Bürgerentscheid verfehlt notwendige Stimmzahl
Eutin (aj). Die Bürgerinitiative „Rettet die Blaue Lehmkuhle“ ist mit dem Vorhaben gescheitert, entgegen der aktuellen Beschlusslage die Blaue Lehmkuhle als Grundschulstandort zu erhalten. Die Initiator*innen waren angetreten, um den Bau eines Schulzentrums für beide städtische Eutiner Grundschulstandorte einschließlich der Offenen Ganztagsschule und der Förderzentren aus Eutin und Bad Schwartau zugunsten einer kleineren Lösung, bei der nur für den Standort See und die Förderzentren neu gebaut worden wäre, zu verhindern.
Am vergangenen Sonntag waren 14.481 Wahlberechtigte aufgefordert, über die Fragestellung „Soll der Grundschulstandort ,Blaue Lehmkuhle‘ der Gustav-Peters-Schule entgegen des Beschlusses der Stadtvertretung vom 22. Mai 2024 erhalten bleiben?“. Um das notwendige Quorum zu erreichen, hätten 2.897 Menschen mit „Ja“ stimmen müssen. Diese Marke wurde denkbar knapp verfehlt: Am Ende standen 2.848 Ja-Stimmen 1.065 Nein-Stimmen gegenüber, somit hatte sich zwar eine deutliche Mehrheit derer, die von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht hatten, der BI angeschlossen, es war aber nicht gelungen, genügend Menschen für den Urnengang zu mobilisieren. Die Wahlbeteiligung lag bei 27,2 Prozent.
Um 19.58 Uhr endete mit der Übermittlung der Zahlen aus dem letzten Abstimmungsraum in der Kreisverwaltung ein echter Wahlkrimi. Vertreter*innen von SPD, Grüne und Freien Wählern waren ebenso zur öffentlichen Präsentation der Ergebnisse in die Mensa des Förderzentrums gekommen wie Mitglieder der CDU. Mit Oliver Martins von der Gustav-Peters-Grundschule und Sören Bellmer vom Förderzentrum waren auch zwei Schulleiter vor Ort. Die Bürgerinitiative saß zur selben Zeit zwei Fußminuten entfernt im „Brauhaus“ und verfolgte dort gemeinsam mit FDP, CDU und dem Bündnis Eutin die spannende Auszählung. Und während mit der Verkündung der letzten Zahlen Erleichterung auf den Gesichtern der Campus-Befürworter*innen abzulesen war, sprach die erste Reaktion von Nina Bendfeldt, die die BI auf ihren Weg gebracht hatte, Bände: „Das darf doch nicht sein!“ lautete ihre erste Nachricht. Verständliche Enttäuschung nach Wochen voller Arbeit und Einsatz.
Bürgermeister Sven Radestock, der die Auszählung in der Mensa moderierte, ordnete das knappe Ergebnis umgehend ein: „Bei einer Wahl zählt jede Stimme. Jetzt kommt es darauf an, ruhig, sachlich und konstruktiv zusammenzuarbeiten“, mahnte der Verwaltungschef. Manfred Meier, Ortsvorsitzender der CDU, stellte genau diese Zusammenabriet in Aussicht: „Wir haben ein Ergebnis und das akzeptieren wir natürlich“, sagte der ehemalige Schulrat und führte aus: „Ich gehe davon aus, dass nun der Beschluss umgesetzt wird und wir anfangen zu bauen. In jedem Fall hat die Schule eine neue Linie.“ Die Stadtvertretung müsse eine moderatere Tonlage finden. Gespannt sei er auf die Reaktion der Bürger. Wolfgang Nittritz von der CDU-Fraktion gab sich enttäuscht von der geringen Wahlbeteiligung. Gleichwohl versicherte auch er: „Wir haben eine Entscheidung, jetzt geht es los und gut!“ Gerade wenn es um die Konsolidierung des Haushalts gehe, müsse man als Stadtvertretung mehr in eine Richtung arbeiten.
