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Ein Film, den alle sehen sollten!

Ahrensbök (hr). Am 8. Mai, dem Tag der Befreiung, im Jahr 2001 öffnete die Gedenkstätte Ahrensbök erstmals ihre Türen. 20 Jahre später wird die geplante große Feier zum Jubiläum auf Grund der geltenden Kontaktbeschränkungen auf den Antikriegstag am 1. September verlegt. Im kleinen Kreis wurde dennoch mit der Filmpremiere des Zeitzeugenfilms „Verdrängen und Erinnern - Kindheit im Nationalsozialismus“ gefeiert.
Auch Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU) musste seinen Besuch verschieben, sendet aber eine Videobotschaft: Er erinnert an die schwierigen Anfänge der Gedenkstätte Ahrensbök und bedankt sich für das Engagement der Ehrenamtlichen. „Die Gedenkstätten sind heute Orte der Wehrhaftigkeit unserer Demokratie“, so Schlie. „Ihre Arbeit ist insbesondere in Zeiten von wiederaufkeimendem Rassismus und des Abrutschens von Rechtspopulismus in den Rechtsextremismus enorm wichtig.“
An die vielen Hindernisse, die es auf dem Weg zur Gedenkstätte zu überwinden galt, erinnert sich auch SPD-Bundestagsabgeordnete Bettina Hagedorn: „Ich bin froh, dass wir uns heute kaum mehr vorstellen können, dass es noch vor 20 Jahren so viel Widerstand gegen eine KZ-Gedenkstätte geben konnte.“ Insbesondere die Arbeit mit Jugendlichen habe sie in den letzten Jahren begeistert, weil es wichtig sei, den jungen Menschen die Geschichte nahezubringen. „Wichtig ist, dass das Erinnern bleibt, auch wenn es irgendwann keine Zeitzeugen mehr gibt.“
Dazu leistete die Dithmarscher Filmemacherin Martina Fluck einen wichtigen Beitrag: In ihrem neuen Film „Verdrängen und Erinnern - Kindheit im Nationalsozialismus“ kommen zwei Zeitzeugen zu Wort, die in ihrer Kindheit in Ahrensbök den Nationalsozialismus erlebten und den Todesmarsch von Auschwitz nach Holstein mit eigenen Augen beobachten konnten: Hans Otto Mutschler und Jörg Wollenberg. „Wir haben die Schreie gehört“, erinnert sich Mutschler im Film. „Das waren Skelette auf Holzpantoffeln, die sich die Straße entlang schleppten.“ Vor seinen Augen wurde ein Häftling erschossen, weil er zu einem Einheimischen mit Krückstock sagte, wie gern er selbst so einen Stock hätte. Wenn die Kinder versuchten, mit den Erwachsenen darüber zu sprechen, sei ihnen gesagt worden: „Das sind eh alles Verbrecher und Kriminelle, da ist’s nicht schad drum.“
Dieser Häftling war bei weitem nicht der einzige, der auf dem Todesmarsch erschossen, zu Tode geprügelt wurde oder schlicht an Erschöpfung starb. „Die Leichen wurden später mit Pferdekarren aus dem Knick geholt“, erinnert sich Mutschler. Als Kind verbrachte er viel Zeit auf Gut Dunkelsdorf, dass für ihn wie für andere Kinder aus der Gegend wie ein Spielplatz war. Bekam früher jedes Kind, das den Gutsherren Schulz grüßte, ein Bonbon von ihm, bekamen später nur noch die Kinder Süßes, die ihn gegen die expliziten Anweisungen nicht mit „Heil Hitler“ grüßten. Der jüdische Gutbesitzer schaffte es, rechtzeitig zu fliehen und lebte im Exil in Peru, auf seinem Gut mussten Kriegsgefangene schuften. Für seinen grausamen Umgang insbesondere mit russischen Kriegsgefangenen stand der Gutsverwalter nach dem Krieg vor Gericht, wurde aber nie verurteilt.
Emotional wird Mutschler, als er nach seinem Vater gefragt wurde: Die glücklichen Erinnerungen an ein Weihnachtsfest mit dem geliebten Vater lassen sich nur schwer in Einklang bringen mit dem Vater, der als überzeugter Nazi im Krieg fiel. Diese traumatischen Erlebnisse, diese Widersprüche der eigenen Gefühlswelt zu verarbeiten und einzuordnen ist keine leichte Aufgabe, da sind sich beide Zeitzeugen einig. „Erst später begann ich, vieles zu hinterfragen, mir im Rahmen der Aufarbeitung auch Vorwürfe zu machen: Warum hatte ich nicht nachgefragt, als mein Vater noch lebte?“, sagt Wollenberg. Sein Vater war in der Gemeinde hoch angesehen und in keiner Partei, doch über die Nazi-Zeit sprach er nie.
Eine der prägendsten Erinnerungen für Wollenberg ist der Tag nach dem Untergang der Cap Arcona: „Da waren ganz normale Deutsche, die gingen mit Spaten und erschlugen die Wenigen, die sich ans Ufer retten konnten“, erzählt er. Bis heute kann er nicht in der Ostsee schwimmen gehen, weil die Badenden selbst zwei Sommer später noch immer beim Schwimmen auf Leichenteile stießen.
Martina Fluck hat schon häufig mit der Gedenkstätte Ahrensbök zusammengearbeitet und führte von Beginn an viele Interviews mit Zeitzeugen. „Es ist eine große Ehre, dass ich diesen Film machen durfte und ich möchte mich bei den beiden Zeitzeugen bedanken: Es ist unheimlich mutig, sich diesen Erinnerungen zu stellen.“ Der Film ist auf der Homepage der Gedenkstätte Ahrensbök online verfügbar.


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