Gesche Muchow

Die Vaterländische Rede 2024 - Uwe Muchow sprach beim Vogelschießen 2024 zum Thema „Zuversicht“

Uwe Muchow.

Uwe Muchow.

Bild: Gesche Muchow

Die Vaterländische Rede ist fester Bestandteil und ein Höhepunkt des Schützenfestes der Neustädter Schützengilde. In diesem Jahr sprach Schützenbruder Uwe Muchow zum Thema „Zuversicht“.

„Der Verfall unserer bekannten Gewerbe ist im freien Fall. Die Veränderungen in der Industrie schreiten voran und sind nicht aufzuhalten. Erfindungen und Verbesserungen tauchen von allen Seiten auf, neue Gewerbe entstehen, alte ersterben des langsamen Todes. Andere Länder drängen mit preiswerteren Produkten auf den Markt. Und wollen wir nicht ganz verarmen, so müssen wir ihnen alles nachmachen, was nur halbwegs geht. Darum trachtet danach, euren Kindern Bildung angedeihen zu lassen. Nur dann werden sie die Zeit begreifen und alles tun, was Gewinn abwirft, und ihre Familien ernähren kann.“

Diese mahnenden Sätze über die deutsche Industrie sind nicht aktuell, sondern wurden vor über 170 Jahren vom Neustädter Peter Fiebig im Neustädter Wochenblatt veröffentlicht. Peter Fiebig war Ältermann unserer Schützengilde. Er sorgte auch dafür, dass es diesen Schützenhof gibt, war Mitbegründer des Neustädter Gewerbevereins, der im vergangenen Jahr sein 175. Jubiläum feierte, er war Mitbegründer der heutigen VR-Bank, gründete eine Armenkasse und vieles mehr. Peter Fiebig war sehr engagiert.

Auch heute sind die Klagen laut und werden Argumente ausgetauscht, die den Untergang der deutschen Industrie vorhersagen.

Doch schon damals, 50 Jahre später, zum Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich die Situation völlig verändert. Das Markenzeichen „Made in Germany“ hatte Weltruhm erlangt. Überall auf der Welt waren Güter und Maschinen aus Deutschland nachgefragt. Deutschland hatte seine ärgsten Industrie-Konkurrenten, England, Frankreich und Holland überholt.

Aber dann haben wir es leider auch verstanden, uns durch Übermut und Größenwahn in zwei verheerenden Weltkriegen in das 19. Jahrhundert zurückzubomben. 1945 lag Deutschland und mit uns Europa wieder am Boden. Doch nun endlich war Deutschland klüger. Zusammen mit Italien, Frankreich und den BENELUX-Staaten gründeten sie eine Wirtschaftsgemeinschaft, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen sollte, die EWG, die Vorgängerin der heutigen EU. Das war deshalb klug, weil Deutschland durch diesen Zusammenschluss nicht nur seinen Wirtschaftsbereich auf mehr als das Fünffache erweiterte, sondern auch für dauerhaften Frieden sorgte.

Und wiederum nur 20 Jahre später, also heute vor 50 Jahren, war das Wirtschaftswunderland Deutschland wie Phönix aus der Asche seinem Untergang entstiegen. Deutschlands Export mit seinen Produkten war wieder Weltspitze. Und das, obwohl zu Beginn der 1970er Jahre eine hohe Inflation herrschte, angetrieben durch die erste Ölkrise mit Bauzinsen in Höhen von bis zu rund 10 Prozent. Die Menschen schauten trotzdem sehr zuversichtlich nach vorne. Wir waren auf dem Weg zum Exportweltmeister.

Aber, wo steht Deutschland jetzt, 2024?

Sie sollten genau zuhören, denn jetzt folgen Wahrheiten die Ihr heutiges Deutschlandbild gravierend ändern könnten. Alles ist wissenschaftlich und statistisch belegt.

1. Nie haben die Deutschen so viel Geld in den Privathaushalten gehabt wie heute. Das Geldvermögen privater Haushalte ist im I. Quartal des Jahres 2023 um 146 Milliarden Euro gestiegen, im Vergleich zu 2018 sogar von 5,9 Billionen Euro auf 7,4 Billionen. Der Spiegel schreibt kürzlich: Deutschland ist laut einer Studie rund 4.000 Milliarden, also weitere 4 Billionen Euro, reicher als gedacht. Das Vermögen ist aber nicht gleich verteilt – doch die Sorge vor wachsender Konzentration an der Spitze sei weitgehend unbegründet.

2. Die deutsche Pharmaindustrie ist nach wie vor Weltspitze und Exportweltmeister.

3. Das deutsche Gesundheitswesen ist eines der besten der Welt.

4. Durch die Corona-Krise ist Deutschland im Vergleich mit anderen Staaten am besten hindurchgekommen.

5. Trotz der lauthals in der Presse beschriebenen Energiekrise aufgrund des Ukraine-Krieges musste im Winter 2022/23 in Deutschland niemand frieren.

