Pastor Pfeifer wechselt in den (Un-?)Ruhestand
Preetz (los). Wenn Pastor Christoph Pfeifer auf seiner Vespa um die Ecke saust, wird schnell klar: dieses pastoral vergleichsweise unorthodoxe Bild des Vorankommens steht irgendwie für seine Handschrift in der Art seiner Berufsausübung. Letzte Dienstfahrt – wer hat an der Uhr gedreht? - ist nun am kommenden Sonntag, 1. Oktober 2023. Dann beginnt für ihn ganz offiziell der Ruhestand.
Bereits der September beschrieb für Pfeifer die Zeit des allmählichen Loslassen im Rahmen der Gottesdienste und Andachten im Bugenhagenhaus, in der Kapelle Nettelsee und Löptin, mal musikalisch geprägt, mal „op Platt“. Grund genug also, um am Sonntag „Tschüss“ zu sagen, gemeinsame Erinnerungen hochleben zu lassen und sich eine Revue auf die vergangenen Jahre zu schenken – um 15 Uhr in der Preetzer Stadtkirche.
Am 30. September 1991 übernahm das Pastorenehepaar Anke und Christoph Pfeifer den Pfarrbezirk Süd von Pastor Hans Sommer und teilte sich damals die Stelle. Es fügte sich, „dass wir in den ersten Berufsjahren mit unseren Kindern Johanna und Martin die Möglichkeit hatten, viele junge Familien an das Bugenhagenhaus zu binden“, erzählt Christoph Pfeifer, als er am 30. August 2023 gerade vom Einschulungsgottesdienst in der Friedrich Ebert Schule zurück ist. Diese enge Bindung sei mit Unterstützung vieler Ehrenamtlicher im Bezirk Süd gelungen, die sich für Besuchsdienste an besonderen Geburtstagen auf den Weg machten, Gemeindefeste mit ausrichteten oder sich als Teamer in der Arbeit mit Kindern und „Konfis“ einbrachten. „Ich fühlte mich in all den Jahren deshalb auch immer von den Menschen und Mitarbeitern getragen“, unterstreicht Pfeifer, und ist schon wieder unterwegs zum nächsten Einsatz, einer Beerdigung. Fortsetzung auf Seite 2
„Zwei bewegende Momente“, sagt er. Diese skizzierten die Arbeit der vergangenen 32 Berufsjahre. Die Fähigkeit, schnell „umzuswitchen“, habe dabei geholfen.
Seit 2012 nutzt Pfeifer sein knatterndes Gefährt für die Dienstwege, und häufig hat er es auf seiner Vespa eilig. „Ich bin ein extrem unruhiger Geist“, sagt er von sich und erzählt von den schlechten Schulleistungen in seiner Kindheit und problematischer Konzentrationsschwäche. „Aber letztlich hat mir das meinem Beruf als Pastor geholfen, die vielfältigen Anforderungen zu bewältigen mit der Seelsorge als Kernthema“, sagt er, auch mit Blick darauf, dass niederschmetternde Zeugnisse nicht den Blick auf die Zukunftsaussichten trüben sollten.
Dreh- und Angelpunkt seiner Tätigkeit ist das 1964 für „Preetz Süd“ erbaute Bugenhagenhaus.
Krasse Wechsel, oft ohne Übergänge, prägten den Berufsalltag: Vom Kindergottesdienst zur Seniorengruppe, von der Krippenspielvorbereitung zur Bläserprobe, vom Tauftermin zur Beerdigung, alles ist möglich an einem einzigen Tag, nicht eingepreist die seelsorgerischen Dienste, die Christoph Pfeifer in den vielen Jahren immer wieder unerwartet forderten, weil schlimmste Ereignisse und Erfahrungen Menschen zusammenbrechen ließen.
Entsprechend gab es in den Berufsjahren auch Tiefpunkte. „2010, 2011 musste ich so viele Suizide beerdigen, dass ich mir 2012 eine Auszeit genommen haben“, erzählt er. Die Verarbeitung erfolgte in einem kreativen Prozess: Am Ende entstand ein Buch über Seelsorge.
