„Feuerwehr ist mein einziges Hobby“
Heikendorf (mm). 18 Jahre war Jens Willrodt Gemeindewehrführer in Heikendorf. Jetzt möchte er aufhören. „Es war lang genug“, sagt der 61-Jährige nüchtern. „Jetzt soll ein Jüngerer ran“. Was er als Feuerwehrmann erlebt hat, warum er bis heute vom ehrenamtlichen Dienst am Mitmenschen begeistert ist, und welche Veränderung er in 50 Jahren mitgemacht hat, das erzählte Willrodt dem PROBSTEER.
Bereits Willrodts Vater war aktiver Brandschützer. „Dass ich ebenfalls mal dabei sein würde, war nie eine Frage“, erinnert er sich. Wann immer „was los ist“ bei der Feuerwehr, begleitet er schon als kleiner den Vater. „Leider konnte man damals erst mit zwölf Jahren in die Jugendfeuerwehr eintreten“, meint Willrodt etwas wehmütig. Doch dank einer Sondererlaubnis darf er bereits mit 11 Jahren loslegen. „In der Jugendfeuerwehr waren wir eine eingeschworene Truppe, wo wir sogar auf Landesebene was reißen konnten“, erzählt der Noch-Gemeindewehrführer. Als einschneidendes Erlebnis ist ihm die Schneekatastrophe Ende der 70er Jahr in Erinnerung. „Da durften wir im rückwärtigen Bereich, will heißen im Feuerwehrhaus, die Aktiven unterstützen“.
Nach der Jugendfeuerwehr wechselt Willrodt in den aktiven Dienst. „Am Anfang ist das so eine Art Lehrzeit“, meint er, mit weiteren Ausbildungen zum Truppmann und Atemschutzträger. Wenig später wird er Truppführer. Doch Willrodt hat Lust auf mehr. „Feuerwehr war und ist mein Leben“, sagt er heute. Kein Wunder, dass er wenig später schon Verantwortung als stellvertretender Gruppenführer übernimmt, kurz danach sogar als Gruppenführer. „Die Position habe ich sehr gemocht“, erinnert sich Willrodt. „Bei Einsätzen war ich oft als Erster vor Ort, konnte die Lage erkunden und dann erste Entscheidungen treffen“. Selbst das war dem engagierten Brandschützer, der im Hauptberuf als Schornsteinfegermeister seine Brötchen verdient, zu wenig. Genau zum richtigen Zeitpunkt kommt die Anfrage, ob er sich vorstellen könne, die Jugendfeuerwehr zu leiten. Klare Sache, natürlich kann er das. Und macht’s. „Obwohl das inzwischen Jahrzehnte zurückliegt, meine Zeit als Jugendfeuerwehrwart ist mir am meisten im Kopf“, blickt er zurück. „Wir haben da ganz viel gemacht, waren mindestens drei Tage pro Woche bei der Feuerwehr, viele spannende Zeltlager, Rad- und Kanutouren durch ganz Deutschland, Skifahren in Österreich“. Willrodt gerät ins Schwärmen. Wer zuhört, der spürt, dass er sehr ernst meint, wenn er sagt, was wichtig ist: Den kameradschaftlichen Gedanken stärken, lernen dass man sich aufeinander verlassen kann. „Wenn man 14 Tage irgendwo zusammenleben muss, dann schmiedet das zusammen“.
