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800 Jahre Klosterdörfer: Mittelalterliche Wasserwege, Handel und Wandel

Preetz/ Kreis Plön (los). Als Dreh- und Angelpunkt des Jubiläumsjahrs der Klosterdörfer gilt eine im Schwentinentaler Rathaus ausgestellte mittelalterliche Urkunde des Jahres 1224. Die lateinisch verfasste „Verleihung einer Reihe von Dörfern an das Preetzer Kloster“ legt fest: „Der zehnte Anteil soll dem Probsten beziehungsweise dem Bischof gegeben werden.“ Auf diesen Inhalt bezieht sich das Jubiläum „800 Jahre Klosterdörfer“.
Bereits Ende Januar ging Historiker Professor Detlev Kraack aus Plön in einem Vortrag in Schwentinental als Auftaktveranstaltung im Jubiläumsjahr auf diese erste urkundliche Erwähnung Raisdorfs Anno domini 1224 ein – obwohl der heutige Ortsteil Raisdorf damals weder so hieß, nämlich Radwardesthorp, noch sich an seinem heutigen Platz befand.
Auch der Ortsteil Klausdorf wird in der Urkunde genannt. Doch hieß er zur Zeit der Urkundenfertigung nicht Klausdorf, sondern Vruwenhuthe.
Eine ähnliche Schreibweise findet sich mitunter auch für Flemhude, dann -huthe geschrieben. Diese am See errichtete Kirche nutzten flämische Händler in der Hanse-Zeit als Kaufmannskirche und Warenlager an einem Stapelplatz.
Die Seefahrer fuhren entlang der Nordseeküste bis Eiderstedt und Eider-aufwärts Richtung Westensee. Ein kurzer Weg führte zur Förde, wo die Waren weiter über die Ostsee verschifft werden konnten. Das neu gegründete Kiel erhielt 1242 die Stadtrechte. Doch bevor Kiel ab den 1230-er Jahren planmäßig aus dem Boden gestanzt wurde, existierte bereits Vruwenhuthe als Anlege- und Stapelplatz an der Schwentine.
Und noch einen Aspekt hebt Kraack heraus: In alten Quellen aus katholischer Zeit hat der Ausdruck „Vruwen“ häufig Bezug auf die angebetete Muttergottes Maria, „unserer lieben Vruwen“ - was beim Preetzer Klosternamen „in campo beatae Mariae“ in lateinischer Sprache ausgedrückt wurde. Dieser Name fällt in die Zeit vor 800 Jahren, als die Marienverehrung hoch im Kurs stand. Preetz hätte demnach durchaus auch zu einem Flecken namens „Marienfelde“ werden können.
So oder so: Neben Flemhude handelten offenbar auch die frühen Klausdorfer dank ihres günstig gelegenen „Hude-Ortes“ unweit der Schwentine-Mündung. Mutmaßlich taten sie es auch flussaufwärts mit dem Markflecken Plön, den man mit dem Boot gut erreichen konnte. Und der als solcher 1236 durch die Verleihung des Lübschen Stadtrechts auch noch an Bedeutung gewann.
Währenddessen war die Stadt Kiel vis-à-vis der Schwentine-Mündung im Werden, natürlich auch mit eingeplanter Kirche – doch laut Deutscher Stiftung Denkmalschutz wurde diese zentrale Bauwerk auf der damaligen Halbinsel erst 1242 begonnen. Ihr Name St. Nicolai verweist wie das Plöner Pendant auf den Schutzpatron der Kaufleute und Seefahrer. Die Bewohner von Vruwenhuthe waren diesem Kirchbau allerdings mit ihrer Kapelle St. Nicolai ein paar Nasenlängen voraus – woraus sich schließen lässt, dass hier via Seefahrt Handel getrieben und zwischengelagerte Waren „gehütet“ wurden – daher „-huthe“. Der Heilige Nikolaus hat an der Schwentine offenbar so nachhaltig gewirkt, dass der Name Vruwenhuthe in Vergessenheit geriet und die Bezeichnung „Klausdorf“ als eingedampftem Nikolaus sich durchsetzte. Mutmaßlich auch wegen der Stadt Kiel, die als größere Seestadt an der nahen Förde den kleinen Hude-Ort in den Schatten stellte. Zudem konnten hier größere Schiffe auf Reede liegen.
