Das Schuljahr klingt aus
Eutin (aj). Der Mohn leuchtet, Fingerhut ragt auf und der Wildwuchs grünt ein bisschen üppiger als sonst im Schulgarten der Wilhelm-Wisser-Gemeinschaftsschule am Standort am Kleinen See. Ole sticht mit dem Spaten ab und zieht heraus, was hier nicht wachsen soll, ein Stückchen weiter erklärt Lehrerin Sylvia Schleeh Schülerin Jana, was es mit dem Kriechenden Hahnenfuß auf sich hat. Dass man nur als Trio bei der Gartenarbeit ist, liegt am nahen Schuljahresende: Die Abschlussklassen sind schon verabschiedet, erst nach den Sommerferien kommt Verstärkung von denen, die für den Garten als Wahlpflichtunterricht entschieden haben. Ole und Jana haben die neunte Klasse hinter sich und den Ersten Allgemeinen Schulabschluss in der Tasche, im August werden sie den Mittleren Schulabschluss anpacken. An diesem sonnigen Vormittag aber sind die Ferien in Sicht. Und davor soll der Garten gerichtet werden: „Durch die Corona-Pause ist alles ein bisschen verwildert, jetzt entfernen wir einige Wildkräuter, der Rest darf wuchern“, erklärt Sylvia Schleeh. Ole hat Kartoffeln und Zwiebeln angebaut, jetzt sorgt er dafür, dass der Schachtelhalm den Pflanzen nicht den Garaus macht. Über die Ernte wird man sich zum Beispiel in der Küchengruppe der Schule freuen: „Dort werden auch die Kräuter aus unserem Hochbeet in der Elisabethstraße verarbeitet“, erzählt die Pädagogin. Ihre Begeisterung für das Grün ist mindestens so groß wie ihr Wissen um Pflanzen, Anbaumethoden und die Geschichten hinter allem, was hier wächst. Dies an die Jugendlichen weiterzugeben, die häufig nicht viel Bezug zur Gartenarbeit haben, einen Ausgleich zum digitalen Alltag zu schaffen, ist ein wesentliches Anliegen ihres Unterrichtes. Ole ist mit der Wahl des Kurses in die Fußstapfen seines älteren Bruders getreten: „Und ich habe es nicht bereut“, sagt er. Für Jana war der Garten zunächst nur die zweite Wahl: „Aber jetzt macht es richtig Spaß. Es ist schön, an der frischen Luft zu sein“, sagt die junge Frau, die über ihren Großvater bereits Gartenluft geschnuppert hat. Gibt es auch etwas, das weniger Freude macht? „Das Problem sind die Hunde“, sagen die drei. Ehe es an das eigentliche Tun geht, müssen nämlich Haufen entsorgt werden, weil immer wieder Menschen ihre Vierbeiner im Schulgarten ihr Geschäft verrichten lassen. Das stinkt allen ziemlich. Sind die Hinterlassenschaften entsorgt, ist Zeit für das Eigentliche. Und ein bisschen mehr: „Die gelben Blüten des Kriechenden Hahnenfußes bleiben in einem getrockneten Sträußchen schön, bis es im Frühjahr wieder auf der Wiese wächst“, lässt Sylvia Schleeh ihre Schützlinge wissen. Jana jedenfalls will sich ein Sträußchen pflücken. Und der Fingerhut hat gute Chancen, zu einer ihrer Lieblingspflanzen zu werden. Klingt nach einem rundum gelungenen Unterricht.
Das lässt sich auch von den Melodien sagen, die vom nahen Schulhof zu hören sind. Hier sitzen die Bläserklassen im Halbrund unter den Bäumen und proben sich durch ihr Repertoire: „Wir bereiten uns darauf vor, morgen ein Konzert filmen zu lassen, das sich die Eltern dann über Iserv ansehen und anhören können“, erläutert Ulrike Awe. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Stephanie Kreft leitet sie die Bläserklassen, deren Sommerkonzert alljährlich den vielgeliebten Schlussakkord des Schuljahres setzt. Normalerweise. „Weil wir das leider in diesem Jahr nicht so planen konnten, haben wir entschieden, das Konzert auf diese Weise stattfinden zu lassen“, sagt die erfahrene Musiklehrerin. Und spätestens bei „Pirates of the Caribbean“ spürt man es noch einmal in aller Deutlichkeit: Schule im Garten und Schule mit Instrument, in der Gemeinschaft - das ist nicht zu ersetzen durch Schule zu Hause vor dem Bildschirm - und eine erstklassige Bereicherung für den Stundenplan der Wilhelm-
Wisser-Gemeinschaftsschule.