„Denn Kameradschaft ist in der Feuerwehr extrem wichtig“. Bereits 1995 holt Willrodt das erste Mädchen in die Jugendfeuerwehr. „Das gab erstmal einen Aufschrei“, sagt er mit leichtem Grinsen. „Die Zeit war vielleicht noch nicht ganz reif für diesen Schritt“, so seine Erklärung. Immerhin, gibt er zu bedenken, dass die ersten Löschgruppen, bei denen Frauen mit im Einsatz waren, ebenfalls belächelt wurden. „Kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen“. Was wären wir heute ohne die weiblichen Mitglieder?“ Nach zwölf Jahren will Willrodt eigentlich Schluss machen als Jugendfeuerwehrwart. Schließlich wird er bald 40. Steinalt für diesen Posten. Doch niemand findet sich, der die Aufgabe so übernehmen könnte, wie Willrodt das tut. „Da habe ich eben nochmal sechs Jahre drangehängt. Denn das ist so eine befriedigende Aufgabe“, schwärmt er, „mitzuerleben und zu helfen, wie sich Jugendliche entwickeln bei und durch die Feuerwehr“. Sie dann weiter zu sehen, wie die sich später im aktiven Dienst bewähren. Wichtig ist Willrodt, Menschen mit Behinderungen aufzunehmen. Selbst wenn die Integration in den aktiven Dienst im Einzelfall schwierig oder gar nicht möglich ist. Doch für junge Leute mit Behinderung sei es oft das Größte, Teil der Jugendfeuerwehr zu sein. „Aber auch für die ganze Gruppe, die passen auf. Da wird Kameradschaft gelernt“. Trotz aller Begeisterung, nach 18 Jahren muss endlich Schluss sein als Leiter der Jugendfeuerwehr. Längst hat sich herumgesprochen, dass Willrodt für die Feuerwehr brennt. Schnell wird klar, dass er der Richtige ist für eine neue Herausforderung. 2007 tritt er als Gemeindewehrführer in die Fußstapfen von Hugo Schneekloth, absolviert die erforderlichen Zusatzausbildungen in Einsatzzug-, Feuerwehr- und Verbandsführung, leitet einige größere Einsätze, bei denen beide Feuerwehren aus Alt- und Neuheikendorf ausrücken. Zudem setzt er sich zwei Ziele: „die veraltete Ausstattung beider Wehren soll auf Vordermann gebracht. „Das ist zwar gelungen, war aber nicht leicht“, betont Willrodt, „vor allem die Gemeindevertreter zu überzeugen, gestaltete sich oft sehr mühsam und war nur möglich dank gemeinsamen Verhandelns mit beiden Wehrführungen“, sagt er bescheiden. Willrodt verfolgt ein zweites Ziel: Umstrukturierung.
Will heißen: Künftig soll es nur noch eine Feuerwehr in Heikendorf geben, mit einer einzigen Wehrführung. „Auch wenn ich persönlich nicht mehr Gemeindewehrführer werde, bin ich froh, dass ich für diese langfristige Veränderung wichtige Entscheidungen in die Wege leiten konnte“. Sie wird noch viel Zeit benötigen. „Wichtig ist, dass man alle rund 170 Kameraden einschließlich Altersabteilung und Jugendfeuerwehr mitnimmt. Das ist eine interessante, aber verantwortungsvolle Aufgabe“, für die sich nun ein Nachfolger einsetzen darf, und muss. Denn auf der Jahresversammlung will Willrodt sich nicht wiederwählen lassen. Doch nicht Trauer, sondern Dankbarkeit wird spürbar. „Feuerwehr ist mein einziges Hobby“, sagt er. In der Rückschau nach 50 Jahren aktiven Engagements sieht er Tugenden, die sich bewährt haben. Vor allem die Tugend der Kameradschaft habe sich nicht verändert. „Ansprüche der Bevölkerung dagegen schon“, wirft er nachdenklich ein. „Heutzutage rufen Menschen in der Leitstelle an, für echte Kleinigkeiten, wo man sich früher selbst geholfen hat“. Das mache das freiwillige Engagement zunehmend herausfordernder. „Zumal immer mehr Leute meinen, dass wir Geld mit unserer Arbeit verdienen“. Auch Einsätze durch Wetterschäden nähmen zu, vor allem zeitintensive, die die Feuerwehr mitunter mehrere Tage lang in Atem halten. Erschwerend hinzu käme, dass die Schere zwischen steigendem Einsatzaufkommen einerseits und Verfügbarkeit der Feuerwehr stets weiter auseinanderdriftet. Etliche verändernde Herausforderungen, denen der nächste Gemeindewehrführer begegnen wird. Doch wenn Willrodt die Verantwortung nun in jüngere Hände legt, darf man sicher sein, dass er der Feuerwehr verbunden bleiben wird.