Ivar Buterfas-Frankenthal hat das Nazi-Regime überlebt und kämpft heute für die Demokratie
Eutin (aj). Über eine Stunde hängen die 250 jungen Menschen an den Lippen des alten Mannes, im Casino auf der Hubertushöhe herrscht konzentrierte, gespannte Stille, kaum ein Räuspern ist zu hören. Ivar Buterfas-Frankenthal erzählt aus seinem Leben im Deutschland der 1930er und 40er Jahre – aus der Perspektive desjenigen, der Ziel war von Vernichtungswille und Unmenschlichkeit. Normalerweise, so hat er es seinen Zuhörer*innen zur Begrüßung verraten, hält er am frühen Nachmittag einen kurzen Schlaf. An diesem Dienstag aber ist er hellwach, sein Bericht ist klar, er macht keine Pausen, die Schülerinnen und Schüler der Beruflichen Schule und der Polizeischule sollen wissen, was geschehen ist. Der 94jährige ist ein Zeitzeuge. Sein Vater ist Jude, die Mutter nennt Buterfas-Frankenthal den „christlichen Teil“. Die Ehe kann nicht verhindern, dass der Vater ins Konzentrationslager deportiert wird, aber sie erhöht in der perfiden Nazi-Maschinerie dessen Chancen auf ein Überleben.
Die Mutter muss die dunklen Jahre mit den acht Kindern allein überstehen. Ivar Buterfas-Frankenthal erfährt früh, was das Nazi-Regime für ihn vorgesehen hat: Als Sechsjähriger muss er beim Fahnenappell der Schule vortreten und wird der Schule verwiesen: „Weil ich ein ‚Jude‘ war – ich wusste gar nicht, was das Wort bedeuten soll“, sagt er. Er läuft nach Hause, verfolgt von Mitgliedern des Bund Deutscher Mädel und der Hitlerjugend. Sie holen ihn ein: „Lass uns die Judensau rösten, haben sie gebrüllt“, erzählt Ivar Buterfas-Frankenthal. Er wird eingeholt, sie brennen ihm ein Loch in den Schenkel. Passanten helfen ihm schließlich. Die Schilderung von Demütigung und Schmerz trifft die Zuhörenden. Einer von vielen Momenten, in denen die Intensität dieses Zeugnisses kaum zu ertragen ist. Der gebürtige Hamburger schont niemanden, nicht sich selbst und nicht sein Publikum. Es ist sein 1606. Vortrag, dieser Marathon ist sein Kampf für die Bewahrung der Demokratie: „Wir müssen ertragen, was ich erzähle.
Diese Republik ist zu schade, als dass wir sie diesen Verbrechern zum Fraß vorwerfen dürfen“, lautet seine eindringliche Botschaft. Er macht keinen Hehl aus seiner Sorge um das, was vorgeht in diesem Land: „Es droht uns eine große Gefahr“, mahnt er angesichts der wachsenden Zahl von Straftaten mit rechtsextremistischem, fremdenfeindlichem Hintergrund. Der Mord an Walter Lübcke, die Morde von Halle und Hanau, die Feuer von Mölln und Rostock-Lichtenhagen: „Was wollen wir noch ertragen“, fragt er bebend. Eine Frage, die das Grauen von einst ins Hier und Jetzt holt. Für Ivar Buterfas-Frankenthal hat es nie geendet, für ihn gehören die Verletzungen zu seinem Leben, sie haben ihn nie losgelassen, ihn bis in seine schlimmen Träume verfolgt: „Ich war der Untermensch“, sagt er und das schüttelt man nicht ab.
Nach dem Ausschluss aus der Schule unterrichtet ihn sein Bruder Kurt, die Bomben, die auf Deutschland fallen, für ihn sind sie „ein Himmelsgeschenk“, weil sie den Krieg verkürzen. Nach Kriegsende kommt der Vater zurück, als Überlebender aus Sachsenhausen. Für das Leben mit Frau und Kindern aber ist er nicht mehr der Richtige, er verlässt die Familie. Und auch sonst ist nach 1945 längst nicht alles gut für Ivar Buterfas-Frankenthal: „Ich war vielen Demütigungen und Beleidigungen ausgesetzt in der Bundesrepublik“, meint er. Erst 1961 erhält er, den die Nazis als „Halbjuden“ einstuften, die Staatsbürgerschaft zurück. Er beißt sich durch, gründet eine Baufirma, die heute seine Kinder führen.
Und er gibt seine Antwort auf die Geschichte: Aktiv sein, das„Nie wieder“ mit Leben füllen. Er setzt sich für eine NS-Gedenkstätte im niedersächsischen Sandbostel ein, schreibt Bücher, das Projekt „Polizeischutz für die Demokratie“ liegt ihm am Herzen und er erzählt wieder und wieder über das, was er erlebt hat. Dass er kein Blatt vor den Mund nimmt, macht sein Leben gefährlich. Zeitweilig steht er unter Polizeischutz, Haus und Grundstück sind mit Panzerglas, Scheinwerfern, Alarmanlage gesichert. Dass er dennoch seit 30 Jahren die Kraft aufbringt, sich vor die jungen Menschen zu stellen, liegt auch an der Frau an seiner Seite.
Dagmar Buterfas-Frankenthal ist immer dabei, bald feiern die beiden Gnadenhochzeit. Ehe sie sich aus Eutin verabschieden, ermuntert Ivar Buterfas-Frankenthal die Schüler*innen, Fragen zu stellen. BS-Schüler Djamil interessiert sich aus persönlichen Gründen für die Situation der Staatenlosigkeit: „Sie ist eine Beleidigung“, lautet die Antwort von Buterfas-Frankenthal. Mit stehendem Applaus endet dieses eindrucksvolle Zeitzeugengespräch. Was Lehrerin Julia Kraft von der BS bewirken wollte, scheint erreicht: „Es geht darum, ein Bewusstsein für die Geschichte zu wecken und die Schülerinnen und Schüler wachzurütteln.“
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