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„Saatgut ist Kulturgut”

Preetz (ed). Gartenbegeisterte ohne Leser-Ausweis für die Fahrbücherei sollten sich am besten schonmal einen besorgen, denn wenn Susanne Stökl und Monika Clausen, die beiden Bibliothekarinnen der Fahrbüchereien im Kreis Plön, sich in den letzten Märztagen mit ihren Bücherbussen auf den Weg durch den Kreis Plön machen, ist die Mobile Saatgutbibliothek wieder an Bord. Die große Kiste ist prall gefüllt mit Saatgut für alte Gemüsesorten – Gartenfreunde können wählen zwischen fünf verschiedenen Tomatensorten von der Cherrytomate Rosii Marunte bis zur Indianer Wildtomate, fünf feinen Erbsen-, drei Stangen-, einer Busch- und einer Butterbohne, drei Radieschen und, ganz neu dabei, zwei tollen Rote Bete Sorten. Und natürlich andere Sorten als letztes Jahr, denn die haben die Hobbygärtner ja selbst.
„Gartenfreunden kribbelt es schon in den Fingern“, schmunzelt Susanne Stökl, „endlich wird es Frühling, da will man was wachsen sehen. Und das klappt mit unseren alten Gemüsesorten ganz prima.“ Die Mobile Saatgutbibliothek ist eine gemeinsame Aktion der Büchereizentrale Schleswig-Holstein mit dem Verein zum Erhalt der Nutzpflanzenvielfalt, kurz VEN – eine tolle Aktion, um gemeinsam dafür zu sorgen, dass alte Gemüsesorten erhalten bleiben.
 

Alte Sorten – was versteht man eigentlich darunter? Früher wurde das Saatgut von Garten zu Garten weitergegeben, und weil auf dem Land jeder einen Garten hatte, in dem er sein Gemüse anbaute, vererbte und verbreitete man das Saatgut. So entstanden regionale Sorten, die nicht nur ausgesprochen geschmackvoll waren sondern sich ganz besonders an die sich verändernden klimatischen Bedingungen anpassten, meist freilandtauglich und vor allem samenfest. Letzteres bedeutet, dass man aus dem Saatgut der Pflanze wieder Pflanzen ziehen kann – was bei dem handelsüblichen Saatgut aus Garten- oder Baumarkt nicht der Fall ist, weil das meist Hybride F1 Sorten sind, Sorten also, mit deren Saatgut man kaum neue Pflanzen ziehen kann. Weil Saatgut heute aber permanent genetisch verändert wird, um Gemüse zu ziehen, das möglichst viel produziert, gleichzeitig reif ist, lange hält, grade, hübsch und glänzend ist, werden die tollen Eigenschaften alter Gemüsesorten immer wichtiger – mittlerweile sind 75 Prozent aller alten Gemüsesorten vom Aussterben bedroht, viele davon längst auf der Roten Liste. „Saatgut ist Kulturgut“, gibt Monika Clausen zu bedenken. Es hat Geschichte und es erzählt Geschichte. Und es schmeckt einfach viel besser als alles, was es im Supermarkt gibt.
 

Der Verein zum Erhalt der Nutzpflanzenvielfalt hat es sich auf die Fahnen geschrieben, solche alten Sorten zu finden und zu erhalten – das aber geht nur, wenn Hobbygärtner sie aussäen und einen Teil davon zur Saatgutgewinnung ausreifen lassen. Daher auch die Mobile Saatgutbibliothek – denn wie soll man Saatgut denn „ausleihen“, wenn man es in der Erde verbuddelt? Ganz einfach. Man verspeist einen Teil davon und den anderen Teil nutzt man zur Saatgutgewinnung (bei Tomaten geht beides, man muss nur die Kerne herauskratzen).
Bei den Gemüsesorten der Mobilen Saatgutbibliothek ist die Saatgutgewinnung ganz leicht – bei Erbsen und Bohnen sowieso, aber auch aus Tomaten oder Wurzelgemüse lassen sich Samen gewinnen. So müssen Radieschen und Rote Bete blühen und Schoten ausbilden. Sind die Schoten getrocknet, können die Samen gepult werden. Ein Teil davon behält man für den eigenen Garten fürs kommende Jahr, den anderen füllt man in das mitgelieferte zweiten Samentütchen, beschriftet es und bringt es zurück zum Bücherbus.
Wer jetzt Angst bekommt: Es gibt in der Mobilen Saatgutbibliothek zu jeder Gemüsesorte eine super Anleitung für Anbau und Vermehrung. „Und für alle, die dann noch mehr wissen wollen“, sagt Monika Clausen, „haben wir eine ganze Menge toller Gartenbücher – auch für das Gärtnern mit Kindern.“ Und für die Lütten gibt es in der Mobilen Saatgutbibliothek sogar eine eigene Saatgut-Tüte mit verschiedenen Bohnensorten und Sonnenblumenkernen zum Aussäen und Staunen. Die Resonanz im vergangenen Jahr sei toll gewesen, freuen sich die Bibliothekarinnen, innerhalb von drei Wochen seien 100 der 120 Tütchen schon ausgeliehen gewesen. Und auch über den Rücklauf haben die beiden gestaunt – „wenn die Schnecken nicht schneller waren oder das Gemüse so lecker geschmeckt hat, dass man nicht zur Saatgutgewinnung kam“, lacht Susanne Stökl. „Aber wir waren zufrieden.“
 

Die Mobile Saatgutbibliothek ist einfach eine sehr liebenswerte Methode, den Erhalt toller Gemüsesorten ebenso zu fördern wie die Gartenfreude kleiner und großer Gärtner. Und hat man sich seine Gemüsesorten ausgeliehen, kann es eigentlich auch schon losgehen – Radieschen zum Beispiel dürfen gleich ins Beet gesät werden, Rote Bete, Erbsen und Bohnen haben noch etwas Zeit und dürfen entweder drinnen vorgezogen oder Ende April, Anfang Mai gleich in den Garten. Tomaten hingegen sind ja kleine Diven, können jetzt auf der Fensterbank vorgezogen werden und nach den Eisheiligen Mitte Mai in den Garten.
 

Noch mehr Informationen gibt es unter www.fahrbuecherei9.de, www.fahrbuecherei10.de oder der Seite des VEN: www.nutzpflanzenvielfalt.de.


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