Reporter Eutin

Igel Anton oder: Ein sicherer Ort für Igel

Malente (kti). Von einer Begegnung der stacheligen Art handelt die Geschichte, die Tina Benz uns geschickt hat. Und weil das Thema „Igelschutz“ mit dem Wiedererwachen der Mähroboter auf die Tagesordnung rückt, teilen wir ihren Text sehr gern mit Ihnen, liebe Leserinnen und Leser.

„Igel sonnen sich nicht!“, betont Cornelia Schlicker, Igelfachfrau aus Malente. „Wer tagsüber auf einen Igel trifft, kann davon ausgehen, dass dieser in höchster Not und auf fachkundige Hilfe angewiesen ist“, erklärt sie weiter. Um auf die „Problematik der Igel“ aufmerksam zu machen und wirklich „fachkundige“ Hinweise und Empfehlungen zu geben, haben Cornelia Schlicker und ihr Ehemann Gerd, SOS-Igel-in-Not-Schilder entworfen, die ausgestattet mit einem QR-Code, alles Wissenswerte preisgeben.
Kennengelernt habe ich die Igelretterin im letzten Oktober. An einem herrlich sonnigen Tag in meinem Garten, stieß ich auf einen kleinen Igel, der von fetten Fliegen umschwirrt durch das Unterholz stolperte. Was war zu tun?!
Ich hatte gelesen, dass die natürliche Nahrung der kleinen Fleischfresser, nämlich Käfer und Larven, durch Umwelteinflüsse und Pestizide, sehr eingeschränkt ist und viele Tiere das nötige Gewicht für den Winterschlaf nicht erreichen können. Dieser kleine Kerl – grad mal paprikagroß - kam mir sehr leicht vor und ich nahm die Stachelkugel mit ins Haus. Milch – verboten!!! Dass wusste ich schon. Aber weiter? Ich versuchte es im Internet dann bei der Igelnothilfe – Aufnahmestopp! Nach einer nervigen Telefonodyssee, weil überall kein Platz mehr frei war, kam der erlösende Rückruf aus „Anton‘s Igelpension“ von Cornelia Schlicker: „Ich habe eigentlich auch keinen Platz mehr, aber: Bitte vorbeibringen!“. Sie führte mich in ihr Igelreich, ein Extrazimmer im Haus, ausgestattet mit zahlreichen kniehohen, mit Zeitung ausgelegten Plastikkisten. Darin bunte Fressnäpfchen und farbenfrohe Stofftaschen, Kaffeekannenwärmern ähnlich. „Zaubermaus“, wie Cornelia mein Fundtier taufte, kam erst mal auf die Waage. Nicht ganz 350 Gramm. Natürlich zu leicht. Aber da „klein“ und „leicht“ relativ ist, griff sie in einen der „Kaffeewärmer“ und zog ein Igelkind von der Größe einer Kiwi aus dem Beutel…“DAS ist klein!“, lächelte sie. Natürlich bekam ich bei diesem Anblick sofort Herzchenaugen…wurde jedoch gleich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt: „Zaubermaus schwebt in Lebensgefahr!“, sagte Cornelia Schlicker. „Die Fliegen, die um sie rum geschwirrt sind, haben bereits Eier in sämtliche Körperöffnungen und eventuelle Verletzungen gelegt. Daraus entstehen Maden, die die Igel von innen auffressen“. Eine grauenhafte Vorstellung!


Nun fielen mir auch das umfangreiche medizinische Equipment auf. Inkubator, Sekretabsaugpumpe, „Medikamente“, Desinfektion, und vieles mehr. An jeder Kiste ein Klemmbrett mit einem Pflege-Protokoll des jeweiligen Stachelpatienten. Datum, Uhrzeit, Gewicht, Medikamente, Bemerkungen – ich war ja in einem Igelkrankenhaus. Nun musste ich gehen, damit die Rettungsaktion bei Zaubermaus beginnen konnte. Als erster Schritt wurden die Fliegeneier entfernt, von denen sie voll saß. Innerhalb von Stunden schlüpfen Maden, die ihr grausiges Werk beginnen. Meine Daten hatte ich für die spätere Auswilderung am Fundort dagelassen.


