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Drittes Triell läutet Endspurt ein

Eutin (aj). Die drei Kandidaten hatten schon Erfahrung mit dem Format. Entsprechend routiniert nutzten Christoph Müller, Christoph Gehl und Carsten Behnk die dritte Auflage des Eutiner Triells am vergangenen Freitagabend, um um Stimmen für die Bürgermeisterwahl zu werben. Wie unterschiedlich die drei Bewerber um das Amt des Verwaltungschefs sind, zeigte sich bereits in der Vorstellungsrunde zum Auftakt der etwa zweistündigen Veranstaltung im Ostholsteinsaal. Christoph Müller präsentierte sich als Mann der Tat, rechnete in markigen Worten ab mit der Durchführung von Maßnahmen und der Amtsführung der letzten Jahre.
 

Der Bahnhofsvorplatz ist nur eines der Projekte, die er als misslungen ansieht: „Das hätte ein Architekturstudent besser gemacht“, lautet sein Urteil. „Zum Nachteil Eutins“, das bescheinigt er auch dem geplanten Neu- und Erweiterungsbau der Wilhelm-Wisserschule in der Elisabethstraße. Hier werde Parteipolitik auf dem Rücken der Bürger ausgetragen. Ein neuer Schulcampus habe eine Vorbildfunktion auszufüllen, deshalb sei er für einen anderen Standort. Den sozialen Wohnungsbau nennt er „eine Nullnummer“ und erklärt, was er vorhat: „Eutin baut selbst!“ Während also Christoph Müller aufzählt, was bislang in seinen Augen nicht oder falsch läuft, stellt sich sein Kontrahent erst einmal persönlich vor.
Amtsinhaber Carsten Behnk gibt nicht nur Auskunft über Alter, Familienstand und Hobbies, er zeichnet auch die wichtigsten Stationen seiner Verwaltungskarriere auf und schnell wird deutlich: Hier hatte einer schon immer das Rathaus fest im Blick. Zu den Erfolgen seiner Amtszeit zählt Behnk die erfolgreiche Umsetzung der Innenstadtsanierung, das Plus an Kita-Plätzen, die Etablierung des Kinder- und Jugendparlamentes und den Bau des Hotels an der Stadtbucht. Aktuell habe man zwei große Schulbauten und die Erneuerung der Operntribüne vor der Brust. Bei allem gelte: „Ich bin und bleibe parteilos und unabhängig!“
 

Auch Christoph Gehl steigt mit der eigenen Biografie ein. Seit fünf Jahren wieder in seiner Geburtsstadt ansässig, sieht er im Klimaschutz sein zentrales Thema: Die Renaturierung der Eutiner Moore und nachhaltigen Wohnungsbau führt er als Beispiele an: „Ich habe viele Ideen, brauche aber Mehrheiten“, betont der Sozialdemokrat. Die Jugend solle sein zweites großes Feld werden. Actiongeladene Freizeitangebote wie eine Skaterbahn und eine Aufwertung des Jugendzentrums unterstreicht er als konkrete Punkte, die er angehen will. Wichtig sei ihm ein „Rathaus der Offenen Tür“ und Präsenz in der Stadt zu zeigen. Hatten die Kandidaten für ihren Vorstellungsmonolog acht Minuten Zeit, setzt Moderator Karsten Kock im Anschluss auf Auflockerung: „Welches Lied passt zu Eutin?“ will der RSH-Chefkorrespondent wissen. „Wind of change“ meint Christoph Gehl, Carsten Behnk findet, ein Schlager von Helene Fischer würde gut zu einer Party auf dem Marktplatz passen und für Christoph Müller wäre „Da müsste Musik sein“ die erste Wahl, zumal er mithilfe von Wincent Weiss Events für die Festspielbühne nach Eutin bringen wolle. Ein launiges Intermezzo, ehe es unter dem Stichwort Finanzen dann wieder sachlich wird.
 

