Reporter Eutin

„Mutmachende Power aus Schleswig-Holstein“

Kiel / Kalübbe (mm). Traditionell zeichnet der Bundespräsident beim Neujahrsempfang im Schloss Bellevue Bürger aus, die sich um das Gemeinwohl in besonderer Weise verdient gemacht haben. Dieses Jahr kommen gleich zwei der insgesamt 60 Geehrten aus der Region: Esther Irmer aus Kalübbe und Moritz Dietzsch aus Kiel. Irmer ist Vorsitzende des Selbsthilfevereins „Kieler BrustkrebsSprotten“. Dietzsch ist stellvertretender Vorsitzender im Landesjugendring und Mitbegründer der „ResteRitter“. Wie sie die Veranstaltung erlebt haben, und was die Ehrung für sie bedeutet, erzählten sie dem PROBSTEER.
Bereits am Vorabend begann das Programm mit einer Führung durchs Schloss Bellevue. „Schon diese Vorbereitung war sehr angenehm“, erzählt Esther Irmer, „von Anfang spürte man eine besondere Mischung aus Herzlichkeit und Perfektion“. Ähnlich erlebte das Moritz Dietzsch: „Alles war professionell organisiert, man hat die Würde des Amtes gespürt“, sagt er. Dann der große Tag. „Es war fast wie im Märchen“, schwärmt Irmer, „alles war von außerordentlicher Wertschätzung geprägt, wie ich es so noch nie erlebt habe“. Genauso beeindruckt zeigt sich Dietzsch: „Es ging zunächst zum Defilee, nach alphabetischer Reihenfolge“, erzählt er, „dann liest jemand aus dem Hintergrund vor, was man gemacht hat“. Bei Dietzsch klang das so: „Dietzsch zeichnet sich durch großen Einsatz beim Landesjugendring Schleswig-Holstein sowie in der Pfadfinder-Bewegung aus. Zudem hat er mit zwei Mitstreitern das Projekt „Reste-Ritter“ ins Leben gerufen, um gegen Lebensmittelverschwendung anzugehen“. Die Anspannung steige dann schon ein wenig an, meint Dietzsch, vor allem wenn der Bundespräsident plötzlich vor einem steht. „Das ist wirklich würdevoll, dennoch ist das ein ganz netter Mensch“, berichtet der Mann aus Kiel. So sei das bei allen gemacht worden. „Und mit jedem hat der Bundespräsident ein oder zwei Sätze gewechselt“. Steinmeiers Ehefrau, Elke Büdenbender, habe sich ebenfalls bei allen Geehrten für deren Engage-ment bedankt.
„Ein ganz netter Mensch“
Auch Esther Irmer beschreibt, wie „nahbar und natürlich“ der Bundespräsident den Menschen begegnet. Der Austausch beim Händeschütteln sei zwar „nur kurz ausgefallen“, doch Steinmeier habe ein ehrliches Interesse am besonderen Schleswig-Holsteinischen Engagement für brustkrebserkrankte Frauen deutlich gemacht. Unbekümmert nutzte Irmer die Gunst der Stunde. Schließlich wisse die Politik um die Bedeu-tung der vielen Millionen Ehrenamtlichen in Deutschland. Längst sei allen Politikern klar, dass Ehrenamtler viele staatliche Lücken schließen und den Zusammenhalt im Land stärken, unterstreicht die 50-Jährige aus Kalübbe. „Da habe ich dem Bundespräsidenten als Inspiration einfach mal mit auf den Weg gegeben, dass man vom Ehrenamt lernen könne, dass im Verein immer die beste Idee umgesetzt wird, ganz gleich, von wem sie stammt“. Es gehe um Lösungen und darum, gemeinsam möglichst viel zu bewegen, so ihre Empfehlung an den Bundespräsidenten.
Nach dem offiziellen Defilee sah das „Protokoll“ ein Treffen mit unzähligen Politikern und Vertretern öf-fentlicher Institutionen vor. „Da waren viele, viele Leute“, schmunzelt Dietzsch. „Gefühlt wurden das immer mehr“. Eine hervorragende Gelegenheit sich zu vernetzen, meint er. Auch Irmer packte die Gele-genheit beim Schopf. Kurzerhand vereinbarte sie mit Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig eine Lesung aus dem „Mutmacherinnen“ - Buch im Schweriner Schloss. Mithilfe der Aktion „Power-Impulse für ein Leben mit Brustkrebs“ und dem Buch, das an neu Erkrankte aus Schleswig-Holstein als erster Mutmacher verschenkt wird, möchte sie so ein Zeichen setzen, dass in anderen Bundesländern vergleichbare Initiativen entstehen können wie in Schleswig-Holstein.
Ehrenamt als Lebensaufgabe