6. Wir sind führend in der Entwicklung regenerativer Technologien.

7. Über 51 Prozent des deutschen Stroms für Privathaushalte wird mittlerweile aus regenerativen Ressourcen erzeugt.

8. Das größte Maschinenbauunternehmen der Welt hat mit Siemens seinen Sitz in Deutschland.

9. Die deutschen Automobilhersteller sind in der Qualität weiterhin führend.

10. Bei den Exporten ist Deutschland weltweit auf Platz drei. Nur China und die USA exportieren mehr. Aber, während die Pro-Kopf-Quote in den USA bei 4,2 Dollar liegt und in China nur bei 0,2 Dollar ist sie in Deutschland mit 16,2 Dollar um 80-mal höher als in China. Nun hinkt der Vergleich zwischen China mit seinen 1,4 Milliarden Menschen und der Bundesrepublik mit nur 83 Millionen Bürgern. Tatsächlich müsste man ja den Vergleich zwischen China und der EU ziehen. Und dann ist der Export der EU mit gesamt über 6,45 Billionen Dollar fast doppelt so hoch wie der Chinas und 3-mal so hoch, wie der der USA.

11. In Dresden entsteht eine neue Chipfabrik, in Magdeburg wird ein hochmodernes Mega-Halbleiterwerk gebaut und in Heide bei uns in Schleswig-Holstein eine Batteriefabrikation.

12. Selbst für die Zementproduktion – sie soll ja einer der großen Klimakiller sein – wurde vor Kurzem der Grundstein für ein klimaneutrales Zementwerk in Schleswig-Holstein gelegt.

13. Aus der Landwirtschaft hört man von so vielen neuen und umweltfreundlichen Bio-Ideen, sie alle hier aufzuzählen, würde uns mindestens den Tag kosten.

14. Vor drei Wochen nahm ich an der Präsentation einer neuen Nanopaste-Technologie teil. Das Ergebnis war: Diese Nanopaste – Made in Germany – ist fast wie das Ei des Kolumbus. Sie ist bereits patentiert und das erste Werk, dass diese Paste herstellt, wird gerade in Koblenz gebaut. Mir ihr lässt sich ein voll funktionsfähiges Solarmodul fertigen, zu günstigeren Preisen als bisher. Mit der Paste können Batteriespeichermodule hergestellt werden. Mit der Paste können Heizmodule oder Lichtmodule gedruckt werden. Bei der Herstellung der Endprodukte werden keinerlei toxische Stoffe oder seltene Erden verarbeitet. Die verwendete Paste ist wasserfest, nicht brennbar und zu 100 Prozent biologisch abbaubar.

In einigen Jahren werden wir dadurch so viel Energie erzeugen und speichern können, dass die Energiekosten selbst unvorstellbar preiswert werden.

Die deutschen Ingenieure sind also schon viel weiter als ihre chinesischen Konkurrenten. Und auf der Forschung nach Ersatz für die seltenen Erden sind die europäischen Forscher schon längst auf dem Weg.

Haben Sie genug der guten Nachrichten? Bei Bedarf liefere ich gerne mehr.

Aber warum blicken wir Deutschen dann so pessimistisch in die Zukunft?

Vielleicht ist die Antwort ganz einfach: Uns fehlt die Zuversicht in die Zukunft und in unsere Schaffenskraft. „Kiek in de Sünn un nich in’t Muuslock“, heißt eine CD von unserem Plattdeutschbeauftragten Heiner Evers. Wer ängstlich in die Zukunft blickt, sieht nur Probleme, wer aber zuversichtlich nach vorne schaut, erkennt viele Chancen.

Angeblich gibt es die „German Angst“. Die anderen Länder Europas verstehen uns gar nicht. Bei einem internationalen Treffen, an dem ich im vergangenen Herbst teilnahm, war ich sehr erschrocken, wie andere uns sehen. Wir Deutschen sind angeblich ängstlich und haben immer ein schlechtes Gewissen wegen unserer Vergangenheit. Sabine Bode beschreibt dieses in ihrem Buch: „Kriegsspuren. Die deutsche Krankheit German Angst“. Bei all den guten Nachrichten neigen wir dazu, immer nur die schlechten zu lesen.

Sollten wir als Deutsche vielleicht mal umdenken?

Übrigens zur Presselandschaft – der ich ja angehöre: Es gibt da den Grundsatz: Bad news are good news – Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten. Denn am besten verdienen die Verleger mit den schlechten Nachrichten, die werden am meisten gelesen, erzeugen die größte Nachfrage und die höchsten Werbeeinnahmen.

Achtet mal jeder auf sich selbst, welche Nachrichten er als erstes liest. Und bei den ständig veröffentlichten, schlechten Nachrichten kann man ja nur schlechte Laune bekommen. Hinzu kommt, dass wir alle uns in die berühmte Internetblase zurückziehen, anstatt uns auf unsere typisch deutschen Tugenden, Fleiß, Innovationskraft und Ideenreichtum, Pünktlichkeit und so weiter zu verlassen.