Kiels älteste Straßen deuten die Durchmischung bezüglich der Herkunft seiner Bewohner an: Friesen, Kehdinger und Flamen scheinen hier auf Durchgangsreise oder seßhaft geworden zu sein.
Zur Zeit von Vruwenhuthe gab es die Stadt Kiel noch nicht, vielleicht aber eine Siedlung auf der günstig gelegenen Halbinsel, an der sich nach Norden der Dänische Wohld anschließt. Eine Reihe von Siedlungen gab es im Einzugsgebiet der Schwentine, wie die die Urkunde von 1224 aufzeigt. Nur Raisdorf nicht – denn Deutsch-Radwardesthorp, wie es damals hieß, habe sich in Lehmkuhlen im Bereich Sophienhof befunden, so Detlev Kraack.
Die Aufzählung der Orte streicht bekannte Namen heraus: Wahlstorf an der Bungsbergschwentine, Kühren an der Alten Schwentine, Nettelsee alias Riquardescampe fallen auf, letzterer Ort im Gebiet der Nettel-Au, die früher Mühlen antrieb, also mehr Wasser führte und daher auch mit für Binnengewässer gebräuchlichen Flachkähnen befahrbar war. Löptin und seine später niedergelegten Nachbarorte Rothen und Bardenbeke sind unter anderem benannt sowie Postfeld, Sieversdorf und Pohnsdorf am Ufer des Postsees.

Spolesthorp.
Radesthorp. item Radesthorp.
Mistesthorp. Skervesthorp.
Radwardesthorp. torente. Walesthorp.
Kuren. item Kuren.
Rothen. Libetine. Bardenbeke.
Riquardescampe. Bistekesse.
porsvelde. Sivredesthorp. ponatesthorp. ||
vruwenbrugge. vruwenwisc. vruwenhuthe.
Ebbenthorp.

Siedler sind von sogenannten Lokatoren zur „Landnahme“ angeworben worden, erläutert Detlev Kraack. Diese Landnahme war bereits fortgeschritten und wurde auch gefördert, als es Dänemark um 1202 gelang, sich die Herrschaft zu sichern.
Bis dahin galt die Eider als Grenzfluss zum dänischen Herrschaftsgebiet.
Die Herrschaft der Dänen endete 25 Jahre später mit der Entscheidungsschlacht 1227 bei Bornhöved. Doch bevor es soweit war, hatte zunächst Graf Albrecht von Orlamünde den Hut auf und setzte das von den Schauenburger Grafen angeschobene Projekt des Landesausbaus fort. Als Statthalter (da Neffe) des dänischen Königs Waldemar beauftragte er einen Gefolgsmann, Marquard von Stenwer, mit der Landnahme.
Urkundlich verbrieft sei, so Kraack, dass Orlamünde im Jahr 1216 seinem Lokator Marquard von Stenwer das heute so genannte Gebiet „Probstei“ überließ.
Dieser Bereich an der Küste gehörte 1216 noch nicht dem Preetzer Kloster (das sich auch noch nicht an seinem heutigen Platz an der Schwentine befand). Vielmehr war es nun der Besitz von jenem Marquard, der das Gebiet erschließen sollte. Denn das Ergebnis der Urbarmachung, angefangen bei der Waldrodung, versprach ein gutes Einkommen. „Abgaben waren für einen Adeligen das A und O“, bringt es Kraack auf den Punkt.
