„Jeder kann Opfer werden“
Eutin/Ostholstein (cb). Die Opfer einer Straftat benötigen zumeist Unterstützung, um das Erlebte verarbeiten zu können. Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des WEISSEN RINGS helfen den Betroffenen dabei, in die Normalität zurückzufinden.
Im Rückblick auf das Jahr 2024 stellte der Leiter der Außenstelle in Ostholstein, der pensionierte Polizeibeamte Holger Dabelstein, die Zahlen der Hilfesuchenden und der verschiedenen Straftatbestände vor. Das Team der Organisation hat sich im vergangenen Jahr mit den verschiedensten Hilfsangeboten um 91 Personen gekümmert. Die Betroffenen können entweder selbst Kontakt mit dem WEISSEN RING aufnehmen oder werden, wenn sie damit einverstanden sind, von der Polizei dorthin vermittelt.
Einen hohen Anteil nehmen Sexualdelikte und Körperverletzungen im Kreisgebiet ein. Auch häusliche Gewalt, die neuerdings auch „Partnerschaftsgewalt“ genannt wird, da auch immer mehr Männer unter den Opfern sind, ist immer noch ein großes Thema.
Ein weiteres Delikt nimmt immer mehr Raum ein: Betrug. Dabei bedienen sich die Täterinnen und Täter oft einer perfiden Masche, die durch künstliche Intelligenz (KI) unterstützt wird.
„Jeder kann Opfer werden!“ heißt ein Motto des WEISSEN RINGS. Das musste auch Carl-Heinz Nehlsen aus Hansühn, den dort alle nur „Carlo“ nennen, schmerzlich erfahren. Im Juni letzten Jahres klingelte sein Telefon und ihm widerfuhr das, was man sonst nur in der Zeitung liest – er bekam einen Schockanruf. Eine Frau, die behauptete, eine Polizistin zu sein, teilte Nehlsen mit, dass seine Tochter einen schweren Verkehrsunfall verursacht habe, bei dem ein Mensch zu Tode gekommen sei. Der zuständige Richter hätte eine Kaution von 50.000 Euro festgesetzt, erklärte die Polizistin, um die Tochter auf freien Fuß zu lassen. Andernfalls würde er sie in Haft nehmen. Auch die verweinte Stimme seiner vermeintlichen Tochter meldete sich und bat um Hilfe. Der Hansühner Rentner beteuerte, dass er nicht über so eine Summe verfüge und auch keine Goldbarren oder andere Wertgegenstände, die von der Anruferin alternativ gefordert wurden, besitze. Daraufhin wurde das Telefonat beendet.
Völlig verunsichert und verängstigt wandte sich Carl-Heinz Nehlsen an seinen Neffen Holger Dabelstein vom WEISSEN RING. „Ich hatte die Stimme meiner Tochter ganz genau erkannt“, stellte der 83-jährige Nehlsen später fest und berichtete, dass sein Neffe ihn zunächst nur schwer überzeugen konnte, dass es sich um einen Schockanruf handelte. „Ein Satz meines Onkels ist mir dabei regelrecht unter die Haut gegangen“, erinnerte sich Dabelstein. „Als ich seine richtige Tochter am Telefon hatte, sagte er, dass er ja gar nicht weiß, ob sie seine Tochter sei.“ Erst ein Rückruf seiner wirklichen Tochter konnten den geschockten Vater von dem Betrugsversuch überzeugen. Er brauchte aber trotzdem lange, um das Erlebte zu verdauen.
Wie sich Betrügerbanden die sogenannte KI zu Nutze machen können, hat eine Frau aus Bad Schwartau erlebt. Im Winter 2024 erhielt sie eine Sprachnachricht ihrer Tochter, die in Skandinavien lebt. Diese hatte ein ausgeliehenes Handy verloren und sollte dafür nun eine vierstellige Summe bezahlen, um die sie ihre Mutter bat. Die Frau hat das Geld überwiesen und danach ihre Tochter kontaktiert, die davon überhaupt nichts wusste. Das Geld war verloren und die Frau ist durch diesen Vorfall sicher vorsichtiger geworden.
Betrüger haben die Möglichkeit, beispielsweise durch das Abhören von Anrufbeantwortern Stimmen aufzuzeichnen und diese durch die KI zu bearbeiten.
Wie kann man sich gegen diese hinterhältigen Anrufe schützen?
„Zunächst einmal muss festgestellt werden, dass die echte Polizei niemals am Telefon fordern würde, Bargeld oder andere Wertgegenstände jemanden an der Haustür zu übergeben. Sollte man einen derartigen Anruf bekommen, gilt es, kühlen Kopf zu bewahren, auch wenn die Emotionen hochschlagen. Es ist hilfreich, dem Gegenüber Fragen zu stellen, die man zuvor nur im Kreise der Familie abgesprochen hat. Außerdem sollte man vor einer Geldübergabe immer versuchen, denjenigen zu erreichen, um den es vermeintlich geht und außerdem die Polizei informieren“, riet Dabelstein.
Der WEISSE RING wurde am 24. September 1976 in Mainz als „Gemeinnütziger Verein zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern und zur Verhütung von Straftaten e. V.“ gegründet und zählt aktuell mehr als 40.000 Mitglieder. Rund 3.000 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bieten den Opfern von Straftaten ihre aktive Hilfe an, 9 davon in Ostholstein.
Die Außenstelle Ostholstein ist über Telefon 0151-55164750 oder per E-Mail an ostholstein@mail.weisser-ring.de zu erreichen. Weitere Informationen sind auf www.weisser-ring.de zu finden.