Christoph Müller bringt 190 Millionen Euro Eutiner Schulden ins Spiel und vermisst Maßnahmen, die diesen Berg zum Schrumpfen bringen könnten. Er will Schüler*innen in Eutin halten und nach Eutin locken, um über das Schulgeld Entlastung zu schaffen. Christoph Gehl bringt die aktuellen Millionenprojekte zur Sprache und mahnt, auch diejenigen im Blick zu haben, die beispielsweise auf die Tafel angewiesen sind. Eine gezielte Wirtschaftsförderung und ein Bevölkerungswachstum könnten Einnahmequellen schaffen. Amtsinhaber Carsten Behnk relativiert die Zahlen: Bei 50 Millionen Euro liege die Verschuldung aktuell, in den Finanzplan seien 150 Millionen aufgenommen: „Es kommt darauf an, Schulden so aufzunehmen, dass es zukunftsträchtige Investitionen sind“, betont er. Schule und Feuerwehr würden auch kommende Genrationen nutzen. „Schulden sind Schulden“, beharrt Christoph Müller, während Christoph Gehl mahnt: „Es gibt nicht die eine Lösung.“ Nächster Punkt ist das Bauvorhaben Wisserschule. Gehl und Müller sprechen sich für einen neuen Standort aus, Behnk verweist darauf, dass die jetzige Planung das Ergebnis des Bürgerentscheides sei. Die Rollen sind verteilt: Christoph Müller nennt sich „Praktiker“, kritisiert die derzeitige Amtsführung, bekundet, er stehe für mehr Bürgerbeteiligung, setzt auf direkte Ansprache im Umgang mit Investoren und will für mehr gastronomische Angebote sorgen. Christoph Gehl möchte zusammenführen, Eutin als Residenzstadt für alle ist seine Vision, und auch er sieht Nachholbedarf im Bereich der Bürgerbeteiligung: „Ein Bürgermeister muss ansprechbar sein vor Ort“, erklärt er. Durch Gespräche mit Gruppen wie den Parents for future und den Austausch mit Dorfvorständen könne man neue Sachfelder aufmachen. Es ist einer der wenigen Momente, in denen auch dieser Herausforderer sich angriffslustig gibt.
 

Behnk bleibt die Antwort nicht schuldig: „Es ist ja nicht so, dass das nicht stattfindet“, erwidert er. Er sei zufrieden mit den Beteiligungsformaten wie Workshops, Sprechstunden und Neubürgerempfängen. Informiert werde auch über social media, zudem gebe es die Möglichkeit, sich an den Sitzungen der politischen Gremien zu beteiligen. Journalist Carsten Kock sorgt mit weiteren auflockernden Fragen für eine ausbalancierte Dramaturgie. So ist zu erfahren, dass Carsten Behnk gern mit Barack Obama 44 Minuten unter vier Augen verbringen würde, Christoph Müller mit Sarah Wagenknecht und Christoph Gehl mit Helmut Schmidt. Die Antworten verfolgen nicht nur die rund 50 Anwesenden im Saal, die Firma Getex Media bringt das Triell über einen Livestream in die Haushalte, 671 Adressen nutzen dieses Angebot. Gebärdendolmetscherinnen und die Übersetzung in leichte Sprache sorgen für eine barrierearme Teilnahmemöglichkeit. Das Gesagte ist parallel im Stil einer Untertitelung auf dem Bildschirm zu lesen. Als Vision für das Eutin 2030 steht dort für Christoph Müller „Dann habe ich den Bürgern die Politikverdrossenheit genommen!“. Christoph Gehl sieht eine Vorzeigestadt, fast klimaneutral, historisch lebendig und mit „alten, seelengebenden Gebäuden“. Carsten Behnk erzählt von dann drei Hotels, einem Zuwachs im Tagestourismus, dem neuen Feuerwehrhaus und der abgeschlossenen Innenstadtsanierung. Vielleicht genauso wichtig wie alles, was die Kandidaten an diesem Abend zu sagen hatten, ist der Hinweis von Carsten Kock, dass der Bürgermeister zwar Impulsgeber sein kann, als Verwaltungschef aber die Beschlüsse der gewählten Stadtvertretung umzusetzen hat. Am Ende dankt der Radio-Mann für „ein spannendes Miteinander, ein kribbeliges Gegeneinander und kein Durcheinander“.


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