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Nadelöhr zwischen Wellingdorf und Neumühlen-Dietrichsdorf bleibt ein Brennpunkt

Kiel-Wellingdorf/Neumühlen-Dietrichsdorf (mm). Nachdem von Mai 2022 an die alte Schwentinebrücke testweise für Kraftfahrzeuge komplett gesperrt war, dürfen Autofahrer seit Anfang September das Verkehrsnadelöhr zwischen Wellingdorf und Neumühlen-Dietrichsdorf wieder befahren - allerdings nur mit Tempo 20. Neu ist auch, dass Radfahrer von den Autos nicht überholt werden dürfen.
Riesige Hinweisschilder auf beiden Seiten der Brücke verdeutlichen: Radfahrer müssen zwingend die Fahrbahn benutzen. Hintergrund der neuen Beschilderung: Die regelmäßige Nutzung der Gehwege durch die Radler führte wiederholt zu Konflikten mit den Fußgängern.
Um den Zweiradlenkern das Hoppeln über die Kopfsteindecke leichter zu machen, hatte das Tiefbauamt im Sommer die Granitsteine gegen so genanntes „Schnittpflaster“ getauscht, das ein „komfortableres Abrollverhalten“ bieten soll.
Was hat der Verkehrsversuch gebracht? Hält die neue Fahrbahn, was sie verspricht? Der Probsteer war vor Ort und hat sich bei Geschäftsleuten, Passanten und Radfahrern umgehört.
Ganz nah dran am Geschehen etwa ist Nick Vormelcher mit seiner „Schwentinetalfahrt“. „Ich bin froh, dass das Gepöbel vor meinem Grundstück endlich vorbei ist“, sagt der Unternehmer mit Blick auf die Konflikte, die das Verkehrsnadelöhr verursacht hatte. „Das ist zum Glück jetzt vorbei“. Auch dass der Linienbus wieder verlässlich in der Nähe halten könne, hob er lobend hervor. „Gut, dass endlich wieder alles in geregelten Bahnen verläuft“, fasst er zusammen.
Wenige Schritte weiter, schräg gegenüber, steht die in kräftigem Gelb gestrichene „Alte Mühle“. Deren Gastwirtin, Zohreh Bigham, zeigt sich ebenfalls erleichtert, dass die Brücke wieder für Autos befahrbar ist. Zuvor seien vor allem ältere Gäste nicht mehr eingekehrt. „Mein Umsatz war um rund 40 Prozent eingebrochen“, rechnet sie vor. „Jetzt läuft es aber wieder gut“, unterstreicht sie.
Ähnlich äußert sich Loris Puhlmann von der Provinzial-Versicherung, der nur wenige Schritte weiter eine Agentur betreibt. „Wir haben nicht nur Kunden, sondern vor allem Sichtbarkeit verloren“, stellt er fest. Dabei habe er vergleichbare Erfahrungen gemacht wie Gastronomin Bigham. Auch Puhlmann berichtet, dass die Agentur vor allem ältere Kunden verloren hätte, weil die Sperrung für sie große Umwege bedeutet hätte. Dabei sei es gerade diese Zielgruppe, die die persönliche Nähe ganz besonders schätzte. „Wir hatten so viele Einbußen, dass wir bei dauerhafter Sperrung der Brücke die Agentur möglicherweise nicht hätten halten können“, meint Puhlmann. Daher ist er zufrieden, dass er jetzt wieder verlässlich und „wie gewohnt“ arbeiten kann.
Noch nicht wieder vollständig erholt hat sich dagegen der Naturkostladen Kornblume. „Das ist eine betrübliche Geschichte“, sagt Geschäftsinhaberin Birte Wünsche. „Wir haben etliche Kunden wegen der Sperrung verloren“. So viele, dass sie inzwischen um das Fortbestehen der Kornblume kämpfen müsse. „Erschwerend hinzu kommt die für alle spürbare Inflation“, erklärt sie. Dennoch will die junge Frau nicht aufstecken, zeigt sich voller Tatendrang. Um verlorenen Boden wieder gutzumachen, plant Wünsche das 31-jährige Jubiläum der Kornblume am 14. November mit einigen Aktionen gebührlich zu feiern.
Oft zu Fuß über die Brücke geht Carsten Hübsch aus Oppendorf. „Im Vergleich zu früher sind tatsächlich viel mehr Radfahrer auf der Straße unterwegs“, erzählt er. „Doch noch immer benutzen etliche von ihnen auch weiterhin den Gehweg“.
Warum das so sein könnte, dafür findet Arne Wünsche eine Erklärung, der gerne mit seinem Rennrad unterwegs ist. „Für Mountainbikes oder Räder mit breiten Reifen und Federung mag der geschliffene Belag in Ordnung sein. Doch wer ohne Federung und auf schmalen Reifen fährt, für den hat das wenig gebracht“. Daher habe er Verständnis für Radler, die nach wie vor den erheblich glatteren Gehweg bevorzugten. „Um alle Zweiradfahrer tatsächlich auf die Fahrbahn zu bekommen, müssten „wenigstens die Fugen gefüllt werden“, schlägt er vor.
„Doch das scheitert am Denkmalschutz“, erläutert Ratsherr Özgürcan Bas für Ellerbek/Wellingdorf. „Wir haben mit dem Belag, so wie wir ihn jetzt haben, schon das Äußerste rausgeholt, was als Kompromiss mit den Forderungen des Denkmalschutzes vereinbar war“. Das Fahrverhalten des neuen Belags habe er persönlich mit unterschiedlichen Rädern ausprobiert. „Das fährt sich jetzt deutlich besser als vorher“, so sein Urteil. Immerhin räumt auch er ein, dass längst nicht alle Rad- und Elektrorollerfahrer sich an die Vorschrift halten. Das weiß auch die Stadt Kiel. „Wir werden die Verkehrssituation an der alten Schwentinebrücke sehr genau beobachten“, sagt etwa Arne Gloy vom Pressereferat der Stadt. Zudem werde das Ordnungsamt „stichprobenartig“ kontrollieren. Auch Ratsherr Bas ist dafür, das Verkehrsgeschehen in den nächsten Monaten aufmerksam im Blick zu behalten. Am Belag der Fahrbahn ließe sich zwar nichts mehr ändern, meint er, „doch beim Verkehrsfluss, da gibt es noch vielfältige Möglichkeiten nachzusteuern“. Vorstellbar seien etwa Barrieren auf dem Gehweg, die Fußgänger und Rollstuhlfahrer problemlos passieren könnten, Radfahrer aber so stark ausbremsten, dass sie lieber auf der Fahrspur blieben.

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