Reporter Eutin

Ein Beitrag gegen das Vergessen

Eutin/Ahrensbök (vg). In Zeiten, in denen manche Menschen eine Alternative darin sehen, Rechtsextremisten in Parlamente zu wählen, wollen die Macher der Eutiner Hitchcock-Days daran erinnern, wohin Faschismus führt. In Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Ahrensbök ist am nächsten Wochenende ein Beitrag gegen das Vergessen geplant. Denn was viele Krimifreunde nicht wissen: 1945 war der englische Regisseur Alfred Hitchcock an einem Filmprojekt über die Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen beteiligt. Davon erzählt der Dokumentarfilm „Night Will Fall“, der am Freitag, 27. September, um 20 Uhr im Eutiner Binchen-Kino, Albert-Mahlstedt-Straße 2, läuft. Der Streifen zeigt schonungslose und bestürzende Bilder eines der dunkelsten Kapitel des 20. Jahrhunderts.
„Hitchcocks Lehrfilm für die Deutschen“ lautet der deutsche Zusatztitel dieser Filmdokumentation aus dem Jahr 2014. Regisseur André Singer zeichnet die Spuren eines Filmprojekts nach, das im Frühjahr 1945 seinen Anfang nahm: Britische Kameramänner waren bei der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen dabei. Sidney Bernstein, britischer Filmproduzent und Berater des Informationsministeriums, wollte ein mahnendes Filmdokument mit dem Titel „Tatsachenbericht über die deutschen Konzentrationslager“ herstellen. Seinen Freund Hitchcock gewann er als Berater.
Hitchcock hatte teils den Schnitt und die grafische Gestaltung gezeichneter Landkarten mitkonzipiert. Ihm ist es zum Beispiel auch wichtig gewesen, dass lange Kamerafahrten aufgenommen werden, da man diese nicht manipulieren kann. Bei der Sichtung des Materials im Londoner Studio erwartete Hitchcock, der 1924 in Berlin-Babelsberg von den deutschen Filmemachern noch so viel gelernt und seine ersten beiden Spielfilme in München-Geiselgasteig gedreht hatte, der blanke Horror. In Bergen-Belsen türmten sich Leichen über Leichen.
Letztendlich verschwand das Projekt in der Schublade. Zum Stopp kam es laut Dokumentarfilmer Singer, weil es den Briten wichtiger war, dass die Deutschen in ihrer Besatzungszone beim Wideraufbau halfen. Anstatt ihnen einen Film zu zeigen, der sich mit ihrer Schuld auseinandersetzte, galt es nun, ihnen Mut zu machen. Immerhin ist auch das ursprüngliche Filmdokument inzwischen rekonstruiert worden.
In Singers preisgekröntem Dokumentarfilm kommen Zeitzeugen – Überlebende des Holocaust, Soldaten, Kameramänner und Cutter – zu Wort. Der Filmtitel „Night Will Fall“ wurde aus dem Filmskript der letzten Szene des Originalfilms von 1945 gewählt. Dort heißt es sinngemäß: „Finsternis kommt über die Menschheit, wenn die Welt aus diesen Bildern keine Lehre zieht.“
Wie dieses Grauen einmal seinen Anfang nahm, davon zeugen die Dauerausstellungen in der Gedenkstätte Ahrensbök. Das Gebäude in der Flachsröste 16 diente 1933 als „frühes KZ“. Dort kam niemand zu Tode. Nach Aussagen ehemaliger Häftlinge wurden sie aber brutal geschlagen, misshandelt und öffentlich gedemütigt. „Die frühen Konzentrationslager waren der ,Auftakt des Terrors’, der im Holocaust und den Vernichtungslagern seinen Höhepunkt fand“, so Manja Krausche, Leiterin der Gedenkstätte Ahrensbök. Auch führte der Todesmarsch von Auschwitz nach Holstein 1945 an Ahrensbök vorbei, diese Schreckenstat ist ebenfalls in der Gedenkstätte dokumentiert.
Am Sonntag, 29. September, um 15 Uhr findet eine Führung mit dem Schwerpunkt „Frühes KZ“ in der Gedenkstätte statt, die heute ein Mahnmal gegen das Vergessen ist. Alle Interessierten sind eingeladen, daran teilzunehmen.
Diese Veranstaltungen dienen allein Bildungszwecken, deshalb ist der Eintritt jeweils frei. Weitere Infos sind online auf www.hitchcock-days.de oder www.gedenkstaetteahrensboek.de zu finden. Unterstützt wird das Hitchcock-Festival von der Sparkasse Holstein und ihren Stiftungen sowie den Stadtwerken Eutin und dem reporter.




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