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So viel Barock steckt im Hier und Jetzt In Schloss Eutin kann man bis zum 8. Oktober die Ausstellung “Symptom:Barock” genießen

Eutin (aj). Barock - das steht für Überschwang, für die Freude an der Form, für Prunk und Pracht und für eine üppige Bildsprache, die alle entschlüsseln konnten, denen entsprechende Zugänge offen waren. Die Epoche ist aber auch geprägt von der allgegenwärtigen Todesgewissheit, von Vergänglichkeit und Vergeblichkeit, von Endzeitgedanken. Gleichzeitig klopft die Aufklärung an die Tür, ein neues Denken beginnt. Diese äußerst verknappte Aufzählung zeigt bereits, dass uns mehr mit jener Zeit verbindet, als die 400 trennenden Jahre vielleicht vermuten lassen.

Vier Künstlerinnen knüpfen an diese Parallelen an, finden Berührungspunkte und übersetzen sie in moderne Kunstwerke, die das Barock in Technik und Gehalt aufnehmen und mit der Gegenwart verbinden. “Symptom:Barock” heißt die Ausstellung im Schloss Eutin. Und für Margret Eicher, Simone Demandt, Rebecca Stevenson und Myriam Thyes ist die Residenz nicht nur der Ausstellungsort, sondern Teil der Inszenierung. Ihre Arbeiten werden zu unterbrechenden Elementen des Rundgangs durch die historischen Räume, werfen Schlaglichter auf das, was dort zu sehen ist, treten in einen Dialog mit dem Interieur, den Geschichten, die sich dort abgespielt haben und hauchen nicht zuletzt den Gemälden und Skultpuren Heutigkeit ein. Was heißt das konkret? Margret Eicher arbeitet mit Medientapisserien. Stars der Gegenwart, Codes, die auf Videogames verweisen, Statussymbole werden digital kunstvoll arrangiert und dann im Stil historischer Wandteppiche gewebt. Der Bezug zu den Eutiner Gobelins des 17. Jahrhunderts ist offensichtlich. Bildmacht und Verführbarkeit und das Spiel mit Sein und Schein verbindet, was auch in der Ausführung miteinander verknüpft ist. Und wenn eine solche Tapisserie im Rittersaal ein repräsentatives Gemälde verhüllt, wird das Dahinter umso interessanter. So ist es auch mit den Objektfotografien von Simone Demandts. Die stehen leise vermeintlich im Schatten der historischen Exponate und fordern den zweiten Blick. Oder sie nehmen den Raum ganz ein und strahlen ab auf ihre Umgebung, der sie neuen Glanz verleihen. So geschieht es, wenn vor den floralen Wänden des Schlosses großformatige Fotografien historischer Pflanzenmodelle der Uni Greifswald ausgestellt werden. Besonders reizvoll auch hier: Das Spiel mit der Vielschichtigkeit von Zeit, Lebendigkeit und Nachahmung, Kunst. Als Bildhauerin kann Rebecca Stevenson in Sachen Barock aus dem Vollen schöpfen. Sie arbeitet hauptsächlich mit Wachs.

In ihren Skulpturen ufert das Leben aus. Faszinierende Schönheit wird hier gleichermaßen zu einer schmerzhaften Wunde. Die Einsicht, dass allem Perfektem Vergänglichkeit innewohnt, ist ein barockes Motiv, das in unserer Zeit neue Ausprägung erfährt. Zu sehen sind Werke unter anderem in den historischen Küchen und Speiseräumen. Wie ihre Kolleginnen hat auch Myriam Thyes ihre Arbeiten auf Schloss Eutin bezogen. Für einen Videoclip zum Knicks hat sie zehn Frauen gefunden, die diese Geste der Unterwerfung, Höflichkeit, guter Erziehung (je nach Perspektive) aus eigenem Erleben kennen und vor der Kamera nachvollziehen. Und über dem Himmelbett inszeniert sie “Gefährliche Liebschaften” - es ist eben eine Schau zum Schwelgen und zum Staunen. Das Nachdenken und die Frage, die Spurensuche danach, was das alles mit uns zu tun hat, wird sich zweifellos daraus ergeben, weil es große Kunst ist, was hier geboten wird. Und weil das Barock nicht allen gegenwärtig ist, gibt es einen Flyer, der Bezüge und Hintergründe so erklärt, dass sie allen verständlich sind.


Denn die Ausstellung zu verstehen, bedeutet in diesem Fall: Noch mehr Freude an dem, was da zu sehen ist. “Besonders wichtig ist die Begleitung der Ausstellung durch eine intensive sowohl analoge als auch digitale Bildungs- und Vermittlungsarbeit. So gibt es begleitend zur Ausstellung eine Broschüre in einfacher Sprache und viele Führungen und Veranstaltungen”, erläutert Brigitta Herrmann, geschäftsführende Vorständin der Stiftung Schloss Eutin.
Nächste Termine sind Kuratorinnenführungen am Donnerstag, dem 15. Juni, um 14 Uhr und am Donnerstag, dem 29. Juni, um 14 Uhr mit Dr. Sophie Borges sowie ein Künstlerinnengespräch am Samstag, dem 1. Juli, um 11 Uhr mit Margret Eicher und Myriam Thyes. Mehrere Termine gibt es für den Workshop Schattenspiel im Barockschloss für Kinder, der im Rahmen des Ferienpasses kostenfrei angeboten wird. Informationen gibt es auf www.schloss-eutin.de. Und wer sich nun immer noch fragt: Warum Barock?, dem sei mit dem Worten Künstlerin Margret Eicher geantwortet: “Weil wir im Barock leben. Noch nicht gemerkt?”


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