Klausdorfer Häger zurück an der Schwentine
Klausdorf/ Schwentinental (t). Alte regionale Obstsorten und ihre Herkunftsgeschichten waren das Thema eines Projektes des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes (SHHB), das in Schwentinental mit der Pflanzung eines Apfelbaums der Sorte „Klausdorfer Häger“ seinen Abschluss gefunden hat.
„Klonk, Klonk, Klonk“, schallt es an einem sonnigen Donnerstagnachmittag Anfang März durch den Stadtteil Klausdorf in Schwentinental. Eine kleine Personengruppe, die sich bei schönstem Frühlingswetter am Picknickplatz an der Schwentine versammelt hat, sorgt für Aufmerksamkeit, schließlich ist auch der Bürgermeister Thomas Haß und andere Lokalprominenz vor Ort. In ihrer Mitte: ein junger Baum, der ab sofort hier wachsen und gedeihen soll.
Mit der Pflanzung im Rahmen des BINGO!-Projektes „Klausdorfer Häger, Süderhecks & Co. – Alte Streuobstsorten in Schleswig-Holstein“ wurde der erste Schritt getan, ursprüngliche Regionalsorten wieder in ihren Herkunftsgebieten anzusiedeln.
„Viele regionale Obstsorten geraten durch die Veränderung der Geschmäcker und ständige Verfügbarkeit von frischem Obst und Gemüse in Vergessenheit. Die Globalisierung macht Einlagerung unnötig, wodurch viele Sorten und ihr genetisches Material verloren gehen“, erklärt Projektkoordinator, Obstbaumpfleger und Streubobstpädagoge Miklas Staiger. Darunter leide die Vielfalt der Sorten und Kulturgut käme abhanden.
Viele der im Projekt untersuchten Obstbäume sind heute kaum noch zu finden. Neben dem Klausdorfer Häger wurden auch weitere Sorten, mit nicht minder kuriosen Namen genauer unter Lupe genommen und ihre Geschichten ausgegraben, zum Beispiel Inge von Klixbüll, der Drelsdorfer Schneekloth, Arlewatt oder der Schleswiger Erdbeerapfel.
Die selten gewordenen alten Obstsorten stehen stellvertretend für die generell fehlende Biodiversität, betont die Landesnaturschutzbeauftragte Dr. Juliane Rumpf: „Fast die Hälfte aller Arten in Schleswig-Holstein stehen auf der Liste der bedrohten Arten – und da sollten wirklich bei uns allen die Alarmglocken schrillen! Um widerstandsfähig zu bleiben brauchen wir das Netz der Biodiversität.“ Und auch die kulturelle Bedeutung der Streuobstwiesenkultur dürfe man nicht vergessen: „Auf kommunaler Ebene ist es wichtig, das Interesse der Gemeinden zu wecken, selbst Streuobstwiesen anzulegen und erhalten – auch als Treffpunkt, zum Beispiel bei Erntefesten“, sagt Juliane Rumpf, die zudem Vorsitzende der Akademie für die ländlichen Räume ist. Dadurch könne die Streuobstkultur auch dazu beitragen, die Gesellschaft zusammen zu halten und die Demokratie zu stärken.
Und damit zurück nach Klausdorf, wo das „Klonk“ der Pfahlramme inzwischen wieder verstummt ist: Hier, wo ab sofort ein junger Baum, groß und stark werden soll, ging Anfang des 19. Jahrhunderts der Schmiedemeister Friedrich Wienroth spazieren, entdeckte dabei einen Apfelbaum mit schmackhaften Früchten und legte ihn einem ansässigen Gärtner vor. Dieser vermehrte die Sorte und gab ihr einen Namen: der „Klausdorfer Häger“ war geboren. Seine Besonderheit: Der Apfel ist sehr lange lagerfähig – vom Herbst bis Ende März. Heute ist der Klausdorfer Häger lokal begrenzt verbreitet, in Schwentinental, aber auch in Angeln. „Doch er ist perfekt an seinen Standort angepasst und würde nirgendwo so gut gedeihen wie in Klausdorf“, ist Miklas Staiger überzeugt.
Es bleibt zu hoffen, dass „unser“ Klausdorfer Häger an der Schwentine in den kommenden Jahren Spaziergehende, rastende Kanuten sowie andere Wassersportler*innen mit seinen Früchten versorgt und damit seinen kleinen Beitrag zur Biodiversität und der Gemeinschaft in der Region leistet. „Die Pflege ist durch den BUND-Kreisverband zumindest gesichert, der eine Gießpatenschaft übernimmt“, freut sich Staiger. Wer also in Zukunft in Klausdorf an der Schwentine spazieren geht, könnte mit etwas Glück, ebenso wie Friedrich Wienroth vor über 100 Jahren, in den Genuss des seltenen Apfels kommen.
Die Bestände an hochstämmigen Obstbäumen gingen in den vergangenen Jahrzehnten mit dem Einzug der modernen Obstsorten und der stetigen Verfügbarkeit durch globale Handelsstrukturen auch in unserem Bundesland deutlich zurück. Mit diesem Wandel schwindet auch die Vielfalt alter Obstsorten irreversibel.
Im Projekt „Klausdorfer Häger, Süderhecks & Co. – Alte Streuobstsorten in Schleswig-Holstein“ wurde in einer umfassenden Studie eine Bestandsaufnahme der eher unbekannten und verschollenen Regionalsorten gemacht und nach deren Entstehungsgeschichten geforscht. Außerdem wurden die Sorten auf Sortenechtheit untersucht und die Entwicklung der Obstkultur in unserem Bundesland umfassend recherchiert. Die Ergebnisse sollen eine fundierte Basis schaffen, um den heute noch erhaltenen Bestand an Regional- und Lokalsorten zu erhalten und die Wiederanpflanzung zu fördern. Die Ergebnisse sind ab Anfang April auf der Website des SHHB zu finden.
Das Projekt wurde gefördert von BINGO! – Die Umweltlotterie (Projektförderung in Schleswig-Holstein).
Der Schleswig-Holsteinische Heimatbund (SHHB) ist der Dachverband für mehr als 200 Vereine, Verbände und private Organisationen, die sich in Fragen der schleswig-holsteinischen Heimat- und Kulturpolitik, des Naturschutzes und der Denkmalpflege, der Geschichte des Landes, der niederdeutschen und friesischen Sprache regional engagieren und sich Ziele gesetzt haben, die denen des SHHB entsprechen. Seit 2000 hat der Verein seinen Sitz in Molfsee.