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„Es hat mir immer Freude gemacht!“

Ahrensbök (aj). Noch dreimal um 1 Uhr aufstehen, sich als Erster in der Backstube an die Arbeit machen, wenn die Nachtschwärmer noch unterwegs sind und in den meisten Ahrensböker Häuser Nachruhe angesagt ist. Noch dreimal backen, die Regale mit Holsteiner Vollkorn und Buttermilchbrot bestücken, Streuselschnecken und Bienenstich in der Vitrine anrichten und dann die Tür aufschließen für alle, die ein gutes Brötchen am Morgen zu schätzen wissen. Am kommenden Sonnabend, 29. März, hat Bäckermeister Hans-Jürgen Schmidt den letzten Tag in der Bäckerei, die sein Vater vor 67 Jahren übernommen hat und mit dem Feierabend schließt er die Tür des Geschäftes für immer: „Die Arbeit hat mir immer Freude gemacht, aber der Zeitpunkt aufzuhören ist gekommen“, sagt Hans-Jürgen Schmidt bei einer Tasse Kaffee.

50 Jahre lang hat der Beruf Regie geführt in seinem Leben, dass er die Bäckerei einmal übernehmen würde, ist ihm als ältesten Sohn quasi in die Wiege gelegt worden. Am 1. Januar 1958 kamen die Eltern aus Malente und in der Plöner Straße 66, wo seit 1874 eine Bäckerei ansässig war, bauten sie ihre Existenz auf. Hans-Jürgen Schmidt wird in der Backstube groß, er erinnert sich bis heute an die Kinderspiele vor der Tür, geschützt durch eine kleine Absperrung und im Blickfeld der Mutter: „Und aus der großen Kiste haben wir Rosinen genascht“, erzählt er lächelnd. Sein Handwerk lernt er vom Vater, ehe er als Geselle in Niendorf und Timmendorfer Strand Erfahrungen sammelt. 1983 macht er seinen Meister, zwei Jahre später läuft der Betrieb auf seinen Namen, 1990 modernisiert er das Gebäude. Das Sortiment bestimmen über die Jahre die vielgeliebten Klassiker, so will es die Kundschaft, auch wenn immer wieder neue köstliche Ideen dazukommen. 15 Brot- und neun Brötchensorten hat Schmidt im Repertoire, im Herbst gibt es eine Pflaumenpizza. Ungezählte Familien haben ihre Feste mit den Torten-Kreationen des Bäckermeisters gefeiert und wie sich Arbeiter ihre belegten Frühstücksbrötchen wünschen, weiß man in der Bäckerei Schmidt genau. Für die Spezialität des Hauses kommt die Kundschaft sogar aus Lübeck und Neustadt angefahren: Rumkugeln sind der Renner. 750 Stück sind in der Regel binnen drei oder vier Tagen ausverkauft. Die letzten Rationen gehen dieser Tage über den Tisch. Nur gut, dass man sie auch einfrieren kann. Mit dem Betriebsschluss wird es in Ahrensbök keine Backwaren aus eigener Herstellung mehr geben.

Neben dem Wissen um Backen und Konditorei hat Hans-Jürgen Schmidt den Geschäftssinn der Eltern als Rüstzeug mitbekommen. In Hutzfeld gab es seit 1978 eine seit letztem Monat geschlossene Filiale, der Glasauer Marktktreff, das Globus-Werk und das nahgelegene Ausbildungszentrum gehörten zu den Großabnehmern. Und schon seit 1957 wird das leckere Schmidtsche Backwerk auch in den Dörfern der Umgebung angeboten – vom Wagen aus: „Der erste war ein Goliath, dann kam ein VW T1, bedient wurde von außen“, berichtet Hans-Jürgen Schmidt. Später wird ein VW LT angeschafft und selbst ausgebaut, so dass von innen verkauft werden kann. Bis heute ist die Tour durch Sarau, Glasau, Berlin und die vielen anderen Orte fester Bestandteil der Firmenphilosophie und viele Menschen werden ihren Bäckerwagen schmerzlich vermissen. Hinter dem Steuer sitzt Meike Schmidt, eine Frau vom Fach und seit 2016 die Frau an Hans-Jürgen Schmidts Seite: „Man kennt die Menschen alle mit Vornamen, wenn jemand mal nicht kommt, fällt das auf und dann schaue ich auch schon mal nach“, sagt Meike Schmidt. Man achtet aufeinander und das schließt natürlich auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein. 14 Angestellte waren es zu Spitzenzeiten, wer bei Schmidt unterschreibt, bleibt in der Regel sehr lange, 30 und 40 Jahre Zugehörigkeit stehen für manche zu Buche: „Früher gab es in der Küche einen gemeinsamen Mittagstisch für alle“, schildert Hans-Jürgen Schmidt. Und auch, wenn sich viel geändert hat, der Zusammenhalt ist geblieben: „Wir sind sehr froh, dass alle aus dem Team eine neue Anstellung gefunden haben, das lag uns am Herzen“, betonen die Schmidts.

Die Personalsuche ist in den letzten Jahren sehr schwierig geworden, dazu kamen die Belastungen durch hohe Energiekosten und beständig wachsende Auflagen. Damit wird nun Schluss sein. Hans-Jürgen Schmidt wird sich die Zeit nehmen, die letzten 50 Jahre sacken zu lassen, in Ruhe überlegen, was mit den Maschinen werden soll und dann Pläne schmieden: „Endlich mal in den Urlaub“, das steht schon jetzt ganz oben auf der Liste. Bislang waren nur kurze Trips über das Wochenende drin. Zeit ist kostbar und Meike und Hans-Jürgen Schmidt werden sie gut nutzen, zum Golfen in Curau zum Beispiel und für die Spiele des THW Kiel. Und dann steht da ja noch der T2 Oldtimer in der Garage. Langeweile wird nicht aufkommen, die Wehmut allerdings schwingt mit, wenn die Schmidts von der Zukunft reden. Und das ist nur allzu verständlich. Es endet ein Stück Familiengeschichte. Hans-Jürgen Schmidt kann es in dem guten Gefühl abschließen, sein eigenes Kapitel beigetragen zu haben.

Was er tun wird, wenn am Sonnabend endgültig Feierabend ist? „Wir werden mit unseren Mitarbeitern zusammensitzen“, sagt er, denn das Wichtigste sind und bleiben ihm die Menschen. Auch nach Ladenschluss.

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