„Über diese Schiene bin ich seit vielen Jahren in der Diakonie engagiert“, fügt Christopf Pfeifer einen seelsorgerischen Aspekt hinzu, seit 2015 in der Flüchtlingshilfe in Preetz. Doch Seelsorge und Begleitung von Heimatvertriebenen hatten ihn bereits 2010 zu dem Filmprojekt Neue Heimat Kirche geführt. „Ein Projekt über Menschen, die in der Nachkriegszeit in dieser Neuen Heimat gelebt haben“, erzählt er. Jene Flüchtlinge siedelten in dem Gebiet, wo das Bugenhagenhaus später errichtet wurde.
Das Lernen steht als Schlüsselwort am Anfang der Berufslaufbahn von Pastor Christoph Pfeifer. Vielseitig interessiert begann der Bad Bramstedter zunächst Elektrotechnik zu studieren. Wenn auch von diesem mathematisch-naturwissenschaftlichen Pfad wieder abgekommen, nutzte Pfeifer seine dabei erworbenen Kenntnisse später für „X Projekte“ in der Kirchengemeinde, bastelte Lautsprecher, legte Kabeltechnik, baute mit den Konfis an einer Elektroeisenbahn herum oder lötete Verstärker, die den sprichwörtlichen Geist aufzugeben drohten, für die anstehende Krippenspielaufführung.
Sein musikalisches Interesse inspirierte mit gleicher Energie die pastorale Arbeit. Bläsermusik gab es zu besonderen Ereignissen wie auch den Freiluftgottesdiensten, „zum Beispiel bei der Seniorenwohnanlage am Kirchsee mit Taufen und allem“, erzählt er, und die Begeisterung für die Musik schwingt mit. Bereits 1992 gründete Pfeifer einen Posaunenchor und begleitete mit nicht nachlassender Energie die Bläserarbeit auf Kirchenkreisebene einschließlich zahlreicher „Riesenaktionen“ wie Bläserfeste, Bläserfahrten, Posaunen- und Kirchentage.
Nicht zuletzt die Leidenschaft für das Filmen im Kontext eines ambitionierten lokalgeschichtlichen Interesses hielten und halten Pfeifer kontinuierlich auf Trab. Vor allem mit der Zeit der Kirchengründung in Preetz und der Geschichte der umliegenden Dörfer und ihrer Beziehung zum Preetzer Kloster beschäftigt er sich aktuell. „Das ist mein Projekt für den Ruhestand“, kündigt Pastor Christoph Pfeifer an, denn das Jubiläum der 800-jährigen Geschichte der Dörfer soll 2024 auch gefeiert werden.
Zugrunde liegt eine Urkunde, die auf den 9. Dezember 1224 datiert ist. „Dazu entsteht derzeit ein neuer Film“, erzählt er. Denn der Quelle liessen sich einige Informationen entnehmen. Demnach stiftete Bischof Bertold von Lübeck an jenem Dezembertag vor 800 Jahren den Zehnten.
Es war eine Zeit, in der Siedler in die Region Preetz kamen, aber „auch Slawen lebten noch hier“, so Pfeifer. Davon legten die Rundlingsdörfer der Region Zeugnis ab. Ebenso die Namen der Dörfer, die nach deutschen Siedlern und slawischen Bewohnern getrennt damals Namen wie Klein- und Großkühren oder Klein- und Groß-Löptin trugen. „Die Dörfer der Siedler gehörten zum Kirchspiel Preetz“, erzählt Pfeifer. Daran geknüpft sei eine Art Mitspracherecht seitens der Kirche, den Zehnten aus dem Kirchspiel dem bestehenden Kloster in Preetz zu stiften, das 1224 Campus beate Marie genannt wird, Marienfelde.
„Irgendwie war ich im Kopf ja immer im Dienst“, konstatiert Pastor Pfeifer rückblickend, „das muss ich nun neu lernen“. Keine Beerdigungen mehr, keine Amtshandlungen - ab 1. Oktober beginnt der Ruhestand. „Da muss ich erst einmal einen klaren Schnitt machen“, sagt er. Und dafür hofft er auf Verständnis.