Marlies Henke

Die wichtigsten Fragen zur EU-Wahl 2024: Was ist dran an den EU-Vorurteilen?

Die Verwaltungskosten der EU betragen nur etwa sechs Prozent ihres Gesamtbudgets.

Die Verwaltungskosten der EU betragen nur etwa sechs Prozent ihres Gesamtbudgets.

Bild: Rat der Europäischen Union

Am 9. Juni wird das Europäische Parlament neu gewählt. Gemeinsam mit dem gemeinnützigen Medienunternehmen Correctiv und dem Bundesverband kostenloser Wochenzeitungen (BVDA) geht der reporter den wichtigsten Fragen zur EU-Wahl auf den Grund: Welche Themen spielen eine Rolle und welchen Einfluss hat Europa auf unser Leben? In unserer letzten Folge sehen wir uns drei gängige Vorurteile an.


Vorurteil 1: „Die EU ist ein Bürokratiemonster.“

Die EU, das sind keine „Vereinigten Staaten von Europa“, in der eine Zentralregierung in Brüssel alles entscheidet. Sondern ein Verbund 27 autonomer Staaten, die beschlossen haben, bei bestimmten Themen zusammenzuarbeiten. Vor allem in der Wirtschaft, aber längst nicht nur dort.

Das Aushandeln von Kompromissen ist mühsam, aber in Demokratien notwendig. In der EU müssen sich Staaten von Portugal bis Bulgarien, von Finnland bis Zypern einigen, auch wenn sie sehr unterschiedliche Positionen haben.

All das muss übersetzt und verwaltet werden. Alle EU-Institutionen zusammengenommen, von der Kommission, dem Parlament und dem Rat über den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg bis hin zur Europäischen Zentralbank in Frankfurt, beschäftigen rund 80.000 Menschen.

Das ist eine Menge – und auch wieder nicht. Allein der Berliner Landesdienst beschäftigte 2023 rund 83.000 Mitarbeiter, wenn man die große Gruppe der Lehrer ausklammert. Nun verwaltet die EU keine Hauptstadt mit 3,8 Millionen Einwohnern, sondern einen Staatenverbund mit 450 Millionen Einwohnern. Die Verwaltungskosten der EU betragen nur etwa sechs Prozent ihres Gesamtbudgets.

Vorurteil 2: „Was in Brüssel entschieden wird, geht mich nichts an.“

Schätzungen zufolge gehen 20 bis 30 Prozent aller nationalen Gesetze auf Entscheidungen der EU zurück. In manchen Bereichen ist der Anteil noch deutlich höher: In der Umweltpolitik und der Landwirtschaft etwa kommen rund drei Viertel aller nationalen Gesetze von der EU.

Schon längst haben EU-Entscheidungen Auswirkungen in unserem Alltag: Seit der Roaming-Abschaffung kann man im gesamten EU-Ausland ohne zusätzliche Kosten telefonieren. Mit der Europäischen Krankenversicherungskarte haben Unionsbürger Anspruch auf medizinische Versorgung in der ganzen EU. Bei verspäteten Flügen greift der EU-weite Verbraucherschutz.

Strenge Standards sorgen für sichere und qualitative Lebensmittel. Umweltvorgaben verbessern unsere Luft- und Wasserqualität und dienen dem Klimaschutz. Studierende und Auszubildende können dank der Erasmus-Programme ins Ausland gehen. Die EU garantiert grundlegende Rechte – im Fall des Falles kann jeder vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.

Natürlich gibt es auch umstrittene Entscheidungen, die heftig diskutiert werden und nicht allen gefallen. Das nun beschlossene Lieferkettengesetz etwa brauchte etliche Anläufe und mehrere Jahre. Nun gelang aber doch die Einigung.

Vorurteil 3: „Meine Stimme macht keinen Unterschied.“

Am 9. Juni werden die 720 (zuvor: 705) Abgeordneten im Europäischen Parlament (EP) gewählt. Sie sind in vielen einzelnen Parteien organisiert und repräsentieren unterschiedliche Wählergruppen. Durch die Wahl wird sichergestellt, dass die jeweiligen Perspektiven und Interessen Gehör finden. Auch werden darin alle Länder repräsentiert.

Trotzdem liegt die Wahlbeteiligung in den meisten Ländern unter der von nationalen Wahlen. Dies liegt wohl daran, dass Brüssel oft weit entfernt scheint und die Vorgänge dort kompliziert und abstrakt wirken, obwohl viele unseren Alltag beeinflussen.

Zudem leben wir in politisch turbulenten Zeiten, in der ein starkes und von möglichst von vielen Wählern legitimiertes Parlament wichtiger denn je ist. Denn die einzelnen Länder, auch Deutschland, sind zu klein, um auf der Weltbühne eine Rolle zu spielen. Im gemeinsamen Verbund hat die EU ein stärkeres Gewicht. (Florian Bayer)

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