Nun hatte mich die Igelmanie erfasst! Mein nächster Besuch in „Antons Igelpension“ diente dazu mehr über die Stacheltiere und ihre Retter zu erfahren:
Seit vier Jahren „betreiben“ die Tierliebhaber „Antons Igelpension“ im Rumer Weg 6, in Malente. „Igel Anton war mein erster Patient, den ich am helllichten Tag fand und erst mal aufgenommen habe“, erinnert sich Cornelia Schlicker. In stetigem Kontakt mit einem Eutiner Tierarzt, insbesondere mit dessen fachkundiger Tierarzthelferin, hat sie es geschafft Anton großzuziehen und wieder auszuwildern. Danach war für die Tierfreundin klar, in die professionelle Igelhilfe einzusteigen, für die sie noch einige Zeit „an die Hand“ genommen wurde. Denn im Nachklapp erinnert sich Cornelia an einige „Fehler aus Unkenntnis“. Igel benötigen zum Beispiel absolute Ruhe. Anton lebte in seinem als Käfig umgemodelten Aquarium mitten im Familiengeschehen mit Hund und Katz.
Heute betreut die Igelpensionsmutter bis zu 16 Patienten – das war letzten September – und musste schweren Herzens Aufnahmestopps verhängen. Da muss nicht nur der Urlaub sehr gut geplant werden, verriet sie mir mit Augenzwinkern zu ihrem Mann Gerd, der sie mit allem Administrativen unterstützt.


Igelsaison ist leider mittlerweile das ganze Jahr. Jetzt im März sind es drei recht dralle Typen, von Igel mit Stachelverlust durch Pilz bis hin zum Igel mit Enterokokken sowie mit sämtlichen Innenparasiten, die ein Igel nur haben kann.
Igeljunge Meckie hält mit 78 Gramm den Leichtgewichtrekord in der Pension.


Da die Igel bei keiner Krankenkasse aufgenommen sind, die die Behandlungskosten übernimmt, haben sich Schlickers dieser finanziellen Aufgabe gestellt. Zwischen 50 und 150 Euro kann man für eine Igelrettung rechnen. So kosten schon allein bestimmte Medikamente an die 90 Euro. Geld oder Futterspenden (es gibt eine Liste mit igelverträglichen Sorten), werden sehr gerne angenommen. Am besten alles, was einen Fleischanteil von mindestens 65 bis 70 Prozent hat und getreidefrei ist, ohne Soße und Gelee.
Untergewicht ist allerdings nur ein Problem bei der Igelrettung. Parasiten, die entweder schon von der Mutter übernommen oder durch „Notfutter“ wie Schnecken und Regenwürmer aufgenommen wurden, machen die Igel schwer krank. Was Cornelia Schlicker richtig sauer macht, sind Verletzungen von Fadenmähern und Mährobotern. „Man muss wirklich nicht bei drei Grad im Frühjahr unter den Büschen hantieren oder nachts den Rasen mähen“, ärgert sie sich. Ihr werden dann die leidenden Tiere mit aufgeschlitztem Popo, fehlendem Unterkiefer oder skalpierten Kopf gebracht. Da braucht es starke Nerven. Traurig wird es auch, wenn Finder es gut meinen, aus Unwissenheit alles Mögliche in die Tiere reinstopfen und versuchen diese selbst zu retten.
„Kurz vor Ende kommen sie dann an und da kann man oft nicht mehr helfen“, fügt die Fachfrau traurig hinzu.


Eben dafür entstanden die SOS-Igel-in-Not Schilder und die dringende Bitte:
„Lasst einfach die Natur Natur sein, benutzt keine Pestizide und genießt selbst mehr die Ruhe in Euren Gärten, anstatt jedes Blatt wegzuräumen – die Tiere, besonders die Igel, werden es Euch danken!“.
Hier findet man Kontakt zu „Antons Igelpension“: Cornelia Schlicker, Rumer Weg 6, 23714 Bad Malente-Gremsmühlen


Weitere Nachrichten aus Eutin am Mittwoch

UNTERNEHMEN DER REGION

Meistgelesen