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Was Schönberg bewegt hat

Altbürgermeister Wilfried Zurstraßen nutzte die Zeit der Pandemie, um ein Buch über die Schönberger Ereignisse in den Jahren seiner Amtszeit nach Art einer Chronik zu verfassen. Die Schönberger Seebrücke im Hintergrund ist eines der zentralen Bauprojekte gewesen.

Altbürgermeister Wilfried Zurstraßen nutzte die Zeit der Pandemie, um ein Buch über die Schönberger Ereignisse in den Jahren seiner Amtszeit nach Art einer Chronik zu verfassen. Die Schönberger Seebrücke im Hintergrund ist eines der zentralen Bauprojekte gewesen.

Bild: L. Schneider

Schönberg (los). Über 25 Jahre leitete Wilfried Zurstraßen als Bürgermeister die Geschicke der Gemeinde Schönberg. Seit 2013 ist der studierte Verwaltungsfachwirt im Ruhestand. Die besonders ruhige Zeit der Pandemie hat Zustraßen genutzt, um eine alte Idee wieder aufzugreifen und die Ereignisse in seiner Amtszeit aufzuschreiben.
Herausgekommen ist die Chronik „Schönberg 1987 – 2013“.

Das Buch stellt besondere Ereignisse und kommunale Projekte während Zurstraßens Amtszeit als Bürgermeister heraus und bietet einen lokalhistorischen Überblick aus seinem persönlichen Blickwinkel über die Entwicklung der Gemeinde in diesen Jahren. Zurstraßen berichtet von Entscheidungen, Weichenstellungen und Ereignissen, „die aus meiner Sicht für die Entwicklung von Bedeutung waren“.

Ein zentrales Kapitel in diesem Rückblick widmet Zurstraßen dabei der Seebrücke in Schönberger Strand, die vor 20 Jahren eingeweiht wurde. Mittlerweile habe sich die Seebrücke zu einem modernen Markenzeichen und Aushängeschild des touristisch geprägten Ostseebades entwickelt. Dabei hatte es bereits vor über 100 Jahren ein vergleichbares Pendant gegeben, das allerdings nur 1912 bis 1914 bestand. Auch damals hat der Tourismus im Blickpunkt gestanden als das Bauwerk auch zur Förderung der heimischen Hotelbetriebe mit Unterstützung privater Initiative für 30.000 Reichsmark errichtet wurde. Der Ausbruch des ersten Weltkriegs funkte der gewünschten Entwicklung dazwischen: „Die Seebrücke wurde vom deutschen Militär gesprengt – aus Angst, die Engländer könnten anlanden“, erzählt Wilfried Zurstraßen.

Danach war in punkto Seebrücke erst einmal „Zapfenstreich“, obwohl die kostspielige Wiedererrichtung stets auf dem Wunschzettel gestanden hat. „87 Jahre lang hat die Gemeinde versucht, eine Neue zu bauen, was letztlich immer am Geld scheiterte“, recherchierte Zurstraßen. Eine Chance habe sich 1995 aufgetan, als ein erstes Regionalprogramm für strukturschwache Gemeinden die Möglichkeit der Beantragung von Zuschüssen bot. Doch der Versuch scheiterte. „Seebrücken hatten politisch keine Hochkonjunktur“, blickt Zurstraßen zurück. Schönberg startete fünf Jahre darauf einen neuen Versuch bei einem nachfolgenden Förderprogramm, „das günstiger zugeschnitten war“. Allerdings galten die Aussichten als gering, „wenn man schon einmal durchs Zuschussraster gefallen ist“. Doch die ins Boot geholten Bürgermeister der Umlandgemeinden Schönbergs gaben Rückenwind. Schließlich gelang es, „Zuschüsse vom Kreis, vom Land, vom Bund und sogar Bürgerspenden“ einzuwerben. Die Brücke wurde trotz kontroverser Diskussionen in der Gemeindevertretung einstimmig beschlossen. Die Einweihung wurde am 30. Juni 2001 mit rund 30.000 Teilnehmern gefeiert und als „Seebrückenfest“ bis zum Ausbruch der Pandemie 2020 jährlich neu aufgelegt. „Die Seebrücke war Impulsgeber für die weitere touristische Entwicklung der Gemeinde“, lautet Zurstraßens Fazit.

Eine etwas unbekanntere Geschichte rankt sich – Stichwort Perestroika und Glasnost – um das Ferienzentrum Holm vor 30 Jahren. Es sind die Jahre der Annäherung, der „Wende“, der deutschen Wiedervereinigung, des Zusammenbruchs der Sowjetunion, fallender Grenzen und der Flucht in die Freiheit.

