die Schwartau und ihrer Nebenbäche wie Sielbek, Kalte Beek, Rohlsdorfer Beek und anderer. Auch Haupterwerbslandwirte beteiligten sich an Naturschutzprogrammen, wie der Schaffung von Ackerrandstreifen, Blühflächen, Kleingewässern und Knicks. So hat die Wettbewerbs-Jury, die zur Prüfung der Fragebogen-Angaben die Gemeinde bereist hat, beeindruckt, dass Uwe Beythien aus Häven allein über acht Hektar Blühflächen in seinem Betrieb angelegt hat. Auch haben viele Landwirte sich mit einer Selbstverpflichtung zum Verzicht auf den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen an einer Initiative der Gemeinde beteiligt. Immerhin über 800 Hektar Flächen bringen sie hier ein. „Vereine, wie der Umweltschutzverein Sereetz“, betont Bürgermeister Thomas Keller, „haben in der Gemeinde über dreißig Jahre Großartiges geleistet, ob als Erfinder der Rindergilde zur Pflege und Entwicklung bunter und artenreicher Wiesen und Weiden oder als Initiator für Schutzgebiete, wie das neue Naturschutzgebiet ‚Sielbektal, Kreuzkamper Seenlandschaft und umliegende Wälder‘“. Seit fünf Jahren betreibt der Verein in Kooperation mit der Gemeinde Ratekau eine Bestandsaufnahme über die Artenvielfalt in der Gemeinde. Der Biologe Dr. Klaus Voß kartiert und bewertet ausgewählte Gebiete und schließt jedes seiner Biodiversitäts-Monitorings mit Handlungsempfehlungen für den Schutz und die weitere Entwicklung dieser Gebiete. Die Ergebnisse sind überwiegend positiv und zeigen, dass die Bemühungen Vieler viel bewirken können. Auch sehr seltene Arten wurden gefunden, die anderen Ortes längst verschwunden sind. „Dies bestärkt uns“, sagt Torben Illige, der Leiter der Umweltabteilung, „die Ratekauer Linie fortzusetzen und noch viele Naturschutzprojekte auf den Weg zu bringen.“ Dazu gehört als Leitfaden: die Erarbeitung eines Strategiekonzeptes zum Erhalt der biologischen Vielfalt in der Gemeinde Ratekau. Und praktisch: die Renaturierung des Ratekauer und Techauer Moores, die Ausweisung weiterer Schutzgebiete, wie Pansdorfer Moor, Bohmbrook und anderer, und natürlich die Zusammenarbeit mit den Landnutzern, wie Förstern, Jägern, Fischern und insbesondere den Landwirten. „Das im Naturschutz Erreichte und die damit verbundene hohe Lebensqualität in der Gemeinde Ratekau“, meint Bürgermeister Thomas Keller, „ist jedoch durch Großprojekte wie die Hinterlandanbindung der Festen Fehmarnbeltquerung durch unsere Gemeinde bedroht“. „Auch die weitere Zulassung von Neonikotinoiden, die sich als Bienenkiller erweisen, oder von Glyphosat als Totalherbizid, schaden der Artenvielfalt und wahrscheinlich auch unserer Gesundheit“, ergänzt Torben Illige.