Allerdings war von Stenwer nach dem Machtwechsel 1225/1227 auch bald wieder los und Graf Adolf IV von Schauenburg schenkte die Dörfer der „Probstei“ dem Preetzer Kloster. Doch zur Zeit der Dänen hatte Orlamündes Lokator und Gefolgsmann von Stenwer dort die Regie.
1222 habe Orlamünde eine Urkunde ausgestellt, die das Kloster Preetz betrifft: Das Nonnenkloster erhält die westlich von Preetz gelegenen „Walddörfer“. Diese Stiftung zeigt eine Besitzerweiterung für einen demnach bereits bestehenden Konvent auf, von dessen Gründung kein Dokument mehr existiert. Ortsnamen fallen nicht. Der Hinweis auf Wald deutet eine dichte Bewaldung an.
1224 stellte dann Bischof Bertold von Lübeck jene Urkunde aus, in der er den Benediktinerinnen „den Zehnten an den von Albrecht von Orlamünde verliehenen Besitzungen schenkt“ - es handele sich hierbei um die Ersterwähnung der Schwentine-Dörfer, hebt Detlev Kraack hervor. Sie wurde am 9. Dezember des Jahres ausgestellt. In den beschriebenen Grenzen wird deutlich: Das Klostergebiet reichte bis Moorsee, Hassee und Manhagen – laut der Topographie von Schröder & Biernatzki aus dem Jahr 1855 lag Manhagen im Bereich Winterbek in Kiel (wo das Kirchspiel Flemhude endet). Auch die Eider wird als Grenze genannt.
In der Gegenrichtung nach Plön scheint „torente“, also Trent in der Gemeinde Lehmkuhlen, den Gegenpart zu bilden, und Wahlstorf. Ansonsten reihen sich die Dörfer an den wichtigen Fließgewässern aneinander – Mobilität und Mühlenwesen waren eben wichtige Aspekte einer funktionierenden Wirtschaft, die für einen Konvent die existenzielle Grundlage bedeutet hat.
Im gleichen Zeitraum war auch im Einzugsgebiet von Schwale und Stör sowie der Eider offenbar Vieles in der Region in einen Entwicklungsprozess eingebunden: Albrecht von Orlamünde, Statthalter des dänischen Königs für das Herzogtum Holstein, übertrug 1215 dem an der Schwale gelegenen Augustiner Kloster in Neumünster das Patronat. Die Schwale entspringt bei Gönnebek, in der Nachbarschaft von Bornhöved, wo auch die Alte Schwentine ihre Quelle hat, und wurde für das Mühlenwesen und die Verschiffung von Waren in Richtung Elbe über die Stör genutzt.
Ein Urkunde des Bistums Bremen verrät, dass Brügge an der Eider 1238 bereits eine Pfarrkirche besitzt. Das Kirchspiel hat zu der Zeit riesige Ausmaße. Wattenbek und Eiderstede gehören dazu, auch Groß Buchwald und Bissee am Bothkamper See. Obwohl Bistekesse auch in der Urkunde von 1224 als eines der Klosterdörfer genannt wird. An diesem Ort verlässt die Eider den Bothkamper See an seinem Südufer und mäandert im großen Bogen in Richtung Brügge und weiter Richtung Kiel, wo die Eider kurz vor der Förde gen Westensee abbiegt.
Von dem Ort „To dem Kyle“ versprach sich Graf Adolf VI, der die Stadt zwischen 1233 und 1242 gründete, hansischen Aufschwung (der allerdings ausblieb). In seiner Stiftung an das Kloster Preetz lässt er über seinen Vorgänger nichts mehr verlauten – stattdessen gibt er sich als Gründer des Nonnenkonvents. Der Graf starb 1261 als Mönch im Kieler Marienkloster, seiner Stiftung.
1261 hatte auch das Preeter Nonnenkloster „Marienfelde“ nach mehrmaligen Umzügen seinen endgültigen Platz in Preetz gefunden und begann in den 1260-er Jahren mit dem Bau seiner Klosterkirche.

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