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Das Flammeninferno
Wie Schneeflockengestöber flogen sprühende Funken her-
um. Brennende Gegenstände wurden durch den Feuersturm
weit durch die Luft geschleudert, fielen auf Häuser, die nicht
in unmittelbarer Nähe des Brandherdes lagen, sodass auch
diese bald in Flammen standen.
Das Feuer war in der mit Korn gefüllten Scheune von Lands-
mann Pemöller in der Fischerstraße ausgebrochen. Bei ei-
nem heftigen Südwestwind wurde es rasch stadteinwärts
getrieben, erfasste bald die angrenzende Brückstraße und
breitete sich bis zum Markt aus. Dort stand die Kirche in hel-
len Flammen, nachdem ihr hölzerner Dachreiter krachend
zusammengestürzt war. Auch das Rathaus fiel dem Feuer
zum Opfer. Während einige Bürger versuchten die Akten,
das Archiv und andere wichtige Unterlagen zu retten, hatte
das Feuer auch die neben der Kirche liegenden Gebäude und
Schulhäuser in Mitleidenschaft gezogen. Der Sturm brachte
immer wieder frischen Sauerstoff in die alles vernichtenden
Flammen. Es herrschte eine erstickende Hitze in den engen
Gassen, sodass man kaum atmen konnte. Ein Feuermeer,
umherlaufende schreiendeMenschen, die versuchten ihr Hab
und Gut zu retten und verzweifelt irgendwo Schutz suchten
- es war ein unbeschreibliches Chaos, das sich in der Stadt
ausbreitete. Die Panik wurde größer durch blökende Rinder
und quietschende Schweine, die in ihrer Todesnot durch die
Straßen rannten, bis auch sie in den Flammen starben.
Unten an der Hafenbrücke waren alle verfügbaren Helfer da-
bei, mit Eimern und KübelnWasserwagen zu füllen, die dann
in schneller Fahrt zu den schlimmsten Brandorten preschten.
Doch die Naturkräfte hatten sich in dieser Nacht gegen die
Neustädter verschworen. Der starke Südwestwind hatte das
Wasser aus dem Hafen gedrückt. Der Wasserstand war in
dieser Nacht so niedrig, dass beim Schöpfen Schlamm in die
Eimer geriet, der dann die Spritzen verstopfte. Die Männer
mussten ihren Einsatz unterbrechen, um die Spritzen zu rei-
nigen und konnten erst danach ihre dringend notwendigen
Hilfsmaßnahmen fortsetzen. Alle arbeiteten und halfen bis
zur völligen Erschöpfung. Als dann der Morgen dämmerte,
fand das Feuer nur noch wenig Nahrung. Gegen 4 Uhr er-
losch es allmählich.
DerTag nach dem Feuer
Der Morgen zeigte das Ausmaß der schrecklichen Verwüs-
tung: Alle Häuser rund um den Markt waren vernichtet. Mehr
als die Hälfte der Stadt lag in rauchendenTrümmern. In dieser
schicksalsträchtigen Nacht waren von den 258 Häusern der
Stadt 138 in den Flammen aufgegangen. 213 Familien hat-
ten ihren Besitz und ihre Wohnung verloren. 804 Menschen
waren in diesen vier Stunden obdachlos geworden und stan-
den nun vor dem blanken Nichts. Ebenfalls verbrannten 51
Scheunen und 38 Stallungen. Überall blühten noch Brand-
nester. Sogar vier Wochen nach dem Brand stiegen immer
noch vereinzelnd Flammen auf. Das große Unglück verur-
sachte viel Not und Elend, forderte jedoch glücklicherweise
keine Menschenleben, nur einige Verletzte. Die Ursache des
Feuers ist nie geklärt worden. Damalige Schätzungen bezif-
ferten den Brandschaden auf 200.000 Reichstaler.(Quelle:
Das neue Neustadt-Buch in Holstein, Selbstverlag J. H. Koch,
1980)