Reporter Eutin

Die Faszination der „vergessenen Orte“ Eutins

Eutin (cb) Was sind eigentlich „Lost Places“, also „vergessene Orte“? Und gibt es solche Plätze in Eutin, die in dem Kalender „Eutin in alten Ansichten“ gewürdigt werden können? Diese Fragen stellten sich Regine und Karlheinz Jepp vom Büro für Eutiner Stadtgeschichte, bevor sie sich mit der Erstellung des Kalenders für 2026 befassten. Und sie fanden Antworten auf ihre Fragen. Es sind Bauwerke oder Plätze, die im Zusammenhang mit ihrer eigentlichen Nutzung in Vergessenheit geraten sind.
„Wenn wir für den Kalender mindestens sieben Ideen zu einem bestimmten Thema haben, dann geht es los. Zu den vergessenen Orten in und um Eutin haben wir schließlich so viele gefunden, dass es glatt noch für einen weiteren Kalender reicht“, freute sich Regine Jepp bei der Vorstellung der 32. Auflage des Kompendiums der Eutiner Stadtgeschichte, bei dessen Erstellung auch dieses Mal Elke Kock und Aloysius Kroll redaktionell unterstützt haben.
Es sind in Eutin nicht nur Ruinen am Stadtrand, berichtete das Ehepaar Jepp, sondern auch Orte, die längst überbaut sind, ihren ursprünglichen Sinn verloren haben oder gänzlich in Vergessenheit geraten sind. Aber durch eine umfangreiche Recherche der beiden Stadthistoriker in alten Zeitungen, Erinnerungsalben und persönlichen Gesprächen entstanden auf dreizehn Rückseiten des Kalenders die kurzweilig erzählten Geschichten, mit denen sie nun zu einer spannenden Zeitreise einladen können.
Das Titelblatt zeigt den belebten Marktplatz in den 1950er Jahren. Aber wer weiß, dass sich an der Twiete zur Stolbergstraße ein eher unscheinbares Haus befindet, in dem es einen Brunnen gibt, der einiges über das Leben im Haus berichten kann. Denn er diente den Bewohnern auch als Abfallschacht und Versteck zugleich und birgt daher einige Geheimnisse.
Dass es auch in Eutin hinter der Peterstraße, auf dem heutigen Parkplatz „Segenhörn“, einst eine Reeperbahn gab, erzählt das Januarblatt. Eigentlich wird im Februar gleich über zwei Lost Places berichtet. Allerdings wird vor allem die Geschichte der Wieseschen Windmühle erzählt. Sie ist 1927 abgebrannt und machte damit Platz für die alte Jugendherberge Eutins, die auch schon lange außer Dienst ist. Der März rundet das erste Quartal des Jahres mit einem Bericht über das Gasthaus zum Uglei ab, in dem sich viel Historisches ereignet hat.
Das zweite Quartal beginnt mit einem vergessenen Ort, den es heutzutage immer noch zu bewundern gibt. Der Kaiser-Wilhelm-Turm fristet nunmehr an der Landstraße zwischen Eutin und Malente sein eher trauriges Dasein, denn alle Sanierungspläne sind bisher kläglich gescheitert. Der Mai befasst sich nicht nur mit den Feier- und Tafelsitten der herzoglichen Familie, sondern vor allem auch mit dem Aufwand, der es ermöglichte, Obst, Gemüse und andere Lebensmittel in einem Eiskeller im Schlossgarten kühl zu halten. Viele Eutinerinnen und Eutiner können sich noch an die Lebensmittelmärkte Parco, COOP oder Sky am Markt erinnern. Aber was in der allerjüngsten Gegenwart auch als Impfzentrum genutzt wurde, war einmal der im wahrsten Sinne des Wortes tonangebende Ort Eutins, das Schloss-Hotel. Mit einem Bericht über die Eröffnung des 1908 erbauten Hauses befasst sich der Kalender im Juni.
Sie ist die Wiege Eutins – die Fasaneninsel. Und doch kennen die meisten Menschen sie nur aus der Ferne. Das Kalenderblatt im Juli gibt jedoch einige erhellende Informationen zu diesem Lost Place. Ebenso unbekannt ist vielen Bürgerinnen und Bürgern das Geheimnis um den Stadtgraben, zu dem es im August einige interessante Erklärungen gibt. Wo heute eine große Autowaschanlage an der Plöner Landstraße in Neudorf steht, befand sich bis in die 1970er Jahre die Gaststätte Moser. Mit deren bemerkenswerter Geschichte geht das dritte Quartal zu Ende.
Das Oktoberblatt weiß einiges über die Geschichte und den früheren Zustand des Eutiner Bahnhofs zu berichten, der heute nur noch eine Haltestelle wie jede andere ist. Wer in unseren Tagen an der Eutiner Schwimmhalle, dem Kirsten-Bruhn-Bad spazieren geht, kann sich sicher nicht vorstellen, dass dort Mitte des 19. Jahrhunderts das erste Eutiner Industriegebiet war. 1855 wird hier am Großen Eutiner See für die Versorgung des Ortes die Gasanstalt errichtet, deren Geschichte Thema im November ist. Zur Zeit baut die Kreisverwaltung dort ein neues Bürogebäude, wo einst das Eutiner Gefängnis seinen Platz hatte. Das 1836 erbaute und 1965 abgerissene Haus erlangte besonders im Nationalsozialismus seinen Schrecken. Die Hintergründe dazu erläutert das Dezemberblatt zum Jahresende.
„Es ist sehr wertvoll, dass durch den Kalender Jahr für Jahr ein Verständnis für die Geschichte Eutins und auch darüber hinaus vermittelt wird“, lobte der Eutiner Stadtarchivar Jakob Sperle die wertvolle Arbeit von Regine und Karlheinz Jepp. Bürgermeister Sven Radestock freut sich, dass die Stadt für die Geburtstagskinder ab dem 90. Lebensjahr und Ehepaare ab der goldenen Hochzeit so ein besonderes und nachhaltiges Geschenk hat. „Mit dem Kalender kommt man sehr schnell in ein gutes Gespräch, weil sich viele ältere Mitmenschen in manchen Fotos und Geschichten wiederfinden“, resümierte Radestock.

Weitere Nachrichten aus Eutin am Mittwoch

UNTERNEHMEN DER REGION

Meistgelesen