"Angstfreier mit dem Tod umgehen" – Junger Hospizhelfer begleitet Sterbende auf ihrem letzten Weg
Neustadt. Am vergangenen Freitag hat Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey bei einer Festveranstaltung in Berlin erstmals junge Menschen ausgezeichnet, die ehrenamtlich in der Hospizarbeit und Palliativversorgung tätig sind. Unter den Ausgezeichneten: Marcel Zettier. Der 23-Jährige engagiert sich seit Oktober 2017 als Sterbebegleiter bei dem Ambulanten Hospizdienst „Beistand am Lebensende“.
Pressetermin im Hospizbüro Am Holm am vergangenen Montag. Warum man denn unbedingt ein Foto von ihm machen wolle, fragt Marcel Zettier, es gehe doch nicht um ihn, sondern um die Sache.
Der junge Tischler aus Oldenburg in Holstein wünscht sich, dass Menschen jeden Alters angstfreier mit Themen wie Tod und Sterben umgehen. Und dass die Diskussion darüber einen gebührenden Raum in der Öffentlichkeit findet. „In unserer modernen Zivilisation werden Tod und Sterben kaum thematisiert. Gedanken daran erzeugen Unsicherheit und oft auch Angst. Wenn man sich zeitlebens aber nicht mit der Sterblichkeit auseinandersetzt, dann kommt am Ende des Lebens diese große Ohnmacht,“ sagt Zettier.
Im Alter von 11 Jahren ist ihm bei der Beerdigung eines Verwandten zum ersten Mal die Endlichkeit des Lebens bewusst geworden. Weitere Todesfälle im Umfeld der Familie, ein Besuch auf der Palliativstation in Eutin und der Krebstod seiner Tante zählen dann vor einigen Jahren zu den Schlüsselerlebnissen, die ihn in die Hospizarbeit und Palliativversorgung führen. „Durch eine Meldung im reporter bin ich auf den Vorbereitungskurs zum Sterbebegleiter aufmerksam geworden“, erzählt Zettier. Dieser neunmonatige Kurs des Neustädter Hospizdienstes bereitet künftige Sterbebegleiter auf ihr besonderes Ehrenamt vor. „Voraussetzung für die Arbeit ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit und den eigenen Grenzen. Dies geschieht im geschützten Rahmen des Vorbereitungskurses und schafft dort eine unglaubliche Gruppendynamik und enormes Vertrauen in sich und die anderen,“ sagt Marcel Zettier. Im Oktober 2017 absolvierte er seinen Vorbereitungskurs. Im November begann seine erste Sterbebegleitung. Eine intensive Zeit, die mehrere Monate dauerte.
„Eine Begleitung kann aber auch nur einige Tage dauern. Am Anfang weiß man eben nie, was einen erwartet“, erklärt Zettier. Abläufe, Zeiträume und Rahmenbedingungen verlaufen ganz unterschiedlich. Sie finden in Form von Hausbesuchen oder Stationsbesuchen in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Palliativstationen statt. Auch die Inhalte sind individuell. Zettier: „Die Initiative zu den Gesprächen geht immer vom Patienten oder Gast aus, wie die zu Begleitenden in der Hospizarbeit auch genannt werden. Wir führen keine therapeutischen Gespräche, sondern begleiten lediglich. Der Gast gibt auch das Tempo und Gesprächsthemen vor. Es kann sein, dass wir über Fußball, das Wetter oder aktuelle Ereignisse reden, manchmal geht es eben auch etwas tiefer. Und manchmal noch tiefer.“
Wichtig ist es, vorzeitig ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. „Wenn dann die Krankheit weiter fortgeschritten ist, dann sitzen wir einfach nur still am Bett und halten die Hand, wenn es der Patient möchte. Dann gibt es vielleicht nur noch ab und zu Augenkontakt. Wir halten uns mit Ansprachen zurück, sind einfach nur da. Es geht nur um den Patienten und seine Bedürfnisse und darum, Präsenz zu zeigen“, so Zettier.
Dankbar ist der junge Sterbebegleiter über den Austausch mit den anderen Ehrenamtlichen, „denn manchmal kommt man bei einer Begleitung allein nicht weiter oder es tun sich innere Konflikte auf.“ Regelmäßig stattfindende Supervisionen unter psychologischer Anleitung bieten darüber hinaus die Möglichkeit, anonym über das Erlebte zu berichten und eine Lösung zu finden. Eine wichtige Schlüsselrolle haben auch die hauptamtlichen Koordinatorinnen, die Vorbereitungskurse organisieren und Erstgespräche mit den Gästen führen, um dann mit viel Feingefühl für jeden Gast den passenden ehrenamtlichen Begleiter zu finden.
Anne Przibilka vom Hospizverein berichtete, dass es in Neustadt insgesamt 44 Hospizhelfer gibt, von denen derzeit 34 einsetzbar sind. „Es ist schwer, junge Erwachsene für dieses Ehrenamt zu gewinnen. In der Regel sind ehrenamtliche Sterbebegleiter Frauen in der zweiten Lebenshälfte“, berichtet Przibilka.
Auch Marcel Zettier hofft, dass sich mehr junge Menschen mit der Thematik befassen und in die Hospizarbeit finden. Bedenken hätte er anfangs auch gehabt, erzählt er, zum Beispiel, dass er als erwerbstätiger Mensch zu wenig Zeit für so ein Ehrenamt haben könnte. „Rückblickend war das unbegründet, denn die Arbeit ist erstaunlich flexibel, man entscheidet selbst, wie viel Zeit man aufwendet und wann es eine Auszeit braucht. Ich habe es nicht bereut, diesen Weg zu gehen, weil ich enorm davon profitiert habe und es immer noch tue.“ (he)