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Wenn das Recht Schule macht

„Der Ausflug ins Gericht war bisher unser coolster“, sagt Joris (re.) und Ismail und Philipp (li.) stimmen zu, zur Freude von Richterin Anja Farries und Lars Steinmann.

„Der Ausflug ins Gericht war bisher unser coolster“, sagt Joris (re.) und Ismail und Philipp (li.) stimmen zu, zur Freude von Richterin Anja Farries und Lars Steinmann.

Bild: A. Jabs

Eutin (aj). Der Kalender der Leiterin eines Amtsgerichtes ist in der Regel gut gefüllt. Für diesen Termin aber hat sich Anja Farries gern Zeit genommen, das ist der Richterin anzusehen: Freundlich, offen, dynamisch steht sie vor dem Rechtskurs des neunten Jahrgangs der Eutiner Voß-Schule. Eine Doppelstunde lang wird sie mit den Jugendlichen eine Gerichtsverhandlung nachbereiten, der der Kurs eine Woche zuvor beigewohnt hat. Der Fall, über den es zu urteilen galt, hatte es in sich: Ein Familienvater musste sich für den Besitz von 100 Gramm Kokain und 2 Kilogramm Haschisch verantworten. Drei Stunden dauerte es, bis Anja Farries ihr Urteil verkündete: „Und während der gesamten Verhandlung waren die Jugendlichen leise und konzentriert“, sagt die Juristin. Nicht das einzige Mal, dass sie beeindruckt ist. Das Engagement und die klugen Gedanken des Kurses wird sie im Verlauf der Gespräche noch öfter loben.
Mit Beobachtungszetteln haben die jungen Menschen den Weg von der Anklage bis zum Urteilsspruch verfolgt. Anhand dieser Notizen und anschließender Recherchen entspinnt sich ein reger Austausch über die Frage danach, wie man zu einem gerechten Urteil findet. Das komplexe, ausbalancierte System der Rechtsprechung wird im Verlauf der Doppelstunde entfaltet, geklärt werden die Rollen und Funktionen von Schöffen, Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht, erarbeitet wird, warum die Öffentlichkeit so wichtig ist. Zudem gibt Anja Farries Einblicke in ihr Berufsfeld, beantwortet Fragen: „Haben Sie schon mal ein Urteil bereut?“ – „Nein!“, „Ist die Situation im Gerichtssaal schon eskaliert?“ – „Ich verschaffe mir von vornherein Respekt, Käppi und Kaugummi gehören nicht in den Gerichtssaal.“, „Welche besonderen Fälle gab es?“ – „Wenn Kinder von Gewalt betroffen sind, ist es immer besonders schlimm, aber auch das muss man sauber abarbeiten.“
So ermöglicht Schule die unmittelbare Begegnung mit dem Konzept des Rechtsstaates und genau das ist die Idee hinter dem Projekt „Recht. Staat. Bildung“, das den Rahmen für die Exkursion zum Amtsgericht setzt. Ziel des Programms von Justizministerium, Bildungsministerium und dem Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (lQSH) ist es, den Rechtsstaat erlebbar zu machen. Eine wertvolle Ergänzung für den Unterricht im Rechtskurs: „Das Wissen wird im Kurs immer mit dem Alltagsleben verknüpft, vom konkreten Beispiel aus kommt man dann auf die Abstraktionsebene“, sagt Lehrer Lars Steinmann, der Philosophie und Wirtschaft/Politik unterrichtet und seit sechs Jahren den Wahlpflichtkurs „Recht“ anbietet. Was Schule an dieser Stelle bewirken kann, schätzt Anja Farries hoch ein: „Gerade in der heutigen Zeit ist kaum etwas wichtiger, als Rechtsstaatlichkeit in den Fokus zu rücken“, meint sie nachdrücklich. Ihr eigener Weg ins Richterinamt nahm übrigens auch in einem Klassenraum seinen Anfang: „Im Philosophieunterricht habe ich mir das erste Mal bewusst Gedanken über das Recht gemacht“, erinnert sie sich.

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