Schönberg schaffte es in die Schlagzeilen, als „der Bund nun dringend eine Einrichtung für deutsch-russische Aussiedler aus der Sowjetunion als Erstaufnahme suchte“, erzählt Zurstraßen, der damals mit schwierigen Entscheidungen und der existenziellen Angst vor touristischen Einbrüchen konfrontiert war. Holm rückte in den Blickpunkt. „Der Betreiber des Ferienzentrums erklärte sich bereit, das zu machen“, blickt er zurück. Es war der Januar 1990, als „in der Aula der Realschule unter Begleitung von TV und Rundfunk mit großer Mehrheit beschlossen wurde, dass Holm für begrenzte Zeit als Erstaufnahmeeinrichtung dienen durfte. „Von 1990 bis 1995 sind rund 60.000 Aussiedler jedes Jahr hier durchgelaufen“, weiß Zurstraßen. In Schönberg „erhielten die Menschen eine Art Eintrittskarte“ in die Bundesrepublik. Nach einigen Tagen in der Ostseegemeinde wurden sie auf die einzelnen Bundesländer verteilt. Holm hatte Kapazitäten für zirka 2000 Menschen. Begleiterscheinung dieser speziellen „Ära Holm“ waren erweiterte Möglichkeiten, in die Infrastruktur zu investieren.

In der touristischen Entwicklung waren keine nachteiligen Auswirkungen spürbar. Im Gegenteil: Hat es „Ende 1989 rund 310.000 Übernachtungen“ gegeben, verzeichnete die Gemeinde „Ende 1995 bereits 430.000 Übernachtungen“, nennt Zurstraßen konkrete Zahlen, „2013 waren es etwa 500.000.“ Die Seebrücke als „touristische Visitenkarte“ habe sich parallel zur angeschobenen Kulturarbeit in der Gemeinde als Zugpferd für das Ostseebad erwiesen. Hochkarätige Künstler wie Hannes Warder, Konstantin Wecker, Volker Pispers und Dieter Hildebrandt konnte die Gemeinde empfangen. „Alles was im Kabarett in Deutschland Rang und Namen hat ist hier aufgetreten“, erinnert sich Wilfried Zurstraßen, „wir haben aber immer den Bogen geschlagen, um hier auch privaten kulturellen Aktivitäten ein Forum zu bieten.“

Auch der „Thing-Tag“, der an die mit dem Preetzer Kloster verwobene Geschichte Schönbergs und von dort ausgeübte Gerichtsbarkeit anknüpft, zählte bis zum Ausbruch der Pandemie zu den feststehenden Kulturterminen. Inszeniert wurde er vom AWO-Theater Lampenfewer als Open-Air-Veranstaltung auf dem Gelände des Probstei Museums Schönberg als authentische Kulisse. „Kulturarbeit war mein Steckenpferd“, bekennt Zurstraßen.

In seiner Chronik kommen auch initiierte Arbeitslosenprojekte zur Sprache, wobei unter anderem die Museumsbahn eine besondere Bedeutung hatte. Vom Rathaus aus wurde die Vermittlung angepackt, wobei unorthodoxe Wege beschritten wurden, um der Anfang der 2000-er Jahre hohen Quote entgegenzuwirken: „Die Arbeitslosen waren beim Bau der Seebrücke, bei der Restaurierung der historischen Straßenbahnwagen und beim Bootsbau eingebunden“, berichtet Zurstraßen. Darüber hinaus wurde die Idee umgesetzt, eine Gaststätte in Schlesen für Umschulungen im Bereich Gastronomie anzumieten. Ein weiteres Bildungshighlight ist für den Altbürgermeister zudem der Beschluss einer gymnasialen Oberstufe für die Gemeinschaftsschule, was mit „intensiver Diskussion“ verbunden gewesen sei. Seit 2013 jedoch hat Schönberg das Abitur.

Last not least geistert „Hein Schönberg“ seit 20 Jahren durch die Gemeinde und ist damit so alt wie die Seebrücke. Allerdings nur auf dem Papier: „Die Weichen sind im Prinzip gestellt“, verdeutlicht Zurstraßen im Bahnjargon. „Nur das Planfeststellungsverfahren wurde noch nicht auf den Weg gebracht.“ Ohne das Verfahren kann der Zug allerdings nicht ins Rollen kommen, obgleich die „Wegbereiter“ gewissermaßen schon vorgebaut haben: Denn „die Schienen sind bereits bis Oppendorf fertig gestellt“, so Zurstraßen. Das Projekt gewinnt somit schon an Kontur. Aber auch an der Seebrücke hat sich ja letztlich die bekannte Volksweisheit „Gut Ding will Weile haben“ bewahrheitet – warum sollte es Hein Schönberg da anders ergehen?

Info: Die Chronik ist in der Schönberger Buchhandlung erhältlich (12 Euro).


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