1.800 Euro um Familien über den Berg zu helfen
Eutin (aj). „Kinderarmut“ ist ein Begriff, den Heidi Feilke nicht besonders treffend findet, um den Mangel zu beschreiben, der den Alltag von immer mehr Menschen belastet: „Eigentlich sprechen wir hier von Familienarmut – und die nimmt zu“, sagt die Vorsitzende des Deutschen Kinderschutzbundes Eutin ernst. Eine Entwicklung, die der Verein nicht einfach tatenlos hinnehmen will. Mit klarer Haltung, der täglichen Arbeit in den Einrichtungen und in vielen einzelnen Projekten setzen sich die Mitglieder und Mitarbeiter*innen dafür ein, dass die Lobby von Kindern und Familien im Bewusstsein bleibt. Dabei steht der Eutiner DKSB nicht allein, über die Jahre ist ein Netzwerk entstanden, das trägt und für Sichtbarkeit sorgt.
So steht alle Jahre wieder ein besonderer Weihnachtsbaum im Eingangsbereich des Eutiner famila-Warenhaus, bestückt mit Gutscheinen, die von der spendenfreudigen Kundschaft mit einem Betrag ab 5 Euro aufgeladen werden: „Mit diesen Einkaufsgutscheinen können wir dann das Jahr über ganz direkt helfen, wenn Familien einen Engpass haben“, erklärt Heidi Feilke. Stolze 1.800 Euro stark ist das Polster, für das die famila-Kund*innen in den Adventwochen so großzügig gespendet haben: „Wir sind von Herzen dankbar für diese Unterstützung, die den Familien zugutekommt und gleichzeitig auch eine Anerkennung unserer Arbeit ist“, unterstreicht Familienhelferinnen Gundula Penner. Sie hat über ihre Tätigkeit in der Niedrigschwelligen Pädagogischen Familienhilfe, die vom Jugendamt vermittelt wird, den direkten Kontakt zu Kindern und Eltern und kennt die Situationen, in denen die Belastungsgrenze erreicht ist, nur zu gut. Mit den Gutscheinen können sie und ihre Kolleg*innen in die Bresche springen, wenn eine Klassenfahrt ansteht und noch Gummistiefel gebraucht werden, wenn der Füller zu Bruch gegangen ist, aber eine Nebenkostenabrechnung ein Loch in die Haushaltskasse gerissen hat, oder wenn im Familienzentrum junge Eltern nicht wissen, wie sie am Monatsende die Windeln bezahlen sollen. Mittlerweile haben auch die Mitarbeiter*innen in den Kitas des Kinderschutzbundes die Möglichkeit, ihren Familien über finanzielle Hürden hinwegzuhelfen: „Auch ihnen stehen die Gutscheine zur Verfügung“, erläutert Heidi Feilke. Die Erzieherinnen kennen den Alltag vieler Familien gut, haben einen Blick für echte Notlagen und sprechen die Eltern an, wenn ihnen etwas auffällt. Schnell und unkompliziert kann dann ein Gutschein zum Einsatz kommen: „Das wird nicht an die große Glocke gehängt, die Vertraulichkeit bleibt gewahrt“, betont Heidi Feilke.
Familienhelferin Gundula Penner begleitet den Einkauf „ihrer“ Familien häufig, gibt Tipps, wenn nötig, und sorgt dafür, dass der Spaß trotz der ernsten Lage nicht zu kurz kommt: „Manchmal verbinden wir den Einkauf mit einer Obst- und Gemüserallye und raten uns mit den Familien fröhlich durch die Sortenvielfalt“, erzählt sie.
Sorgen haben nicht nur die Eltern und Kinder, die Leistungen empfangen: „Viele liegen gerade so über dem Schnitt und wollen auch keine staatliche Hilfe in Anspruch nehmen“, so Feilke. „Eine stille Gruppe“, nennt sie Gundula Penner. Wenn dann aber die Waschmaschine kaputtgeht, klafft trotz Berufstätigkeit ein Riesenloch in der Kasse. „Es gibt so viele Familien, die aus ganz unterschiedlichen Gründen Tag für Tag rechnen müssen“, fasst Heidi Feilke zusammen. Dass diese Familien sich häufig Vorurteilen ausgesetzt sehen, ärgert sie sichtlich: „Der weitaus größte Teil würde die Kinder und sich selbst gern aus eigener Kraft versorgen können“, weiß sie und Gundula Penner ergänzt: „Zu unserem Mütterfrühstück am Vormittag kommen weniger Frauen, weil viele sich, sobald es möglich ist, Arbeit suchen und dann vormittags nicht mehr dabei sein können!“
Auch deshalb freut sie die Hilfsbereitschaft der famila-Kundschaft besonders: „Und die ganze Aktion wäre nicht möglich ohne die tolle Arbeit des famila-Teams vor Ort, dafür sind wir sehr dankbar“, unterstreicht Heidi Feilke. Sonja Eckert hat den Baum liebevoll geschmückt und immer wieder Gutscheine nachgehängt, Regina Reinke und ihre Kolleginnen beantworten am Info-Punkt gern alle Fragen dazu und sorgen dafür, dass die Gutscheine bis zur Übergabe sicher verwahrt werden. Dass die Kund*innen so eifrig spenden, ist ganz in ihrem Interesse: „Weil es ein regionaler Zweck ist und alles direkt bei den Kindern und Familien ankommt, geben die Menschen gern“, haben die famila-Mitarbeiterinnen beobachtet. Und das ist eine Brise Rückenwind zum Jahresbeginn für alle.