Auf in die Goldenen Zwanziger!
Eutin (hr). „Da war ein Cabaret in einer Stadt, die Berlin heißt, in einem Land das Deutschland heißt…“ erinnert sich der amerikanische Schriftsteller Clifford Bradshaw. Das Musical „Cabaret“ erzählt von seiner Zeit in Berlin, als er sich auf der Suche nach Inspiration für seinen neuen Roman in die wunderschöne Cabaret-Tänzerin Sally Bowles verliebt. Am Freitag ist Premiere auf der Seebühne Eutin.
„Welches Kostüm ziehe ich jetzt an?“ - „Die Eier sind kaputt gegangen, wir brauchen neue!“ - „Sind alle bereit?“ Auf der Seebühne herrscht konzentriertes Chaos: Nach verhältnismäßig kurzer Probenzeit startete für das Team von „Cabaret“ die Endprobenwoche - also die Zeit, in der alle Zahnräder aus Regie, Dramaturgie, Schauspiel, Musik, Choreografie, Bühne, Kostüm, Requisite, Beleuchtung, und Tontechnik endlich ineinandergreifen und der Zauber eines jeden Bühnenstückes zum Leben erwacht - theoretisch. Praktisch hakt es oft noch an vielen Stellen: Wo liegt welches Kostümteil, wie lange Zeit haben die einzelnen Darsteller:innen wirklich zum umziehen, und wie ging noch mal dieser eine Teil der Choreografie…?
Doch Stück für Stück lösen sich immer mehr Fragen und die Premiere kann kommen: Mit „Cabaret“ entführen die Eutiner Festspiele nach Berlin in die Zeit der goldenen Zwanzigerjahre. „Alle haben diese krankhafte Sucht sich zu amüsieren“, stellt der junge mittellose Schriftsteller Clifford Bradshaw (Julian Culeman) begeistert fest. Der Amerikaner ist auf der Suche nach Inspiration für seinen neuen Roman, findet in Berlin schnell Anschluss bei dem wohlhabenden Deutschen Ernst Ludwig (Mario Zuber), dem er Englischunterricht gibt und sich so ein kleines Zimmer in der Pension von Fräulein Schneider (Susanna Panzner) finanziert. Auf der Silvesterfeier im Kit-Kat-Club verliebt er sich in die schöne Tänzerin Sally Bowles (Jasmin Eberl), die kurze Zeit später seine Geliebte wird und bei ihm einzieht. Die beiden genießen das Leben voller Partys, Spaß und Glamour, und halten auch zusammen, als Sally ungewollt schwanger wird und sie sich dafür entscheiden, das Kind zu bekommen. Doch die Stimmung in Berlin wird zunehmend angespannt: Als Bradshaw aus Geldnot einen Schmuggelauftrag annimmt, ahnt er noch nicht, dass der Auftrag von den Nazis kommt - doch sein einstiger Freund Ernst Ludwig ist inzwischen Mitglied der NSDAP und auf der Verlobungsfeier der Pensionsbesitzern Fräulein Schneider wird klar, wie weit sich der Antisemitismus bereits ausgebreitet hat, als deutlich wird, dass ihr Verlobter Herr Schulz (Tilman Madaus) Jude ist. „Aber das ist doch nur Politik! Was hat das mit uns zu tun?“, fragt Sally. Die Meinungen darüber sind gespalten, noch weiß niemand, was kommen wird.
So unterhaltsam „Cabaret“ ist, so regt es dennoch zum Nachdenken an: Regisseur Tobias Materna gelingt der Spagat zwischen der glitzernden Cabaret-Welt und den braunen Nazi-Uniformen perfekt. Doch die wohl wichtigste Frage des Stückes stellt der Conférencier (Oliver Urbanski) des Kit-Kat-Clubs, der als Erzählerfigur die Geschichte immer wieder aufbricht, ergänzt, oder kommentiert: „Warum kann man in dieser Welt nicht leben und leben lassen?“