Scharbeutz. Unter einem Teil der Scharbeutzer Bevölkerung macht sich zunehmend Unmut breit über das Verhalten der Gemeinde und der politischen Gremien. Besonders an den Auseinandersetzungen rund um das geplante Neubaugebiet „Scharrstücken“ am Ortsrand von Scharbeutz macht sich dieses bemerkbar.
Im Herbst 2023 wurde die geplante, neue Bebauung in den politischen Gremien vorgestellt. 485 Wohneinheiten sollten ursprünglich auf dem zirka 9,6 Hektar großen Grundstück entstehen, jetzt sind noch 340 Wohneinheiten geplant. Um Interessen zu bündeln, gründeten elf Scharbeutzerinnen und Scharbeutzer im Mai 2024 einen gemeinnützigen Verein mit dem Namen „Lebenswertes Scharbeutz e.V.”. Ziel des Vereins unter dem Vorsitz von Tillmann Streich ist es, dass die Gemeinde Scharbeutz lebenswert bleibt.
Aber auch an dem Schutz für andere, kleinere verbliebene grüne Flächen in Scharbeutz scheiden sich die „Geister“. „Obwohl der Großteil der Einwohner längst der Meinung ist, der Ort brauche keine Neubaugebiete, die weitere Flächen versiegeln und Investoren weiteren Profit einbringen, arbeitet die Gemeindeverwaltung gemeinsam mit den meisten Parteien daran, auch diese Gebiete der Bebauung preiszugeben,” berichten die Vorstandsmitglieder Holger Oertel, Friederike Zeckey und Dr. Dieter Pruss dem „reporter”.
So gibt es mitten im Ort von Scharbeutz eine private Grünfläche, den sogenannten „Augustuspark“, dessen historischer Baumbestand mit teilweise über 300 Jahre alten Bäumen durch den Bebauungsplan des Ortes geschützt ist. Nun stemmt sich die Verwaltung gegen einen weiteren Antrag der FBB mit FDP, auch das Untergehölz und die sonstige Vegetation zu schützen, um diese Grünfläche zu erhalten und vor den Begehrlichkeiten von Investoren weitestmöglich zu schützen. „Die Bewohner sehnen sich nach Natur, die gute Luft und Kühlung bringt, im ohnehin nicht mit viel altem Baumbestand gesegneten Scharbeutz, und möchten die Grünfläche für nachkommende Generationen erhalten. Der Park bremst die starken Winde aus Ost und West, ist Regenrückhaltebecken, speichert CO2 und bietet Kleintieren, Insekten, Fledermäusen und Vögeln Unterschlupfmöglichkeiten,” so die Mitglieder des Vereins „Lebenswertes Scharbeutz e.V.”.
Den größten Disput, welcher den Ort nun zu spalten droht, bilden aber die Planungen für ein Mega-Bauprojekt am Ortsrand von Scharbeutz, direkt neben dem Friedhof. „Ein derartig großes Projekt hat es in Scharbeutz noch nie gegeben. Hier planen ortsansässige Investoren auf dem Reißbrett, ein derzeit landwirtschaftlich genutztes 9,6 Hektar großes Maisfeld mit mehr als 340 Wohneinheiten inklusive eines Parkhauses zu bebauen. Um diese Menge an Wohneinheiten auf der vorhandenen Fläche unterzubringen, enthält die Planung Geschosshöhen von zum Teil drei Etagen plus Sattelgeschoss plus zum Teil ein weiteres Tiefgeschoss.” Dieses alles stellt eine immense Bodenverdichtung dar.
„Die Belastung der Infrastruktur durch explosionsartig wachsenden Zuzug von neuen Bürgern wird unseres Erachtens nicht gewürdigt und für die Belastung der Zufahrtstraßen gibt es kein valides Konzept. Trotzdem wird hier ,mit der Brechstange’ die Planung im Bauausschuss durchgewunken, Einwände der Bevölkerung werden abgewiegelt und Diskussionen dazu im Bauausschuss unterbunden,” ärgern sich Oertel, Zeckey und Pruss. „Uns allen in Scharbeutz ist bewusst, dass hier bezahlbarer Wohnraum gewünscht wird, dieser wird hier aber nicht entstehen. Die Investoren selbst bewarben ihre Immobilienträume im August mit Quadratmeterpreisen von durchschnittlich bis zu 20 Euro Kaltmiete (pro Quadratmeter). Das ist kein bezahlbarer Wohnraum mehr. Leider scheinen sie von ihren extensiven Planungen, die Scharbeutz für immer negativ verändern werden, bereits den Großteil der politisch agierenden Personen überzeugt zu haben. Die Bevölkerung muss ungläubig dabei zuschauen, wie wieder ein Stück Natur dem Profit einiger weniger geopfert wird.”
Das Baugebiet liegt zwischen dem Wald am Wennsee und dem Kammerwald. „Durch die Bebauung wird den Tieren, wie Rehe, der Weg zwischen den beiden Wäldern abgeschnitten, das ist bis jetzt ein sogenannter Naturkorridor beziehungsweise Bewegungskorridor,” berichten die Gegner der immensen Bebauung und stellen auch klar: „Wir sind nicht gegen eine Bebauung,“ sagt Holger Oertel. „Wir sehen auch Bedarf, aber nicht so immens,” meint dazu Friederike Zeckey. Und Dr. Dieter Pruss fügt hinzu: „Wir vermissen eine Bedarfsplanung.” Sie fordern als Verein einen angepassten Rahmen: Maximal 160 Wohneinheiten, Gebäude mit maximal zwei Geschossen plus Staffelgeschoss, mehr Abstand zum Friedhof, kein Parkhaus am Waldrand und keine Ferien- oder Zweitwohnungen.
Auf dem knapp zehn Hektar großen Acker zwischen Kammerweg und Kattenhöhlener Weg sollen außerdem eine Kindertagesstätte mit zirka 150 Kita-Plätzen, eine Seniorenresidenz und ein Parkhaus gebaut werden sowie Einfamilien-, Doppel-, Reihen- und Mehrfamilienhäuser für günstiges Wohnen – insgesamt bis zu 350 Wohneinheiten. Bei der Vergabe der Wohnungen sollten Scharbeutzer Bürger unbedingt bevorzugt werden, wie zum Beispiel Mitglieder der Feuerwehren und auch Beschäftigte in der Gastronomie und Hotellerie, so die Meinung der Vereinsmitglieder. Am 24. September 2024 wurde der Vorentwurf gebilligt, bis tatsächlich gebaut werden kann, werden noch einige Monate verstreichen und der Verein hofft bis dahin auf eine Einigung.
Der Verein hat derzeit rund 50 Mitglieder. Wer Kontakt zum Vorstand aufnehmen möchte, egal zu welchem Scharbeutzer Thema, kann eine E-Mail an
info@lebenswertes-scharbeutz.de schicken oder ein Mitglied des Vorstandes telefonisch unter 0155-60265602 erreichen. Außerdem lädt der Verein “Lebenswertes Scharbeutz” alle Interessierten zu einem Kennenlern-Treffen am Freitag, dem 24. Januar 2025, von 16 bis 19 Uhr zur Eiswelt im Scharbeutzer Kurpark ein. (rk)