Dabei hat Deutschland schon vielfach bewiesen, dass es aus diesen Tugenden Neues und Gutes entstehen lassen kann – wir sollten es wieder beweisen.

Wer hat diese Nachricht am 14. Mai gelesen?

„Finanzmarktexperten blicken immer optimistischer auf die Wirtschaft in den kommenden sechs Monaten. Der entsprechende ZEW-Index legt das zehnte Mal in Folge zu. Die Zuversicht speist sich aus immer mehr Anzeichen für eine anspringende Konjunktur." Soweit diese Nachricht, eine weitere von vor drei Tagen: "Erwartungen steigen deutlich. Deutsche Export-Industrie optimistisch wie lange nicht- Laut IFO-Institut entwickelt die deutsche Exportwirtschaft zwar 'noch keine große Dynamik', mittlerweile hat sich die Stimmungslage aber dennoch deutlich gebessert. Mehrere Branchen erwarten einen deutlichen Zuwachs."

Ich habe schon lange den Newsletter „Good-news“ abonniert. Da kann man viele gute Nachtrichten lesen – und das ist sehr angenehm.


Natürlich ist nicht alles gut in unserem Land. Und die Politiker streiten oft mehr, als uns lieb ist. Aber diese Streitkultur gehört zur Demokratie dazu, seit mehr als 2.400 Jahren. Diese Demokratie und Streitkultur garantierten uns seit dem 2. Weltkrieg Frieden und Freiheit.  Nicht zur Streitkultur gehören die tätlichen Angriffe auf Politiker, wie der gegen den SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke und noch schlimmer der Mord des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Jahr 2019. Diese Angriffe sowie auch die zunehmenden dumpfen Rufe auf Sylt vor wenigen Tagen, gefährden unseren Wohlstand und unsere Demokratie. Da müssen wir als Gesellschaft dem Philosophen Karl Popper folgen, der sagt: „wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“

Wer wissen möchte, wie wichtig Frieden und Freiheit sind, sollte die Menschen in der Ukraine und leider jetzt auch in Georgien fragen.

Martin Luther hat gesagt: wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch einen Baum pflanzen. Wie zuversichtlich muss Nelson Mandela gewesen sein, dass er 27 Jahre Haft überstanden hat?

Die Zuversicht bestimmt also im Wesentlichen mit, wie wir unsere Zukunft gestalten.


Und dann gibt es da noch die drei jungen Schützenbrüder, die wir in diesem Jahr aufgenommen haben: Alle drei haben sich im vergangenen Jahr erfolgreich mit großer Zuversicht selbständig gemacht.

Der erste mit einer sehr innovativen Oberflächenbehandlung für Küchenmöbel.

Der zweite in der Baubranche, die ja darniederliegen soll.

Und der dritte in der Metallverarbeitungs-Industrie, von der gesagt wird, dass sie Konjunkturprobleme hat.

Auch diese drei Schützenbrüder können uns Vorbilder in Sachen Zuversicht sein.


Am 9. Juni ist ja nicht nur Bürgermeisterwahl in unserer Stadt, zugleich haben wir wieder die Wahl, über Frieden, Freiheit und Wohlstand zu entscheiden. Die Europawahl steht an. Die Europäische Union ist die politisch und wirtschaftlich erfolgreichste Gemeinschaft souveräner Staaten in der Geschichte. Materieller Wohlstand und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in der EU sind rund dreimal so hoch wie der globale Durchschnitt. Die Mitgliedsländer gehören zu den weltweiten Spitzenreitern bei Einkommensgleichheit, Bildung und Lebenserwartung. Selbst Drittstaaten wie die Schweiz oder Norwegen haben sich daher den Gemeinschaftsregeln angeschlossen und leisten ohne eigene Mitspracherechte einen substanziellen Beitrag zum Haushalt der EU.

Der von vielen so sehr kritisierte Europäische Wirtschaftsraum hat neben Frieden und Freiheit in den vergangenen Jahrzehnten auch enormen Reichtum geschaffen. Gerade die Deutschen haben davon am meisten profitiert. Das ist ein guter Beweis, dass es gerade die Parteien der politischen Mitte waren, die uns das ermöglicht haben.


Weil mir meine Freiheit mehr als wichtig ist, ich meine Rechte nicht verlieren will und ich aus langjähriger Erfahrung weiß, dass die Zuversicht so wichtig für unsere Zukunft ist, empfehle ich bei der Europawahl, keine leichtsinnigen Experimente einzugehen, sondern die Parteien der politischen Mitte zu wählen. Auf die konnten und können wir uns verlassen, auch, wenn es manchmal nicht so gut läuft.


Lassen Sie uns das Glas erheben und anstoßen, auf das was uns wichtig sein sollte: auf die Zuversicht, den Frieden und die Freiheit.


UNTERNEHMEN DER REGION

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