Der Wahlabend ließ diesen Zusammenhalt zunächst vermissen. Schon die getrennten Örtlichkeiten sprachen für sich. Aber die BI gab sich als faire Verliererin: „Sieg und Niederlage liegen nah beieinander. Es traurig, dass es an so wenigen Stimmen lag“, kommentierte Nils Prehn von der BI den Ausgang. Abgehakt ist das Thema Schulentwicklung damit für ihn aber nicht: „Wir werden ein Auge darauf haben und werden genau hinschauen, dass zum Beispiel beim Verkehrskonzept eingehalten wird, was versprochen wurde.“ Man sei in das Thema eingearbeitet: „Jetzt werden wir den Prozess konstruktiv begleiten“, so Prehn. Seine Erwartung an die Politik formulierte er klar: „Die Betroffenen müssen einbezogen werden.“ Einen Einstieg in die Kommunalpolitik konnte er sich aber zunächst nicht vorstellen, ebenso wenig wie Mitstreiterin Sonja Kripke: „In einer Demokratie sind nicht alle einer Meinung. Wie wir zum Teil behandelt worden sind, dass man uns nicht die Hand gegeben, uns angeschrien und böse anguckt hat, fand ich menschlich nicht gut“, unterstrich sie und setzte nach: „Ich möchte nicht, dass Eutin gespalten wird!“ Nils Prehn pflichtete ihr bei: „Wir sind eine Kleinstadt!“
Matthias Rachfahl, Fraktionsvorsitzender der CDU, blieb zurückhaltend, was die nächsten Schritte anbelangt: „Es gibt eine klare Entscheidung, dennoch muss man gucken, wie man die 60 Millionen zusammenkriegen will.“ Er sei auf die Lösungen gespannt: „Ich sehe sie nicht.“ Das knappe Ergebnis zeige für ihn die Zerrissenheit in der Stadt. Für Marius Winkler von der FDP steht hinter der Abstimmung die Mahnung, „nicht einfach weiterzumachen“. Olaf Blanck, Bündnis Eutin, versteht den Bürgerentscheid „als repräsentative Umfrage“. Für ihn steht fest: „Die Mehrheit der Eutiner wollen das nicht.“ Welche Konsequenz sei damit verknüpft? „Den Beschluss zu ändern!“
„Triumphgefühl verbietet sich“
Zwischenzeitlich waren auch SPD, Grüne und Freie Wähler ins Restaurant gewechselt. Bei „Ramazan“ besprachen sie den Bürgerentscheid und mögliche Folgen. Uwe Tewes räumte ein, dass man Glück gehabt habe angesichts des knappen Ausgangs: „Man hat gemerkt, dass viele für die BI gestimmt haben, aber das Ergebnis stellt das nicht infrage.“ Den hohen Anteil der Nichtwähler*innen brachte die Grüne Monika Obieray ins Spiel: „Wie man das bewerten will, ob als Desinteresse oder Vertrauen in uns als Stadtvertretung, sei dahingestellt.“ Es sei gut, nun Planungssicherheit zu haben: „Jetzt müssen wir ganz schnell beginnen, an einer guten Lösung zu arbeiten“, meinte sie. Dabei hoffe man darauf, dass die BI-Aktiven sich einbrächten. „Triumphgefühl verbietet sich!“ stellte sie klar. Sonja Wirges von den Freien Wähler weiß aus eigener Erfahrung, wieviel Arbeit hinter einem Bürgerentscheid steckt: „Die BI hat viel geschafft“, sagte sie anerkennend. Als Ziel gab sie vor: „Eine zukunftsfähige Schule für alle am See und eine Perspektive für die Wisserschule.“ Zum offensichtlichen Riss, der die Arbeit der Stadtvertretung derzeit hemmt, äußerte sich die Grüne Dr. Kristin Schwartau: „Ich sehe mich als Demokratin und Argumente sind das, was die Demokratie ausmacht. Die sachliche Ebene zählt, nicht Emotionen.“ Von der BI wünsche sie sich nun Mitarbeit: „Wir nehmen die Ängste ernst, es darf nicht vom Tisch sein, wenn Menschen sich Sorgen machen.“ Monika Obieray schlug gleichfalls versöhnliche Töne an: „Nach Weihnachten werden wir eine Einladung aussprechen, wir wissen alle, dass es ein Verkehrskonzept braucht!“
Zufrieden nach Hause fuhr Schulleiter Oliver Martins: „Ab jetzt können wir endlich anfangen zu planen!“ Er sei froh, dass es die Möglichkeit gegeben habe, Eltern zum Beschluss zu befragen. Nun müsse das Ergebnis akzeptiert werden: „Wir haben ein Fundament, auf dem wir pädagogisch arbeiten können“, stimmte sein Kolleg Sören Bellmer zu. Beide setzen darauf, dass nun die Sachebene in den Vordergrund tritt. Im nun beginnenden Prozess würden auch die Perspektiven der BI in den Blick genommen: „Auch die Ja-Argumente sind wichtig“, brachte es Sören Bellmer auf den Punkt.