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„Im Hospiz könnte ich mein Leben leben“

Eutin (t/aj). Hospiz – das steht für viele für Sterben und Tod. Wer hierher kommt, kann der Endlichkeit nicht mehr ausweichen. Aber ein Hospiz ist auch ein Ort des Lebens, denn ein Tag ist Tag, gerade wenn die Zeit begrenzt ist. Last abgeben zu können, Stunden zu gewinnen für das, was für die Menschen wirklich zählt und wichtig ist, diese Möglichkeit eröffnet die Betreuung im Hospiz. In Ostholstein schreiten die Planungen für ein Hospiz voran. In Oldenburg soll es entstehen, es werden Spenden gesammelt, es gibt Benefiz-Aktionen wie den Hospizlauf, der im September zum zweiten Mal in Oldenburg stattfand, jüngst wurde eine offizielle Absichtserklärung unterschrieben. Bei der Eutiner Hospizinitiative erleben die Ehrenamtlichen immer wieder, was ein solcher Anlaufpunkt für Sterbenskranke und ihre Nächsten bedeutet: „Bislang sind Kiel, Lübeck, Bad Oldesloe und Schloss Bernstorf in Mecklenburg die Häuser, die infrage kommen“, sagt Wiebke Kayser-Bauch. Weite Wege für Menschen aus der Region, die viele Familien nicht leisten können. Und die Plätze sind rar. Was ein Hospizplatz konkret bedeutet, hat Richard Jeske aus der Sicht eines Betroffenen geschildert. Christina Düvell-Veen, ehrenamtliche Mitarbeiterin der Eutiner Hospizinitiative, hat seine Geschichte aufgeschrieben:


Richard Jeske ist Realist. „Ich weiß nicht, wieviel Leben ich noch habe“, sagt der 72-Jährige aus Roge bei Neustadt nüchtern. Er lebt seit etwa vier Wochen auf der Palliativstation des Eutiner Elisabeth-Krankenhauses und wünscht sich nichts sehnlicher als einen Hospiz-Platz. Die aber sind sehr rar, erfährt er immer wieder.


Seine Tage, so weiß er, sind gezählt. Im Juni dieses Jahres kam nach unendlich vielen Untersuchungen bei diversen Ärzten schließlich die Diagnose ALS (Amyotrophe Lateralskerose). Seit Anfang dieses Jahres spürt er von Tag zu Tag, wie seine Kräfte schwinden. Weder Fitness-Übungen noch Medikamente helfen.


Besonders viel Kraft kostet ihn der Umgang mit Behörden und mit der Krankenkasse. „Es wird nicht gesehen, dass die Krankheit schneller ist als die Bürokratie. Das wird auch von den Gutachtern zu wenig beachtet“, muss er immer wieder erfahren. Richard Jeske sorgt sich dabei auch um andere: „Es kostet Leben, wenn Menschen nicht richtig versorgt werden.“
Jeske, der früher eine Segelschule in Neustadt und Hamburg hatte, erinnert sich an ganz düstere Tage: „Das Ausfüllen der vielen Anträge hat mich verrückt gemacht. Zwischenzeitlich hatte ich schon meinen Lebensmut verloren Und das will bei mir schon etwas heißen, denn ich liebe mein Leben.“ Auch die Zeit, die er mit seiner in Hamburg lebenden Partnerin verbrachte, war oft ausgefüllt mit der Bewältigung von bürokratischen Hindernissen. Seine Situation habe sich schlagartig zum Positiven geändert, als er durch Vermittlung seines Hausarztes in das Programm der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) aufgenommen wurde. Pflegepersonal und Ärzte kamen zu ihm nach Hause. „Irgendwann aber wurden meine Zimmer für mich zur feindlichen Umgebung. Überall lauerten Sturzgefahren“, beschreibt Jeske. In diesen Tagen wird die Wohnung aufgelöst.


Auf der Eutiner Palliativstation sagt er: „Ich bin so glücklich, hier zu sein. Hier kann ich das Leben, das ich noch habe, genießen. Hier habe ich Zeit dafür.“ Zeit nimmt er sich im Krankenhaus auch für sein großes Hobby, für die Musik. In Therapiestunden singt er – am Klavier begleitet von einem Logopäden. Die bürokratischen Anforderungen übernehmen andere für ihn. Sie haben dafür gesorgt, dass er den Pflegegrad 3 bekommt und dass ihm ein Hospizplatz zusteht.


Nur die Krankheit ALS können sie ihm nicht nehmen. Die schreitet rasant voran. „Wenn ich morgens aufwache, gucke ich zunächst, was ich noch kann. Und das wird von Tag zu Tag weniger.“ Die Kräfte in Händen, Armen, Beinen und Füßen schwinden zunehmend und damit Stück für Stück die Selbstständigkeit.


Richard Jeske träumt davon, in der Nähe seiner Partnerin, mit der er seit 15 Jahren Freud und Leid teilt, den Rest seines Lebens verbringen zu können. Sie wohnt in Hamburg ganz in der Nähe vom Hospiz „Leuchtfeuer“. Jeske: „Ich hätte eine Rundumversorgung, würde manchmal mit einem Elektroroller vor die Tür fahren, Menschen treffen, nette Gespräche führen und mein Leben leben.“


Dabei hat er sich einen Ausspruch des ehemaligen Hamburger Fußballprofis Horst Hrubesch zu eigen gemacht. „Ich habe ein reichhaltiges Leben gehabt. Alles was jetzt noch kommt, ist Zugabe“, sagte der an seinem 70. Geburtstag. Richard Jeske: „Ich genieße jede Zugabe.“


Wer den Bau des Hospizes unterstützen möchte, kann dies mit einer Spende auf die Spendenkonten des Fördervereins Hospiz Wagrien-Fehmarn tun: Sparkasse Holstein, IBAN: DE92 2135 2240 0179 2254 95, BIC: NOLADE21HOL oder Volksbank Ostholstein Nord-Plön eG, IBAN: DE65 2139 0008 0000 2998 12, BIC: GENODEF1NSH. Weitere Informationen gibt es auf www.hospiz-ostholstein.de


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