Ein gemeinsames Mittagessen mit dem Bundespräsidenten und seiner Frau Elke Büdenbender markierte den nächsten Höhepunkt. „Nur wir 60 Ehrenamtler waren eingeladen, die Politiker durften draußen bleiben“, lacht Irmer. Überrascht habe sie, „dass man bei den Menschen, die sich um die Bewirtung gekümmert hatten, ein „außergewöhnliches Strahlen“ entdecken konnte. „Man hat gemerkt, dass es ihnen Freude macht, uns eine schöne Begegnung zu schenken.“ Den erlebnisreichen Tag und die Auszeichnung erlebe sie als zusätzlichen Motivationsschub. „Die Würdigung ist schön“, fasst sie zusammen, „aber noch viel mehr treibt mich an, wenn ich Frauen wieder lächeln sehe. Ich möchte den Menschen ersparen, dass sie die schlimmen Erfahrungen machen müssen, die ich gemacht habe“, sagt sie entschlossen. Irmer tut das bei den Kieler BrustkrebsSprotten, die neuerkrankten Frauen nach der Diagnose Brustkrebs Mut und Zuversicht schenken. Der Verein wurde 2017 von drei selbstbetroffenen Frauen gegründet und betreut heute mehr als 150 Jungerkrankte in ganz Schleswig-Holstein. Seit 2020 ist Irmer erste Vorsitzende des Vereins und hat in dieser Zeit neben vielen weiteren Aktionen eine Kooperation mit dem Uniklinikum Schleswig-Holstein auf den Weg gebracht. Denn: „Im Zeitpunkt der Diagnose bricht die Welt zusammen“ erzählt Irmer aus eigener Erfahrung. Mit den „OnkoSprotten“ sei man direkt im Klinikum vor Ort, um aufzufangen, zu trösten durch den komplexen Therapiedschungel zu lotsen. Das Engagement des Vereins ist noch umfangreicher. So hilft der der SprottenDraht, eine Telefonseelsorge von Betroffenen für Betroffene. Hinzu kommen klassische Selbsthilfetreffen. Auch Bewegungsangebote aller Art bieten die BrustkrebsSprotten an. Yoga, Zumba, Muddy Angel Run oder Eisbaden stehen genauso auf dem Programm wie Drachenbootfahren. Um die Ehrenamtsinitiative für brustkrebserkrankte in Schleswig-Holstein weiter zu professionalisieren und zusätzliche Förderer für die so wichtige Arbeit zu finden, hat Esther Irmer kürzlich die Gründung der Stiftung Kieler BrustkrebsSprotten auf den Weg gebracht. Die Ehrung beim Bundespräsidenten bildet für die Vereinsvorsitzende das „i-Tüpfelchen“ auf einer Reihe von Auszeichnungen. Bereits 2023 wurde der Verein mit dem „Shine-a-light-Award“ der größten deutschen Krebs-Convention Yes!Con belohnt und erhielt im selben Jahr den „Schleswig-Holsteinischen Bürgerpreis“, der im Dezember 2024 mit dem „Deutschen Engagementpreis“ gekrönt wurde.
Würdigung als zusätzlicher Ansporn
Auch Dietzsch ist dankbar für die Auszeichnung durch den Bundespräsidenten. „Das ist sicher einmalig in meinem Leben“, meint er. Ähnlich wie Irmer empfinde er die Würdigung als sehr wertschätzend. Doch auch er ist überzeugt, dass es allen Geehrten einzig um die Sache geehrt, sich für andere Menschen einzusetzen. Dietzsch ist seit mehr als sechs Jahren stellvertretender Vorsitzender des Landesjugendrings, der als Dachverband aller Jugendverbände mehr als 500.000 Jugendliche vertritt. „Ehrenamtlich bilden wir eine Lobby für alle Jugendlichen, nehmen Stellung zu Gesetzesvorhaben, und setzen uns in vielen anderen Strukturen für eine bessere Jugendarbeit ein“. Bereits bei den Pfadfindern in Schönwalde am Bungsberg hatte sich Dietzsch für verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmittel stark gemacht. Weil ihm dieses Anliegen besonders am Herzen liegt, hat er während seines Studiums die „ResteRitter“ gegründet, die sich gegen Lebensmittelverschwendung einsetzen. Mit einem ehrgeizigen Ziel: Das Problem der Lebensmittelverschwendung soll „unternehmerisch“ gelöst werden. „Betriebswirtschaftlich ist das eine große Herausforderung“, weiß er. Zum anderen wollen die „ResteRitter“ in der Gesellschaft Impulse setzen, verantwortungsvoller mit Lebensmitteln umzugehen. „Dazu gehen wir auch in Schulen, kochen dort gemeinsam mit den Kindern, wollen so das Bewusstsein schärfen“.
Auch wenn die Ehrung kurzfristig nichts an seinem Engagement ändere, sei sie eine zusätzliche Motivation. „Vielleicht werde ich mich daran erinnern, wenn irgendwann eine Durststrecke kommt“, sagt er besonnen. Helfen könnte dabei möglicherweise auch die Vernetzung mit den anderen fünf geehrten Bür-gern aus Schleswig-Holstein. Denn die hatten im Anschluss an den Neujahrsempfang in der Landesvertretung eine weitere Gelegenheit, sich intensiv auszutauschen. „Auch das war eine gute Sache“, erläutert Esther Irmer. „Hier hat man noch einmal deutlich gespürt, wieviel Power in Sachen Ehrenamt aus Schleswig-Holstein kommt“, fasst sie zusammen. Auch das inspiriere weiterzumachen. „Vor allem, wenn man das etwa mit Bayern vergleicht“, meint sie kokett, „die waren mit nur einem einzigen Projekt vertreten“.

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