Per Mini-Praktikum Berufsluft schnuppern
Eutin (vg). Berufsorientierung wird an der Wilhelm-Wisser-Gemeinschaftsschule (WWS) in Eutin großgeschrieben. Da insbesondere der Kontakt in die reale Berufswelt eine wichtige Rolle spielt, ist das Projekt „Azubi-Schüler“ zur festen Institution geworden: Auf rein freiwilliger Basis begleiten Schüler des 9. und 10. Jahrganges Auszubildende oder junge Mitarbeiter in Kooperationsbetrieben zwei, drei Tage lang vor Ort. Im Rahmen dieses Mini-Praktikums erhalten die Schüler quasi auf Augenhöhe Einblicke in berufliche Tätigkeiten.
Das Projekt ist seit 26 Jahren ein Erfolgsmodell. „Auch diesmal sind wir wieder durch die Klassen gegangen, haben Projekt und teilnehmende Firmen vorgestellt und Bewerbungsbögen verteilt“, berichtet Lehrerin Luisa Ziplinsky, die die Aktion zusammen mit dem Koordinator der Berufsorientierung an der WWS, Benjamin Groß, betreut. Letztendlich haben sich elf Freiwillige gemeldet, die später aber zu Multiplikatoren werden. Denn bei einem großen Präsentationstag am 20. März in der Schule stellen die Teams ihre Erfahrungen und Fakten über den jeweiligen Ausbildungsberuf den Altersgenossen in Kurzvorträgen vor.
In diesem Jahr wurden die Regeln ein bisschen gelockert. So müssen nicht alle Unternehmen, die sich später in der Schule präsentieren, auch einen Schüler aufnehmen. „Manche Firmen oder Behörden schaffen es aus betrieblichen Gründen diesmal nicht, einen Praktikumsplatz anzubieten und beteiligen sich bei der nächsten Aktion wieder intensiver“, erläutert Benjamin Groß. Außerdem werden nicht mehr alle Schüler der 9. und 10. Klassen dazu verdonnert, alle Vorträge zu hören. „Sie können sich künftig einige Vorträge wie Wahlpflichtkurse selbst auswählen.“
Am 10. Dezember stand jedoch zunächst zum Auftakt das große Kennenlernen auf dem Programm. Der 15-jährige Conner Uchneytz zum Beispiel setzt auf einen technischen Beruf und wird bei der Kendrion Kuhnke Automation GmbH in Malente in den Beruf des Industriemechatronikers hineinschnuppern. „Ich habe bereits ein Praktikum in einem Kfz-Betrieb gemacht und dachte, das könnte passen.“ Ausbilder Jörn Räther freut sich über jeden, der für dieses Berufsbild und das Unternehmen Interesse zeigt. „Viele wissen gar nicht, was für Produkte wir herstellen.“ Die Spannweite reicht von Dentaltechnik über Teile für den Flugzeugbau bis hin zu Maschinen für die Verpackungsindustrie. Zusammen mit Azubi Oliver Herdt wird sich Conner einen Überblick verschaffen und dabei auch selbst in der Ausbildungswerkstatt tätig werden, verspricht Räther. „Wir nehmen seit sehr langer Zeit an diesem Projekt teil und haben tatsächlich dadurch auch Auszubildende rekrutieren können. Manche, die zunächst als Schüler mit uns bei diesem Projekt am Tisch saßen, haben später als Azubi teilgenommen.“ Solche Erfahrungen konnte Zahnarzt Robert Malenke noch nicht machen. Er nimmt mit seiner Eutiner Praxis „Zahnerhaltung Malenke“ erstmals am WWS-Projekt teil und freut sich, mit Mariella Oelbeck (16) und Celina Weinzierl (15) gleich zwei Schülerinnen gefunden zu haben, die sich für die Arbeit rund um den Zahn interessieren. „Es ist mutig, als ,Zugpferde’ für alle anderen Schüler diesen Schritt zu machen“, lobt der Mediziner die Mädels. In der Natur der Sache liegt, dass die beiden Schülerinnen in der Zahnarztpraxis relativ wenig selbst Hand anlegen dürfen. Aber von Ausbildungsleiterin Franziska Einfalt erhalten sie genaue Informationen über Workflow und Berufsbild. Schon beim Kennlerngespräch erfuhren die Mädchen zum Beispiel, dass Gebissabdrücke längst überholt sind. Bei Malenke arbeitet man rein digital und scannt die Kauwerkzeuge mithilfe eines Dental-Scanners, der wie eine elektrische Zahnbürste in den Mund eingeführt wird.
Die Experten hatten das Gerät dabei und erklärten die Funktionsweise. Dass die Praxis Malenke an dem Schulprojekt teilnimmt, hat auch mit dem Mangel an Nachwuchskräften zu tun. „Vor diesem Problem stehen eigentlich alle Praxen. Wenn wir jetzt nicht proaktiv auf die jungen Menschen zugehen, dann weiß ich nicht, wie wir in Zukunft Auszubildende bekommen wollen. Die Wisser-Schule bietet ein super Projekt an, das man nutzen sollte“, meint Robert Malenke.
Neben den beiden genannten Unternehmen nehmen auch die Firmen TimberTec, Holzbau Baumgart, Cobobes, Bremer und Schröder Bestattungen sowie die Eutiner Zahntechnik, die Sparkasse Holstein, das Straßenbauunternehmen AMW Stamer, die Landespolizei und die Stadt Eutin am Projekt teil.